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07.05.05 / Befreiung? Wovon? Wozu?

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Mai 2005

Hans-Jürgen Mahlitz:
Befreiung? Wovon? Wozu?

In diesen Tagen, genau 60 Jahre nach dem Ende der Kampfhandlungen, werden wir förmlich bombardiert mit Ritualen der Erinnerung an den "Tag der Befreiung". Die "üblichen Verdächtigen" unter den Vergangenheitsbewältigern nutzen den 8. Mai 1945, um wieder einmal das einseitige Geschichtsbild der Sieger zu zeichnen. Wer es wagt, bei diesem historischen Datum nicht nur an "Befreiung" zu denken, sondern auch an Niederlage, daran, daß Millionen deutscher Soldaten noch jahrelang "unbefreit" in Kriegsgefangenschaft gehalten wurden, oder gar an den Beginn unendlichen Leids für 15 Millionen aus ihrer Heimat Vertriebene - der wird ausgesondert aus den "Anständigen", die unser Bundeskanzler bei derartigen Gelegenheiten so gern mobilisiert.

Merkwürdig: Das Ergebnis einer "Befreiung" sollte doch eigentlich Freiheit sein. Wie stand es damit nach jenem Tag der Kapitulation? Millionen Menschen in Ostdeutschland, im Sudetenland, in seit Jahrhunderten deutsch besiedelten Regionen Rumäniens, Ungarns oder Jugoslawiens wurden gewaltsam von ihrer Heimat, ihrem Hab und Gut, oft auch ihrem Leben "befreit". Weitere Millionen in Mitteldeutschland fielen für Jahrzehnte in kommunistische Knechtschaft - für grob geschätzt ein Drittel des deutschen Volkes wurde der 8. Mai zum Tag der Unfreiheit. Und auch den übrigen, den im Westen "Umerzogenen", wurde nur beschränkte geistige Freiheit zugebilligt.

Es empfiehlt sich, in diesen aufgeregten Erinnerungstagen einmal zu den Lebenserinnerungen des Journalisten Gerhard Löwenthal zu greifen. Auf eine ganz eigene Weise schildert er, wie er das Ende des Krieges in Berlin erlebt hat - nämlich wirklich als Befreiung. Der damals 22jährige war einer von 1.400 Juden, die den nationalsozialistischen Terror in der Reichshauptstadt überlebt hatten, mit viel Glück und vor allem Dank der Hilfe vieler anständiger Deutscher, wie er später schrieb. Für ihn ging ein jahrelanges Doppelleben in ständiger Todesangst zu Ende, ein Überlebenskampf in Form eines makabren Versteckspiels.

Löwenthals bemerkenswerte Konsequenz: Er hat sich nicht - was durchaus verständlich gewesen wäre - von Deutschland abgewandt, er ist "geblieben", wie es im Titel seines Buches heißt. Und er hat sich nicht der Tätervolk-These angeschlossen, sondern wurde zum glühenden Patrioten und Vorkämpfer der Freiheit, der physischen wie der geistigen!

Jene hingegen, die heute so vehement das Wort "Befreiung" im Schilde führen, sind in Wahrheit nicht frei, sondern immer noch verhaftet in der Unfreiheit totalitären Denkens. Sie haben lediglich das Koordinatenkreuz um 180 Grad gedreht - um jenen Nullpunkt, den der 8. Mai markiert. All die negativen Attribute der Unfreiheit, die verbohrte Einseitigkeit, die ideologisch verbrämte Lüge, die Verbiegung und Klitterung der Geschichte, auch die Kaltherzigkeit gegenüber "unkorrekten" Opfergruppen -- mit umgekehrtem Vorzeichen wurden und werden sie weiter praktiziert. Diese eifernden Bewältiger der Vergangenheiten aller anderen (nur nicht der eigenen) predigen "Befreiung" und sind selbst Gefangene geblieben. Auf den Trümmern der Katastrophe des 8. Mai etwas Neues aufzubauen, das von Freiheit im Sinne Schillers und Kants geprägt ist, diese Chance haben sie nicht genutzt; sie sollen uns mit ihrem Befreiungs-Gefasel in Ruhe lassen.

Ganz anders dagegen der von deutschen Nationalsozialisten verfolgte, später von deutschen International-Sozialisten geschmähte deutsch-jüdische Patriot Gerhard Löwenthal: In diesem, seinem Sinne könnte der 8. Mai tatsächlich nicht nur als Tag der Niederlage und der Katastrophe, sondern auch der Befreiung gelten - aber so haben die "Befreier" das wohl nicht gewollt.

 

Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht: In der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 unterschrieb Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel in Berlin- Karlshorst das von den Alliierten entworfene Papier. Doch die Zeit des Leidens war für die Deutschen noch lange nicht vorbei. Ob Kriegsgefangenschaft, Vertreibung oder Verschleppung - die Opfer fühlten sich nicht "befreit" Foto: Preußischer Kulturbesitz


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