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07.05.05 / Chef der Ahnungslosen / Die rot-grüne Ideologie feiert ihre Rückkehr

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Mai 2005

Chef der Ahnungslosen
Die rot-grüne Ideologie feiert ihre Rückkehr
von Jürgen Liminski

Die Ideologen sind wieder unter uns. Ihre Reden, Plakate und Medienauftritte zeigen es an. Ihre Gegner sind böse Manager und die Widersacher einer multikulturellen Gesellschaft. Rot-Grün kehrt zu den Ursprüngen zurück. Die Grünen waren ja angetreten, alte Strukturen aufzubrechen, den Weg zur multikulturellen Gesellschaft zu ebnen. Deshalb stehen die Grünen auch geschlossen zum Kern des Volmer-Fischer-Erlasses: Im Zweifel Einreisefreiheit. Volmer bekundete es offen, Fischer stellte den Erlaß in den Kontext seines weltweiten Wirkens. Sein Ruf: Haltet die Skandalisierer, gilt auch ihm selbst und vor allem der SPD-Spitze, die vor den Raubtieren des Kapitalismus warnt und selbst gnadenlos Reformen mit Folgen von Proletarisierung vorantreibt.

Die Visa-Affäre läuft nämlich parallel zu einer anderen Ideologiedebatte, der Kritik am ökonomistischen Denken oder einem ausufernden Kapitalismus. Reformgesetze, die den kalten Hauch des unbarmherzigen Kapitalismus atmen, etwa Hartz IV, sollen jedoch unberührt bleiben. So ist die Kapitalismusdebatte für die Sozialhilfeempfänger nur eine große Show. Ähnlich die Visa-Affäre selbst. Mit rund 400 Aktenordnern und 300.000 Blatt Papier ist der Visa-Untersuchungsausschuß der materialreichste in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus. Muß ein Außenminister, der als Zeuge vor den Ausschuß geladen ist, diese Aktenberge durchgearbeitet haben? Kann er das überhaupt? Was muß er wissen, wo muß er entscheiden? Bisher wußte offenbar keiner so richtig etwas, als Amt der Ahnungslosen bezeichnet eine Sonntagszeitung das Außenministerium. Und Fischer, das kann man nach der Ein-Mann-Show mit anschließender Marathon-Vernehmung sagen, ist der Chef der Ahnungslosen. Er übernimmt großspurig die Verantwortung für die Ahnungslosigkeit.

Das Ganze ist eine große Farce. Auch das Fernsehen kann mit seiner Live-Übertragung kein Mehr an Aufklärung bringen. Denn der Ausschuß ist politisch besetzt, es geht nicht um Wahrheit, sondern um Wirkung. Der Ausschuß hat, anders als etwa Untersuchungsausschüsse in den USA, keine staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Befugnisse. Es wird zwei Berichte geben, zwei Sichtweisen. Die eine wird Fischer loben, die andere ihn verdammen. Beide Lager fühlen sich durch den Auftritt ja auch bestätigt. Entscheiden wird letztlich der Wähler und deshalb ist die Wirkung, nicht die Wahrheit, das Element, auf das es den Politikern ankommt. Und deshalb hatte der Auftritt des Außenministers auch eher den Charakter eines Halbfinales, nachdem am vergangenen Donnerstag Ludger Volmer im Viertelfinale halbwegs mit denselben Mitteln, einer Mischung aus Ahnungslosigkeit und moralisierender Empörung, bestehen konnte. Das Finale wäre dann die Wahl in NRW.

In diesem Sinn spielte Fischer seine neue Rolle als einer, der reuig seine kleine - noch nicht justiziable - Schuld bekennt, und gleichzeitig als der große Gutmensch deutscher Außenpolitik, gar nicht schlecht. Aber es ging nicht um die rasche Hilfe für die Tsunami-Opfer oder um eine Anti-Kriegs-Position. Das sollte man bei einem deutschen Außenminister eigentlich als selbstverständlich voraussetzen, auch wenn Fischer mit seinem durchfurchten Atlas-Gesicht daraus ein Heldenepos strickt. Es ging um die Versäumnisse in Kiew und im Amt. Hier hat Fischer versagt und zwar aus ideologischen Gründen. Ideologen wollen die Wirklichkeit in ihre Gedankenretorte zwängen. Fischer will das multikulturelle Deutschland, er nennt es nur das "offene". Deshalb ließ er die Schleusen von Kiew so lange offen. Ein Minister kann nicht alles wissen. Aber er muß im Interesse seines Landes entscheiden, nicht einer Ideologie gehorchen.

Eine andere Lektion gilt den elektronischen Medien. Haben sie zur Erhellung beigetragen oder eher nur das dramaturgische Element verstärkt? Die Wissenschaft weiß seit langem, daß Objektivität im Journalismus nicht möglich ist, man spricht, wie der Vater der deutschen Publizistik, Emil Dovifat, lieber von "subjektiver Wahrhaftigkeit", oder von Fairneß. Die kann man dem Sender "Phoenix" durchaus bescheinigen. Daß auch er so wie die Journalisten instrumentalisiert wurde, liegt in der Natur der Sache. Man sollte hier auch nicht zuviel von den Medien erwarten. Sie konnten der Wahrheit nicht mehr auf die Sprünge helfen als die Hauptdarsteller in dem Fischer-Stück es wollten.

Von dem griechischen Geschichtsschreiber Polybios stammt das erhellende Wort: Geschichte ohne Wahrheit ist wie ein Gesicht ohne Augen. In diesem Sinn kann man nur sagen, das Ganze war im besten Fall einäugig. Wer es nicht so gut meint mit Fischer, der kann freilich auch sagen: Hier hat ein Blinder die Blinden an der Nase herumgeführt. Aber das gilt auf jeden Fall für Müntefering und seine Kapitalismus-Kritik.


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