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14.05.05 / Das Lied des Hirten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14.Mai 2005

Das Lied des Hirten
von Robert Jung

Es war im Frühling. Wieder führte ihn der Weg durch das von Hügeln und Wäldern bedeckte Thüringer Land. Wiederum war es auch dieselbe Straße, die er einst, von Mannheim kommend, vor langen Jahren in einer Kutsche befahren hatte. Inmitten einer fröhlichen Reisegesellschaft, alle noch begeistert von einer musikalischen Opernaufführung, von ihm komponiert ... das war damals!

Die Sonne war bereits im Sinken. Allmählich verstummte um ihn der Vogelgesang. Die Bäume, die seinen Weg säumten, der herabsinkende Frühlingstag, die schweigende Natur - dies alles rief in ihm Erinnerungen wach, als er der Kutsche vor dem dörflichen Gasthaus entstieg. Er war der einzige Fahrgast, und er ließ den Kutscher warten. Krank, wie er war, fröstelte ihn vor der abendlichen Kühle, und er betrat rasch die Gaststube. Nachdem er gespeist hatte, rief er den Wirt zu sich. Er erinnerte sich noch einer wunderschönen Dorfhochzeit: "Es ließ sich damals ein wunderbares, einprägsames Lied vernehmen", sagte er zum Wirt. "Was ihr doch hier in den Landen für herrliche Volkslieder habt!"

"Volkslieder!" staunte der Wirt. "Nein, ein Volkslied war es damals auf der Bauernhochzeit nicht, was der Herr hörte, da irren Sie sich, mein Herr."

"Wie? Es war kein Volkslied?" forschte der abendliche Gast. "Von wem war dann jenes Lied, das man auf der Dorfhochzeit rundum im Kreise sang?"

Der Adlerwirt gab sich einen Ruck. "Jener Mann, der das Lied auf der Fiedel gespielt und dazu sang, hier vor allen Leuten und Hochzeitern, war eine Zeit lang bei uns im Dorf der Hirte. Ein etwas eigenartiger, fast scheuer Mensch. Immer kam er allein über die Felder in einem weiten Lodenmantel, an der Seite sein Hirtenhund. Man mochte meinen, er sei einer der Hirten gewesen, die im fernen Ungarland über die Weiten der Puszta traben."

Verwundert starrte der Gast auf den Adlerwirt. "Ihr mögt noch soviel nach ihm forschen", setzte der Wirt das Gespräch fort, "dies alles war so seine Art, nicht nur das eine, nein, viele Lieder kamen aus seinem Mund, hat er selbst gemacht. Mitunter werden sie heute noch hier und da auf den Dörfern gesungen."

"Es ist kaum zu glauben", erwidert der Gast. "Diese einprägsamen, gefühlvollen Lieder stammen von einem einfachen, unbekannten Hirten?"

"Ja, ein einfacher Hirt, mein Herr! Und zwar einer mit der Sehnsucht eines jungen Herzens. Die ‚Kranzeljungfrauen' sind von ihm, dieser tiefgreifende Sang. Vielleicht entsinnen sich der Herr, den Hirten damals aufgefordert zu haben, ihm doch eines dieser schönen Volkslieder vorzuspielen. Er tat dem Herrn dann den Gefallen mit dem ‚Lied der Kranzeljungfrauen', gelt?"

Der späte Gast lehnte sich zurück, seine Miene glättete sich. Dem Wirt war es aber zumute, als würde er seiner Erzählung keinen Glauben schenken. Doch Carl Maria von Weber, der nie ein Hehl aus der Urheberschaft des Liedes "Wir winden dir den Jungfernkranz" gemacht, war tief beeindruckt. Damals hielt er den Sang nur für ein altes Volkslied. Und jetzt war es ein unbekannter, wandernder Hirt gewesen, der es erdacht und gesungen! "Lebt der Hirt noch?" fragte er ergriffen den Adlerwirt. "Ist er noch im Dorf? Ich möchte zu ihm, helfen will ich ihm, meinen Dank sagen!"

Der Wirt schüttelte den Kopf. "Lange hielt er es nicht bei uns im Dorf aus, dann nahm er den Hirtenstab, seinen Hirtenhund und sagte für immer Valet. Niemand weiß, wohin ihn sein Weg führte, mein Herr!"

So war es, das Lied des einsamen Hirten aber wird leben auf immer, und in den Herzen vieler ...

 

Der Jungfernkranz
von Johann Friedrich Kind (1768-1843)

Wir winden dir den Jungfernkranz

mit veilchenblauer Seide;

wir führen dich

zu Spiel und Tanz,

zu Glück und Liebesfreude!

Schöner grüner,

schöner grüner Jungfernkranz!

Veilchenblaue Seide!

Lavendel, Myrt' und Thymian,

das wächst in meinem Garten;

wie lang bleibt doch

der Freiersmann?

Ich kann es kaum erwarten.

Schöner grüner,

schöner grüner Jungfernkranz!

Veilchenblaue Seide!

Sie hat gesponnen sieben Jahr

den gold'nen Flachs am Rocken;

die Schleier sind

wie Spinnweb' klar,

und grün der Kranz der Locken.

Schöner grüner,

schöner grüner Jungfernkranz!

Veilchenblaue Seide!

Und als der schmucke Freier kam,

war'n sieben Jahr verronnen;

und weil sie

der Herzliebste nahm,

hat sie den Kranz gewonnen.

Schöner grüner,

schöner grüner Jung´fernkranz!

Veilchenblaue Seide!


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