25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.06.05 / Wie zu Zeiten des Zentralkomitees

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Juni 2005

Gedanken zur Zeit:
Wie zu Zeiten des Zentralkomitees
von Wilfried Böhm

Das Nein der Franzosen zu der ihnen vorgelegten Verfassung der Europäischen Union (EU) ist eine klare und vernünftige Entscheidung gegen einen europäischen Superstaat mit seiner bürokratischen Brüsseler Umverteilungsmaschinerie, aber es ist kein Nein zu einem Europa der demokratischen Nationalstaaten, wie es der Straßburger Europarat mit seiner Parlamentarischen Versammlung, seinem Ministerrat und dem Menschenrechtsgerichtshof widerspiegelt.

Die Gleichsetzung der EU mit "Europa" ist das eigentliche Grundübel der europäischen Politik, weil die großartige Idee eines vereinten Europas dadurch zu einer Bürokratie mit finanzieller Umverteilerei verkommen ist, aufgeteilt in Nettozahler und Nettompfänger. Obendrein betreibt diese Bürokratie unsinnige Eingriffe in die Politik der Nationalstaaten. Dieses ungeliebte System soll nun nach dem Wunsch seiner persönlichen und staatlichen Nutznießer durch eine "Verfassung" weltweit und gegenüber seinen Bürgern als Überstaat erscheinen, um so durch Gewöhnung zu einer realen staatlichen Ebene zu werden. Ein europäischer "Außenminister" soll das ganze Gebilde weltweit repräsentieren und wird den Eindruck der "Staatlichkeit" überall erwecken. Jeder deutsche Bürger hingegen wird dann persönlich in drei Verfassungen eingebunden sein: in die seines deutschen Bundeslandes, in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und in die der Europäischen Union.

Die Reaktion der europäischen Politiker auf das Nein des Volkes in Frankreich, von dem nach dem Zweiten Weltkrieg ganz wesentliche Impulse für Europa ausgingen, bestätigt diese Einschätzung und ist darum bezeichnend: Die Franzosen seien "unreif", man müsse sie "besser aufklären" und sie auf dem Weg nach Europa "mitnehmen". Das heißt nichts anderes, als daß die Franzosen so lange erzogen werden müssen, bis sie "richtig" abstimmen.

Solche Formulierung erinnern peinlich an Zeiten, die man in Europa als längst überwunden glaubte. Die Erklärungen des EU-Kommissionvorsitzenden Barroso, neue Verhandlungen seien "ausgeschlossen" und die seines Kommissars Verheugen, der mit der Aussage "Europa geht weiter" Änderungen an der Verfassung ebenfalls ausschloß, verführen zu der bitteren Feststellung, da habe wohl der Erste Sekretär eines Zentralkomitees (ZK) und ein weiteres Mitglied des Politbüros gesprochen ...

Was die deutschen Bürger von dieser Art Europa halten, haben sie mehrfach bei Europawahlen gezeigt. So haben bei den Wahlen zum Europaparlament im Juni 2004 mehr als die Hälfte, nämlich 57 Prozent, von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht und überdies wurde ein auffallend hoher Anteil ungültiger Stimmen abgegeben, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt 6,7 und im Saarland 6,6 Prozent. Darum auch konnte den Deutschen eine Volksabstimmung über die Verfassung nicht zugetraut werden. Sie wäre mit einiger Sicherheit "schief gegangen".

Liegt doch der Grund für die große Zustimmung der Spanier bei ihrer Volksabstimmung zur EU-Verfassung darin, daß ihr Land finanzieller Empfängerstaat und Hauptnutznießer des finanziellen EU-Umverteilungssystems ist, während Deutschland eben dieses System in erster Linie zu finanzieren hat. Überdies wurden die Deutschen - ebenfalls ohne Volksabstimmung - zur Opferung ihrer D-Mark für den Euro gezwungen und in eine ihren Wohlstand gefährdene Stagnation mit über fünf Millionen Arbeitslosen gestürzt, an deren Zustandekommen dieser Euro gewiß nicht unschuldig ist.

Verloren haben bei der französischen Volksabstimmung auch alle deutschen Politiker, die sich in die Angelegenheiten des befreundeten Nachbarlandes eingemischt und vehement die Franzosen bekniet haben, dem Verfassungswerk zuzustimmen. An der Spitze dieser Ratgeber stand Bundeskanzler Schröder, der nun einmal mehr blamiert ist. Glück haben die Unionsparteien in der Frage der Volksabstimmung, daß aus ihren Reihen der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler mit seiner Verfassungsklage eine Alibifunktion übernommen hat. Auf diese Klage verweisen derzeit auch Unions-Abgeordnete, von denen man bisher noch nicht gehört hatte, daß sie die EU-Verfassung kritisch sehen. Im Gegenteil, sie haben der EU-Verfassung im Bundestag zugestimmt und gehörten damit zu den genau 603 Deutschen, die überhaupt in einer Abstimmung über diese Verfassung gefragt worden sind. Mehr nicht. Frankreich - du hast es besser.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren