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21.05.05 / Eine Männerdomäne erobert / "Malweiber": Berliner Galerie präsentiert Kunst

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. Mai 2005

Eine Männerdomäne erobert
"Malweiber": Berliner Galerie präsentiert Kunst von Frauen um 1900

Was sind wir doch verwöhnt! Es gab Zeiten, da mußten Frauen ins Kloster gehen, um intellektuell oder künstlerisch zu arbeiten. Dort wurde gelesen, aber auch geschrieben, komponiert und gemalt. Der Preis für diese innere Freiheit war allerdings ein Leben in völliger Abgeschiedenheit. Meist illustrierten die Nonnen die Heilige Schrift, aber auch Altarbilder und Fresken entstanden.

Im 17. Jahrhundert galt die Kunst bereits als angesehenes Metier, doch Frauen waren dabei eine Seltenheit. Sie stammten entweder aus dem Malermilieu (als Töchter, Ehefrauen oder Witwen) oder aus der Oberschicht, denn eine Malerausbildung kostete ein stattliches Lehrgeld. Die Akademien lösten im 18. Jahrhundert die Zünfte und Gilden ab, in denen die Maler organisiert sein mußten, um Aufträge zu erhalten. Auch sie waren eine reine Männerdomäne. Frauen wurden nur in Ausnahmefällen aufgenommen, daran änderte auch die Französische Revolution nicht viel. Frauen fehlten somit die Kenntnisse für die damals hochangesehene Historienmalerei, da es ihnen verwehrt war, in der Akademie das Zeichnen antiker Skulpturen, das Kopieren alter Meister und das Aktstudium am lebenden Modell zu erlernen. Ihnen blieb "nur" die Porträtmalerei, die sie allerdings in großer Meisterschaft ausführten.

Auch im 19. Jahrhundert war es für Frauen noch nicht selbstverständlich, als freie Künstlerinnen zu arbeiten. Nur vereinzelt gelang es ihnen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, den Besuch einer Akademie durchzusetzen, meist auch nur durch allerhöchsten Befehl. In der 1845 gegründeten Königsberger Kunstakademie zum Beispiel fanden Frauen immerhin schon ab 1890 Aufnahme. In Weimar zum Beispiel wurden Frauen nur nach Ermessen von Direktor und Kollegium zugelassen, an anderen Akademien in separaten "Damenklassen" isoliert. An der Stuttgarter Königlichen Akademie der Bildenden Künste wurden 1906 ganze zwölf Studienplätze an Frauen vergeben. Jede Bewerberin mußte - bis mindestens 1913 - ein schriftliches Einverständnis der Eltern vorweisen, wozu sonst nur minderjährige Bewerber verpflichtet waren, und über ihre persönlichen und familiären Lebensumstände informieren.

Noch im Jahre 1912 / 13 wurde ein Gesuch an das preußische Abgeordnetenhaus zu Berlin abgelehnt, das sich um die Zulassung von Frauen an der Berliner und Düsseldorfer Kunstakademie bemühte, denen dort der Zugang bislang generell verwehrt war. Als Begründung wurde angeführt, daß man den Frauen das Kunststudium nicht erleichtern wolle, um einen allzu großen Andrang von Frauen an den Akademien "aus Mangel an anderen geeigneten Berufen für gebildete Frauen" im Ansatz zu unterbinden. Und im selben Jahr hielt der Abgeordnete Ferdinand von Miller eine Rede, in der er - ohne daß in der Bevölkerung oder gar im Parlament auch nur die Spur eines Sturms der Entrüstung ausgebrochen wäre - Folgendes behauptete: "Vor 100 Jahren mußten die jungen Fräuleins Nähen und Stricken lernen; jetzt tun das die Maschinen; aber die Damen waren damals beschäftigt. Selbstverständlich wollen sie auch jetzt eine Tätigkeit haben und werfen sich deshalb sehr häufig auf die Kunst. Wenn auch vielleicht zehn Prozent von ihnen ein wirklich ernstes Streben haben, 90 Prozent ist es doch nur darum zu tun, die Zeit herum zu bringen, bis ein glücklicher Gatte kommt, der sie von der Kunst wegholt."

Erste Zeichen- und Kunstschulen boten da Abhilfe. Bei renommierten Künstlern fanden Frauen eine meist solide Ausbildung. Lovis Corinth, der Meister aus Tapiau, gründete 1900 in Berlin seine "Malschule für Weiber", die regen Zuspruch fand. - Ein glücklicher Zufall führte 1901 auch Charlotte Berend in diese Malschule in der Klopstockstraße 48. Drei Jahre später war sie mit dem erfolgreichen Maler verheiratet. Ihre Kunst aber übte sie auch nach der Familiengründung (mit zwei Kindern) aus, wenn sie ihr Talent auch hinter dem des Ehemannes zurück-stellen mußte. So forderte Corinth sie auf, nicht die gleichen Motive wie er selbst zu malen. Vor allem den Walchensee hatte er für sich "reserviert". "Ich habe", so erinnerte sich Charlotte Berend-Corinth später, "neben der Führung des Haushaltes und der Betreuung der lieben Kinder nie nachgelassen, täglich an der Staffelei zu stehen und zu malen. Nur so blieb ich dem Genius, mit dem ich lebte, eine Gefährtin, der er alles sagen konnte, was ihn beschäftigte." So eng die beiden Künstler auch miteinander verbunden waren, so eigenständig entwikkelte Charlotte ihre schöpferischen Kräfte und schuf Bilder, die keineswegs abhängig waren von ihrem großen Lehrer. Nach dessen Tod eröffnete sie im Jahr 1927 sogar eine eigene Malschule in der Klopstock-straße 48 ...

Käthe Kollwitz, die große Königsbergerin, erinnerte sich an ihre Anfänge als Künstlerin: "Ich will zurückgehen darauf, daß der Vater schon seit meiner Kindheit den ausgesprochenen Wunsch hatte, mich zur Künstlerin heranzubilden, zugleich in dem Gedanken, es würden sich da nicht große Hemmungen dazwischen schieben. So ließ er von meinem 14. Jahre ab mich von den besten Kräften in Königsberg unterrichten. Zu allererst bei Kupferstecher Mauer, später bei Emil Neide ... Da ich als Mädchen keine Zulassung zur Akademie hatte, bekamen ich und eine junge Tilsiterin Privatstunden bei Neide ..." Später studierte die 1867 geborene Kollwitz an der Schule des Berliner Künstlerinnenvereins und besuchte 1904 in Paris die berühmte Académie Julian.

Nach dem Ersten Weltkrieg dann hatten sich die Zeiten gewandelt: Käthe Kollwitz erhielt 1919 einen Lehrstuhl an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. - Auch Paula Modersohn-Becker hatte die Berliner Künstlerinnenschule besucht; zuvor jedoch hatte sie ersten privaten Zeichenunterricht in London erhalten (1892).

Die Frühjahrsausstellung der Berliner Galerie Barthelmess & Wisch-newski, Giesebrechtstraße 10, Ecke Kurfürstendamm, präsentiert unter dem Titel "Malweiber - Kunst von Frauen um 1900" derzeit etwa 50 Arbeiten verschiedener Künstlerinnen, anhand derer das überzeugende Können der lange geschmähten "Malweiber" nachvollzogen werden kann. Darunter sind auch Arbeiten von Gertrud Helmholz und Gertrud Stechow, die bei Lovis Corinth gelernt haben. Aus Breslau stammen Marie Schultze und Grete Waldau. Die Zeichnungen und Gemälde mit den unterschiedlichsten und durchaus nicht typisch weiblichen Motiven sind noch bis zum 30. Juli zu sehen (Montag bis Freitag von 10 bis 13 Uhr und von 14.30 bis 18.30 Uhr, am Sonnabend 11 bis 15 Uhr). SiS / gbw

An der Staffelei: Eine unbekannte Malerin hielt diese Szene mit dem Pinsel fest (Öl, um 1900). Foto: gbw


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