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30.04.05 / Erinnerung mit Tü(r)cken

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. April 2005

Erinnerung mit Tü(r)cken

Der 90. Jahrestag der Massaker am armenischen Volk gerät nicht nur in Deutschland zum Streit ums Ganze - während Armenien der Opfer gedenkt, leugnet und droht die Türkei und stolpert die deutsche Politik über ihre "Erinnerungskultur"..

In Eriwan füllen Hunderttausende die Straßen. Eine endlos scheinende Menschenschlange ist an diesem 24. April zum pompösen Denkmal für die Opfer unterwegs. Vor 90 Jahren hatte das Osmanische Reich sich seiner armenischen Gemeinden "entledigt", die Opfer wurden zum Teil gehängt, zum Teil erschossen oder auf See gebracht und über Bord geworfen. Wunden, die lange nicht verheilt sind, brechen auf: Bis heute unterhält der kleine Kaukasus-Staat keine diplomatischen Beziehungen mit Ankara. Die Menschenkette trägt Lichter zu dem Hügel nahe der Hauptstadt Eriwan, auf dem riesige Monolithen sich über eine ewige Flamme neigen. Schlichtweg Opfer des Ersten Weltkrieges seien die so Geehrten gewesen, verkündet Ankara. Gäste aus aller Welt sind die ersten, die am Sonntagmorgen am Mahnmal eintreffen und den Hunderttausenden ihre Achtung erweisen. Danach nur noch Menschenmengen: Männer, Frauen und Kinder, viele zu jung, um das Sterben selbst mitbekommen zu haben, mahnen, den ersten Völkermord der Moderne nicht zu vergessen. Stundenlang stehen sie in der Hitze um der dunkelsten Stunde ihrer Geschichte zu gedenken. Am Abend füllen sie die Plätze und Straßen der Stadt.

Am 24. April 1915 hatte die Regierung des Osmanischen Reiches 250 armenische Anführer zusammentreiben lassen. Sie wurden deportiert oder erschossen. Anderthalb Million Armenier wurden in den folgenden zwei Jahren getötet. Ein Morden und Sterben, das nach dem Willen des Nachfolgestaates der Osmanen, der Türkei, nie geplant oder gezielt stattgefunden haben soll. Nervosität macht sich breit in Ankara - eine Debatte um das, was damals geschah, hat es zwischen Armeniern und Türken bisher nicht gegeben. Ändern wolle man etwas, heißt es vom Bosporus. Gemeint sind nicht die türkischen Geschichtsbücher oder die Beziehungen zu Eriwan, gemeint sind Namen. Der Rotfuchs soll seinen lateinischen Beinamen "Kurdistanica" nicht mehr tragen - was auf Kurden und Armenier verweist, ist nicht vereinbar mit dem Gedanken türkischer Einheit. "Unglücklicherweise gibt es viele Spezies in der Türkei, die so mit schlechten Absichten benannt wurden. Dieses Übel ist so offensichtlich, daß sogar Arten, die es nur in unserem Land gibt, Namen gegen die Einheit der Türkei tragen" - so der Kommentar aus einem türkischen Ministerium.

Nicht nur Wildschafe mit armenischem Beinamen haben in der Türkei keinen Platz. Auch kurdische und armenische Separatisten nicht. 15 Staaten erkennen das Schicksal der Armenier als das an, was es offenkundig war: Völkermord. Darunter sind nicht nur Großmächte mit eigenen geopolitischen Interessen in der Region wie Rußland - auch Frankreich oder Argentinien scheuen sich nicht vor Ärger aus Ankara. Und die Schweiz wird nicht das letzte Land sein, das - wie jetzt im Berner Parlament geschehen - offiziell anerkennt, was geschah. Deutschland war übrigens das erste Land, das dem Völkermord Beachtung schenkte - wenn auch damals, 1915, noch nicht offiziell.

Einst wie heute läßt das nationale Selbstverständnis der Türken Eingeständnisse oder gar fremde Kritik nicht zu. Schon gar nicht aus Deutschland. "Konsequenzen für die Beziehungen beider Länder" drohte der türkische Botschafter in Berlin an für den Fall, daß der Deutsche Bundestag eine von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachte Entschließung zum Armenier-Mord annehme. Das Parlament ließ sich jedoch nicht einschüchtern und gedachte am 21. April in einer Plenarsitzung des Völkermordes und seiner Opfer. Ausdrücklich begrüßten auch Sprecher der Regierungskoalition das vom CDU-Abgeordneten Christoph Bergner initiierte Papier.

Mitte Februar hatten CDU und CSU den Antrag eingebracht und so Rot-Grün unter Zugzwang gesetzt. Seither versuchen Vertreter der türkischen Regierungspartei, die Union wie den Bundestag unter Druck zu setzen. Dabei geriet der CDU-Antrag noch vergleichsweise zahm: Die Begriffe "Völkermord" oder "Genozid" wurden bewußt vermieden. Dies bedeute keineswegs, daß man die Ereignisse verharmlosen oder beschönigen wolle, es gehe der Union aber "ausdrücklich nicht darum, die türkische Regierung und die Bevölkerung auf die Anklagebank zu setzen", beteuert Bergner.

Rot-Grün hofft derweil weiter auf einen Weg der Türkei in die "europäische Wertegemeinschaft". Die anhaltende Weigerung Ankaras, sich der Verantwortung für den Völkermord an den Armeniern zu stellen, läßt allerdings zweifeln, ob die Türkei auf diesem Wege schon spürbar vorangekommen ist. EB

 

Flammendes Gedenken in Armenien: Zu Hunderttausenden kamen die Armenier am 24. April zusammen, um ihre Opfer zu würdigen - wie hier in der Hauptstadt Eriwan. Vor 90 Jahren hatten die Morde im Osmanischen Reich, zu denen sich die Türkei immer noch nicht bekennen will, begonnen (Titelfoto). Foto: pa


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