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07.05.05 / Angst vorm Spargelstechen / Mai-Krawalle: Für "selbstbestimmtes Leben" auf Staatskosten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Mai 2005

Angst vorm Spargelstechen
Mai-Krawalle: Für "selbstbestimmtes Leben" auf Staatskosten
von Annegret Kühnel

Am diesjährigen 1. Mai veranstaltete der Berliner DGB, um seinen schwindsüchtigen Veranstaltungen aufzuhelfen, neben der Kundgebung am Roten Rathaus noch einen Motorradkorso und einen DGB-Lauf. Er brachte immerhin 10.000 Leute auf die Beine.

Doch es half nichts, im Fokus der Öffentlichkeit standen wie stets seit fast 20 Jahren die erwarteten Maikrawalle in Kreuzberg und Umgebung. Dabei hatten Senat und Polizei sich alle Mühe gegeben, der Autonomenszene keinen Vorwand zu liefern. 6.500 Polizisten wurden ins Feld geschickt, 1.500 weniger als im vergangenen Jahr. Praktiziert wurde die Polizeitaktik der "ausgestreckten Hand".

Das Autonomen-Ritual begann wie immer mit dem Walpurgisnacht-Fest in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai. Es findet im Mauerpark zwischen den Bezirken Wedding und Prenzlauer Berg statt, doch weil das Gelände dort inzwischen gut ausgeleuchtet ist, sind die Bedingungen für Gewaltakteure ungünstig. Die "B.A.N.G." (Berliner Anti-Nato-Gruppe) hatte daher unter dem Motto "Gegen Yuppiesierung + Umstrukturierung" zu einer zweiten Veranstaltung auf den Boxhagener Platz in Friedrichshain aufgerufen. Dank massiver Polizeipräsenz hielten die Übergriffe sich in Grenzen. Es kam zu 65 Festnahmen. Drei Polizisten wurden verletzt.

Traditionelles Epizentrum der Ausschreitungen im Anschluß an die "revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen" ist der Kreuzberger Kiez SO 36. Hier hatte die Polizei Handzettel verteilt und die Anwohner und Gewerbetreibende aufgefordert, ihre Autos zu entfernen. Ladenbesitzer verbarrikadierten ihre Schaufenster.

Um potentielle Gewalttäter aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen, veranstalteten das Bezirksamt und verschiedene Organisationen ein "Myfest". Türkische Verbände riefen die Eltern auf, ihre Kinder von Ausschreitungen abzuhalten. In den letzten Jahren waren auffällig viele ausländische Jugendliche beteiligt gewesen. Die erste Demonstration begann um 13 Uhr. Das Motto lautete: "International kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung - keine Befreiung ohne Revolution". Das Plakat dazu gab es auf deutsch und türkisch. Es zeigte das bekannte Bild vom Sowjetsoldaten, der am 30. April 1945 die Fahne auf den Reichstag pflanzt. Statt der erwarteten 3.000 Teilnehmer kamen aber nur etwa 1.100 - Altkommunisten, Maoisten, Punks, Autonome, radikale Ausländergruppen. Im Internet erinnerten sich die Organisatoren wehmütig an den "Massenaufstand 1987", als ein Supermarkt in Flammen aufgegangen war.

Diesmal blieb es ruhig. Die Parolen waren zu wirr, um eine revolutionäre Stimmung aufkommen zu lassen: Die Forderung: "Hände weg von Nepal" stand beziehungslos neben dem Protest gegen "Frauenunterdrückung", der wiederum mit dem Protest gegen "anti-islamische Hetzkampagnen" zusammenprallte. Natürlich tauchte auch das obligate "Nie wieder DeutSSchland" auf.

Auf den Sozialstaat aber wollen auch Autonome nicht verzichten. Von den Einschnitten ins soziale Netz sind sie ebenfalls betroffen. So kommt es zu der paradoxen Situation, daß diejenigen, die lauthals für sich ein selbstbestimmtes Leben beanspruchen, ebenso eifernd gegen die Zumutung der "Eigenverantwortung" lärmen. Das läßt nur einen Schluß zu: Auch unter den Berufsrevolutionären grassiert die Angst vor Hartz IV und vor dem Marschbefehl zum Spargelstechen. Angst jedoch macht unerotisch, was die laue Beteiligung erklärt.

Eine zweite, für 18 Uhr angemeldete Demonstration war abgesagt worden, angeblich aus "Protest" gegen den von der Polizei festgelegten Streckenverlauf, der um das Areal des "Myfests" einen Bogen machte. Dies werteten die Autonomen als "Provokation", schließlich mußte der Staat unter allen Umständen als Feindbild erhalten bleiben. Die verhinderten Demonstranten sollten sich nun unter die Teilnehmer des Volksfestes mischen.

Am frühen Sonntagabend kam es aber doch noch zu einer spontanen Demonstration, die auch am Haus des Springer-Verlages vorbeiführte. Als ein Kleinwagen demoliert wurde, griff die Polizei energisch ein. Nach Einbruch der Dunkelheit kam es am Rande des "Myfests" noch zu Stein- und Flaschenwürfen. Trotzdem war es der sittsamste 1. Mai seit 1987. Aber was in Deutschland ist denn noch so, wie es einmal war?

 

Niedere Instinkte ausleben heißt an diesem Tag "Revolution": Linke Demonstranten feiern am 1. Mai in Berlin die erfolgreiche Zerstörung eines Pkw. Foto: pa


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