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14.05.05 / Die Jugend geht auf Distanz / Für immer weniger junge Menschen ist Demokratie ein "unersetzliches Gut"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14.Mai 2005

Die Jugend geht auf Distanz
Für immer weniger junge Menschen ist Demokratie ein "unersetzliches Gut"

Pünktlich zum 8. Mai, der von höchster Stelle zum "Tag für Demokratie" erkoren worden war, veröffentlichte das Hamburger Abendblatt eine detaillierte Umfrage mit dem Titel: "Wie wichtig ist die Demokratie?" Vom 26. April bis 1. Mai hatte das Psephos-Institut hierzu die Meinung von 1.146 Hansestädtern erkundet. Das Ergebnis bewertet die größte Hamburger Tageszeitung als "alarmierend".

Wie sich nämlich herausstellte, haben gerade die jungen Hamburger von 16 bis 24 Jahren ein weitaus kühleres Verhältnis zur Staatsform ihres Landes als der Durchnitt der Bevölkerung. So sagten 84 Prozent aller Befragten, daß die Demokratie "ein unersetzliches Gut" sei, aber bloß 63 Prozent der bis 24jährigen. Bei den bis 20jährigen waren dies sogar nur 45 Prozent. Auch in Einzelfragen nach der "Verzichtbarkeit demokratischer Rechte" kam heraus, daß die Jüngeren auch deutlich weniger stark an ihren politischen Bürgerrechten hängen als der Durchschnitt.

Es darf angenommen werden, daß ein Großteil, wenn nicht die Mehrheit der jungen Deutschen "Demokratie" weniger mit dem Idealbild von Recht, Freiheit und Volksherrschaft gleichsetzen als vielmehr mit dem, was sie täglich in ihrem Land unter dem Etikett "Demokratie" präsentiert bekommen.

Und da sind einige Widersprüche zum Ideal nicht wegzudiskutieren: Da gab es zum Euro oder jetzt zur EU-Verfassung in zahlreichen Ländern Volksabstimmungen, die deutschen Chef-Demokraten in Parteien und Parlamenten aber sind stolz darauf, dies den Deutschen verweigert zu haben. Weiteres Beispiel: Der alte Schlußartikel 146 des Grundgesetzes schrieb vor, daß jenes Verfassungs-Provisorium (zu dem das Volk nie direkt gefragt wurde) an dem Tage seine Gültigkeit verliere, an dem sich das deutsche Volk in Freiheit vereint per Abstimmung eine Verfassung gegeben habe. Davon war nach 1990 keine Rede mehr. "Man" habe "sich darauf geeinigt, daß sich das Grundgesetz bewährt hat", weshalb eine vom Volk demokratisch verabschiedete, "richtige" Verfassung gar nicht mehr nötig sei - so die Antwort führender Politiker aller großen Parteien in den 90er Jahren. Meinungsstreit? Volksbeteiligung? Nichts da.

Sollte man sich also wundern, wenn der Wert der Demokratie von jungen Deutschen unterschätzt wird? Man drehe den Spieß doch einmal um und verlange von Politikern eine Antwort auf die Forderung: "Das Volk (der Demos) soll herrschen!" Denn nichts anderes ist ja "Demokratie". Wir müßten uns wohl auf einen Schwall gedrechselter Ja-aber-Antworten gefaßt machen. Welchen Einfluß auf die Politik in Berlin, in Brüssel oder den anderen Schaltzentralen billigen die Parteien dem Volk denn tatsächlich noch zu? Richard v. Weizsäcker blieb es vorbehalten, den Zustand mit dem Satz "Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht" auf den Punkt zu bringen.

Es wäre da ja noch die Meinungsfreiheit, möchte man einwenden. Etwa per Demonstration könnte man den Mächtigen bescheid sagen. Doch auch hier übernimmt neuerdings ein fest formierter Reigen aus Staatsorganen, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden das Regiment. Beim "Fest der Demokratie" am vergangenen 8. Mai in Berlin ebenso wie beim "Aufstand der Anständigen" des Jahres 2000 am selben Ort. Auch letzten Sonntag wurde übrigens kein Zweifel daran gelassen, daß am Brandenburger Tor die "Anständigen" stünden. Damit wurde jeder Widerspruch gegen die Kundgebung als moralisch anrüchig abgekanzelt. Dabei ist es die Möglichkeit zu widersprechen, ohne dafür diskriminiert zu werden, welche die Meinungsfreiheit ausmacht. Öffentliche Großversammlungen "aller gesellschaftlichen Gruppen" zur Vergewisserung, daß die Regierung auf dem richtigen Kurs ist, sind indes typischerweise nicht die Übung von Demokratien.

Könnte es sein, daß vor diesem Hintergrund die "wehrhafte Demokratie" gerade von vielen jungen Menschen nur als hohle Maske eines mächtigen Kampfverbandes der Regierenden erlebt wird, die auf immer mehr Feldern "letzte Sätze" sprechen und den freien Austausch der Meinungen unter Verdacht stellen? Als Kartell mit dem Anspruch: Was demokratisch, anständig und wahr ist, das bestimmen wir? Wer diesen Eindruck gewonnen hat, dem erscheinen seine "demokratischen Rechte" als wertloses, falsches Versprechen. Ein Befund, der in der Tat "alarmieren" sollte. Hans Heckel


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