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28.05.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Mai 2005

Eine merkwürdige Zeit / ... mit trübem Ende: Schröder hätte sich absetzen sollen, bevor sein fauler Zauber aufgeflogen ist
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Das Gemeinste war, daß Schröder den Neuwahlplan geheimgehalten hat und niemand etwas wußte außer ein paar ganz, ganz engen Komplizen. Der Chef der nordrhein-westfälischen SPD-Bundestagsabgeordneten, Kemper, war richtig böse, daß er von dem Coup genauso wie das blöde Volk erst aus dem Fernseher erfahren hat. Hätte es rechtzeitig wenigstens "Beratungen im kleinen Kreis" gegeben, dann hätten sich Kemper und die Seinen nämlich als "Insider" mit hintergründigen Bemerkungen vor den Medien produzieren können. Unter hochstaatsmännischer Miene hätte er ins Mikrofon gebrummelt, daß er sich "nicht an Spekulationen beteiligt", und "nur soviel sagen kann, daß ..." (an dieser Stelle kämen jetzt die Spekulationen). Solche Auftritte sind die Sternstunden des gedemütigten Hinterbänklers. Ist nun alles nichts geworden. Kemper hat guten Grund, sich zu grämen.

Vom Volk aus gesehen nimmt sich der Paukenschlag von Berlin natürlich ganz anders aus: Endlich passiert mal was. War ja auch Zeit. Schon vor Jahren sind den Talkshows die Themen ausgegangen. Nicht das, was einer dort sagte, stand am nächsten Tag in den Pressekritiken, sondern ob der Politiker von seinem Medienberater so hingebürstet worden sei, daß seine Körperhaltung, seine Krawatte oder die Art, wie er die Beine übereinanderschlägt "Kompetenz" und "Willenskraft vermittelten". Mit solchem Schnickschnack abgespeist hat man uns hungrig ins Bett geschickt.

Eigentlich war das "rot-grüne Projekt" ja auch schon 2001 am Ende. 1998 hatte noch alles zusammengepaßt: In der Wirtschaft hatten die Börsenkurse den eigentlichen Wert der Firmen weit hinter sich gelassen und sogenannte "New Economy"-Experten versicherten, daß diese Geisterfahrt schon in Ordnung gehe, weil sie nämlich Ausdruck einer ganz neuen Form von Finanzwirtschaft sei. Für Spinner und Scharlatane war es die glück-lichste Zeit an der Börse seit 1929. Rot-Grün war der politische Zwillingsbruder dieser schillernden Brut. Dort saß die Neue Mitte, für die die Wirklichkeit nur noch ein böses Schimpfwort aus dunkler Vergangenheit war. Jetzt hatte man ein "Projekt", die "soziale und ökologische Erneuerung", die auf der Überzeugung basierte, daß die Wirtschaft am besten funktioniert, wenn man ihr am heftigsten in die Speichen greift. Es war wie die Vision von einem Flughafen mit Magerwiese als Startbahn, von der die geräuschreduzierten, rapsölgetriebenen Flieger aus wiederverwertbarer Rübenschaumplaste nur abheben dürfen, wenn die anliegenden Feldhasenkollektive ihr basisdemokratisch ermitteltes Okay gegeben haben und die Mitarbeiter sich nicht zu müde fühlen. Und der trotzdem "das Drehkreuz der Welt" ist. Unser Leben würde werden wie in den fortschrittlichen Kinderbüchern der 70er und 80er Jahre immer vorausgesagt: Grün, bunt, multikulturell und von allen Zwängen befreit.

Dann stürzte die "New Economy" ab und Eichels Haushalt gleich hinterher. Die Ära der Inszenierungen begann: Aufstand der Anständigen gegen rechts, Gerhard der Deichgraf, Gerhard der Friedensfürst, Gerhard der Reformkanzler. Die wiedererwachte Wirklichkeit aber scherte sich einen Dreck um die von hochbezahlten Kommunikationsexperten ausgetüftelten Gaukeleien und nahm immer mehr Menschen mit zu sich in die Tiefe: Während aufgeregte Anständige arbeitslose Jungglatzen oder selbstdenkende Konservative als brandgefährliche Bedrohung der Zivilisation ausgemacht hatten, schickten studierte Fanatiker aus dem Morgenland mal eben 3.000 New Yorker in den Tod. Na sowas. Und obwohl Schröders Minister, gestützt auf den geballten Sachverstand von über einem halben Hundert Kommissionen, den Aufschwung hinter jeder Ecke herbeieilen sahen, gab es am Ende für Deutschland immer nur die rote Laterne des Schlußlichts in Europa.

Die erstaunliche Überlänge des "rot-grünen Projekts" hinterläßt viel Arbeit für weitere Kommissionen, Historikerkommissionen, die sich die Zähne ausbeißen werden an der Frage, wie dieser Blödsinn solange durchgehen konnte. Doch auch ohne "historische Aufarbeitung" werden die Schuldenberge der Schröderzeit jeden heute lebenden Deutschen bis an sein Grab an die tollen sieben Jahre erinnern.

Die SPD würde das alles gern schnell vergessen machen. Die Grünen? Kennen wir nicht mehr, heißt es aus der Parteizentrale. Die Fischer-Partei übt sich derweil in Fassung, ahnt sie doch, daß ihre Zeit vorbei ist. Claudia Roth quälte sich zwar Begeisterung ab beim ersten TV-Interview zu der Neuwahlverkündung. Ihr Gesichtsausdruck wies dabei aber eher auf akuten Herzstillstand hin (gut, zugegeben: tut er eigentlich immer). Renate Künast will sogar kämpferisch wirken und "zeigen, was grüne Inhalte sind". Als Wahlplakat dazu empfehlen wir verlotterte Pfanddosensammler unter einem vogelblutverschmierten Windrad. Der einzige Grüne, dem wir die Freude über die vorgezogenen Wahlen teilweise abnehmen, ist Joschka Fischer. Schließlich stirbt mit der Auflösung des Bundestages auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuß zur Visa-Affäre.

Richtig in Fahrt gekommen sind die Jusos. Deren Chef Björn Böning hat auf einmal gewaltigen Appetit auf einen "radikalen Generationenwechsel" an der SPD-Spitze. Beeindruckend, wie geschmeidig diesen erst um die 30jährigen Nachwuchsbonzen das eingeübte Politikergeseier schon vom Kinn tropft. Wäre Böning tatsächlich so "unverbraucht", wie er sich findet, hätte er einfach ausgeplappert: "Ich will'n Posten, der fett Kohle abwirft!"

Wahlkämpfer Müntefering richtet den Blick also nach vorne. Das klingt nur im ersten Nachhall optimistisch, denn das, was uns laut Müntes Prophezeiung bevorsteht, erscheint nicht gerade erquicklich: Die "schwarze Republik" droht, mahnt der rote Chef. Tatsächlich? Alles Quatsch, kein Grund zur Sorge. Kommt die EU-Verfassung durch, ist Berlin als Machtzentrum ohnehin kaum noch einen Pfifferling wert. Schon jetzt hat Europa in Sachen Umweltschutz, Gleichstellung, "Antidiskriminierung" und so weiter ein dichtes Netz an Regeln, die allesamt aus dem Gehege linker Visionen stammen, über Deutschland geworfen. Und da die Union immer stolz darauf war, besonders europäisch zu sein, wird sie an alldem auch nicht rütteln. Was sollen denn die Nachbarn denken?

 Zeichnung: Götz Wiedenroth


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