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30.04.05 / "Dann muß er eben hängen" / Die unglaubliche Hetzjagd auf einen Berliner Lehrer

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. April 2005

"Dann muß er eben hängen"
Die unglaubliche Hetzjagd auf einen Berliner Lehrer
von Annegret Kühnel

Noch in diesem Frühjahr soll vor dem Berliner Verwaltungsgericht einer der größten Skandale im Berliner Schulwesen zu Ende gehen. Das zumindest ergab die Antwort von Schulsenator Klaus Böger (SPD) auf eine Kleine Anfrage des Grünenabgeordneten Özcan Mutlu. Und die Chancen, das dem Opfer des Skandals zum Schluß sogar Gerechtigkeit widerfährt, stehen nicht einmal schlecht. Dazu hätte es dann allerdings fünf Jahre gebraucht.

So lange nämlich dauern die Drangsale gegen den jetzt 55jährigen Lehrer Karl-Heinz Schmick an, der an einem Gymnasium im bürgerlichen Bezirk Steglitz Geschichte, Politik und Sport unterrichtet hat. Schmicks Fehler: Auf seinem Auto prangte kein: "Atomkraft, nein Danke", oder: "Mein Freund ist Ausländer", sondern ein Preußenaufkleber. Er hat Reemtsmas Wehrmachtsausstellung im Unterricht kritisiert und außerhalb der Schule publizistisch bekämpft. Er hat seinen Schülern berichtet, daß Stalin mehr Menschen umgebracht habe als Hitler und daß Pol Pot, der rote Schlächter des kambodschanischen Volkes, "schlimm" gewesen sei. Außerdem machte er auf den Unterschied zwischen "rechts" und "rechtsextrem" aufmerksam.

Das war im Jahr 2000 für zwei Dutzend Eltern Anlaß genug, ihn öffentlich als Nazi anzuprangern und mit Dienstaufsichtsbeschwerden, Flugblattaktionen und Kampagnen zu malträtieren. 2001 wurde Schmick vom Dienst suspendiert, ein Disziplinarverfahren eingeleitet und eine mehr als 2.000 Seiten dicke Akte angelegt. Generalstabsmäßig wurden seine Publikationen durchforstet, Informationen gesammelt, Äußerungen notiert, Dossiers verfaßt, rund 50 Zeugen vernommen. Auch die veröffentlichte Meinung wurde mobilisiert, allen voran eine große Boulevardzeitung, die ein Foto von Schmick präsentierte.

Die eifernde Elternschaft setzte sich aus Juristen, Architekten, Ministerialbeamten und Ärzten zusammen, also den Stützen der Gesellschaft. Sie schlossen sich zu einer Initiative "Politisches Denken" zusammen und gebärdeten sich wie eine Sonderkommission der Polizei. Der Fernsehmoderator Günter Jauch bildete zeitweilig das prominente Aushängeschild, bis ihm die Sache unheimlich wurde. Auch antifaschistische Schüler wußten - und zwar ohne formelle IM-Erklärung -, was sie zu tun hatten, und teilten über Schmick mit, was sie für belastend hielten. Da gegen den Lehrer juristisch nur schwer etwas auszurichten war, wollte die Schulbehörde ihn qua Amtsarzt sogar für verrückt erklären lassen.

Einige Eltern bekamen unterdessen Skrupel. Sie fürchteten, die Aktion könne in einem Suizid enden, in einem Mord durch Paragraphen. Andere hatten auch damit keine Probleme: "Wenn es denn so gekommen wäre, verdammt noch mal, dann hätte er eben hängen müssen." Der so Unmenschliches von sich gab, war Chefarzt an einem Potsdamer Krankenhaus. Auch Groß-Humanisten wie Altbundespräsident Rau und Bundestagspräsident Thierse standen nicht abseits und dankten der Initiative schriftlich "für ihr Engagement".

Seit 2001 sitzt Schmick mit vollen Bezügen zu Hause. Juristisch hat er sich erfolgreich zur Wehr gesetzt. Das Berliner Kammergericht stellte zum Beispiel klar, daß er nicht als "Auschwitz-Leugner" bezeichnet werden darf. Erst im Oktober 2004 hatte die Schulverwaltung die Klageschrift gegen ihn endlich fertiggestellt und dem Gericht übergeben. Sie ist 100 Seiten dick.

Der Grünenabgeordnete Mutlu kritisierte den langen Zeitraum der Untersuchung und vermutet, daß die Schulverwaltung nicht willens ist, den Fall wirklich zum Abschluß zu bringen. Schmicks mündliche und schriftliche Äußerungen seien schließlich lange bekannt gewesen. "Entweder reichen die Beweise aus, um die An- schuldigungen gerichtsfest darzustellen, oder der Lehrer muß vollständig rehabilitiert werden", so Mutlu. Dieses Fazit ist für einen Grünenpolitiker keine Selbstverständlichkeit. Nur die Hauptstadtpresse bleibt sich treu. Ein auflagenstarkes Radaublatt posaunte aus, daß Schmick vom Steglitzer Kommunalpolitiker Thorsten Hippe (CDU) juristisch vertreten wird. Hippe hatte den Bezirksbürgermeister Hermann Weber (CDU) unterstützt, der wegen seiner Äußerungen zum 8. Mai 1945 Opfer einer Linkskampagne geworden war. Das Blatt zeigte ein Foto von Schmick im Landgericht: "Verharmlosung von Nazi-Verbrechen?" lautet die Unterschrift. Wen wundert's angesichts dieser Gemengelage, daß die PDS in Berlin gesellschaftspolitisch allmählich den Ton angibt?


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