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30.04.05 / "Marxistisches Recht" / Der Völkerrechtler Prof. Karl Doehring zum Straßburger Bodenreform-Urteil

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. April 2005

"Marxistisches Recht"
Der Völkerrechtler Prof. Karl Doehring zum Straßburger Bodenreform-Urteil

Am 30. März hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg die Klagen von Opfern der sowjetischen Bodenreform auf Rückgabe oder Entschädigung als "unzulässig" zurückgewiesen, obwohl sie nach der vorangegangenen mündlichen Verhandlung gute Erfolgsaussichten zu haben schienen. Für die Kläger scheint der Rechtsweg damit ausgeschöpft.

Das umstrittene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, die Klage der Alteigentümer auf Restitution beziehungsweise ausreichende Kompensation des Eigentums, das ihnen von den Kommunisten entschädigungslos weggenommen wurde, abzuweisen, bedeutet die Aufrechterhaltung marxistischer Rechtsauffassung. Es bedeutet gleichzeitig, daß die Bundesregierung 1990 trotz Geltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) die Rechtsfolgen der kommunistischen Mißachtung von Menschenrechten und Eigentumsschutz anerkennen und verewigen durfte, wie es das Bundesverfassungsgericht auch schon billigte.

• Das Gericht führt im einzelnen aus, die deutsche Regierung habe vor der Frage gestanden, wie nun die verschiedenen Rechtsordnungen von DDR und Bundesrepublik zu harmonisieren seien. Dabei habe die Bundesregierung ein weites politisches Ermessen in Anspruch nehmen können. Das mag richtig sein, aber das Gericht sieht nicht oder will nicht sehen, daß jedes Ermessen eine Rechtsgrenze hat. Ein völlig freies Ermessen kennt eine rechtsstaatliche Ordnung nicht. Die Ermessensgrenze, die von der Bundesregierung nicht eingehalten wurde, bestand in dem Gebot der EMRK und des Grundgesetzes, Menschenrechte und Eigentumsschutz zu respektieren, nicht aber als gegenstandslos zu behandeln.

• Das Gericht führt weiter aus, daß die Bundesrepublik politische Verpflichtungen zu beachten hatte. Daß solche Verpflichtungen gegenüber der UdSSR nicht bestanden, ist hinreichend bewiesen. Gegenüber der DDR konnte eine solche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Bodenreform nur bedeuten, daß ihre Ergebnisse nicht rückgängig gemacht werden sollten. Das aber haben die Kläger auch nie gefordert. Sie wollten nur Restitution von Objekten, die gerade nicht durch die Bodenreform, also die Zuteilung von Privateigentum, betroffen waren, sondern bis heute sich in deutscher Staatshand befinden.

• Das Gericht behauptet, die Kläger hätten keine berechtigte Erwartung auf Rückgabe haben können. Die Gemeinsame Erklärung zum Einigungsvertrag habe solche Erwartungen ausgeschlossen, was auch für die Rehabilitierungsgesetze gelte. Dabei hat gerade diese Gemeinsame Erklärung einen rechtsstaatlichen Ausgleich in Aussicht gestellt, was nur heißen konnte, daß die Menschenrechtskonvention und das deutsche Grundgesetz im Hinblick auf die Eigentumsordnung beachtet werden würden. Das Gericht meint, es habe nur eine entsprechende Hoffnung bestanden, was auch durchaus verständlich gewesen sei, aber keine rechtliche Erwartung. Man fragt sich, wo hier der Unterschied liegen soll. Die Hoffnung, für die das Gericht Verständnis hat, war selbstverständlich eine rechtlich begründete Hoffnung darauf, daß nun der Rechtsstaat wieder gelte.

• Das Gericht führt dann aus, daß das Diskriminierungsverbot des Artikel 14 der Menschenrechtskonvention nicht eingreife. Es war gerügt worden, daß die in der DDR nach 1949 Enteigneten einen Restitutionsanspruch haben, die Opfer der Bodenreform zwischen 1945 und 1949 aber nicht. Artikel 14 sei deswegen nicht verletzt, weil, wie schon ausgeführt, der Eigentumsschutz der EMRK nicht verletzt sei. Das Gericht übersieht, daß zur Anwendung des Artikel 14 es ausreicht, wenn der Normbereich - hier das Eigentum - der Gegenstand der Diskriminierung ist. Das aber kann niemand leugnen.

Es bleibt festzustellen: Der EGMR verhilft mit dubioser Begründung der Bundesregierung zur Einbehaltung von rechtswidrig und brutal entzogenem Privateigentum. Und dies führt zu dem makabren Ergebnis, daß die Enteigneten ihr Eigentum von ihrer eigenen Regierung zurückkaufen können, ein Ergebnis, für das wohl selbst Marxisten sich geschämt hätten.

Die Bundesregierung bleibt in der Pflicht. Straßburg hat ja nicht geurteilt, daß es keine Entschädigung geben soll, sondern lediglich, daß die Beschwerde unzulässig ist: Zuständig sind die Bundesregierung und der Bundestag. Deutsche haben Deutsche in Deutschland vertrieben und enteignet, der Fiskus des deutschen Staates hat sich auf Kosten der Opfer bereichert.

Die Sowjetunion hat die Unumkehrbarkeit der Bodenreform nicht zur Bedingung der deutschen Einheit gemacht. Es soll auch nichts umgekehrt werden, sondern es geht darum, wie das wiedervereinigte Deutschland mit dem Vermögensraub umgeht.


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