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04.06.05 / Alles andere als Spitze / Idee der staatlich verordneten Eliteuniversitäten wirft zahlreiche Fragen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Juni 2005

Alles andere als Spitze
Idee der staatlich verordneten Eliteuniversitäten wirft zahlreiche Fragen auf
von George Turner

Unser Hochschulwesen wird zur Zeit unter anderem von der Diskussion beherrscht, wie man aus den über 90 Universitäten die besten, sogenannte Eliteuniversitäten, herausfiltert. Angeheizt wurde die Debatte durch die Erklärung der Bundesregierung Anfang des Jahres 2004, eine bestimmte Anzahl von "Spitzen-Universitäten" auszumachen und sie besonders zu fördern. Wie aber sind sie zu finden?

Ein fachlicher Bereich läßt sich sachgerecht nur beurteilen, wenn eine Bewertung möglichst vieler relevanter Punkte in der Forschung und der Lehre erfolgt, und zwar solche objektiver und subjektiver Art.

Zu den objektiven Merkmalen in Bezug auf die Forschung gehören: Zahl der Forschungsprojekte, Sonderforschungsbereiche, Drittmittel, Dissertationen, Habilitationen, Preise, Ehrungen, erteilte und abgelehnte Rufe, Stipendien, Publikationen und deren Wirkung (Zitatenindex). Für die Lehre sind objektiv von Bedeutung: Verhältnis der Studienbewerber zu der Zahl der zugelassenen Studenten, Verhältnis der Studienanfänger zu den Absolventen, Notenspiegel, Stipendiaten, ausländische Studenten, Studiendauer, Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln, Lehrbuchautoren der Fakultät, Niveau des beruflichen Einstiegs. Wichtig ist bei einer Reihe objektiver Kriterien, wie zum Beispiel den Drittmitteln, auch die Größe der Institutionen, damit nicht Unvergleichbares miteinander verglichen wird.

Unter den subjektiven Kriterien ist im Hinblick auf Forschungsleistungen besonders wichtig die Bewertung durch fachkundige Dritte. Bezüglich der Lehre sind Einschätzungen durch Studenten, Absolventen, Fachkollegen und Personalchefs erhebliche Erkenntnisquellen.

Werden lediglich objektive Urteile einbezogen, greifen die Indikatoren zu kurz, weil wichtige Aspekte der Resonanz und Außenwirkung nicht berücksichtigt sind. Verläßt man sich nur auf subjektive Einschätzungen, so unterliegt man der Gefahr einer vordergründigen Marketing-Perspektive. Das kann - je nach Fragestellung - zu ganz unterschiedlichen Rangplätzen führen. Eine Imageanalyse bei Studenten über die Lehrsituation an einer Massenuniversität führt regelmäßig zu einer schlechten Beurteilung; eine Befragung von Professoren über das Renommee von Universitäten kann für dieselbe Einrichtung ein überwiegend positives Zeugnis ergeben.

Die Auslotung der genannten (und weiteren) Merkmale wäre allerdings ein sehr arbeits- und zeitaufwendiges Unterfangen. Ob es sich lohnt, ist vor allem deshalb zweifelhaft, weil über die Gewichtung der Kriterien gestritten werden kann. Daran kranken alle bisher veröffentlichten sogenannten Hitlisten oder "Bundesliga"-Tabellen der deutschen Hochschulen. Eine "Verrechnung" durch Gewichtung erweckt den Eindruck, als gäbe es hier Kompensationen, derart, daß überfüllte Hörsäle - und damit schlechte Studienbedingungen - durch ein Angebot attraktiver Kneipen - unter Freizeitwert der Hochschulstadt einzuordnen - im Rahmen einer Bewertung der Hochschulen ausgeglichen werden kann.

Fragestellungen bezüglich einzelner Kriterien können durchaus interessant sein, also zum Beispiel die Frage, wie die Studienbedingungen unter einem ganz bestimmten Aspekt, zum Beispiel der Ausstattung der Bibliotheken oder der Breite des Angebots im Vergleich der Hochschulen, aussehen. Wenn Erhebungen zu entsprechenden Fragen in ihrem Ergebnis auf das beschränkt bleiben, was sie aussagen können, kann das hilfreich für persönliche Entscheidungen sein.

Es kommt letztlich auch nicht darauf an, ob eine Fakultät den 17. oder 18. Platz in einem Ranking einnimmt. Zufriedenstellend ist es schon, wenn man begründet sagen kann, welche Fakultäten besonders gut, mittelmäßig oder weniger gut sind, wenn der Trend erkennbar ist.

Wenn eine Institution bei der Erhebung einzelner Kriterien fast immer in der Spitzengruppe auftaucht, ist das Urteil fundierter, als wenn aus dem Ergebnis der Erhebung zu einem Merkmal ein Schluß gezogen wird. Ein Ausreißer etwa bei der unterschiedlichen Bewertung derselben Fakultät durch Professoren einerseits und Studenten andererseits spielt dann keine dominierende Rolle.

Zum Kreis der als Ganzes zu fördernden Einrichtungen gehörten dann die Universitäten, die eine größere Zahl exzellenter fachlicher Bereiche aufzuweisen haben. Naturgemäß werden das große Universitäten mit einem breiten Fächerspektrum sein.

International hängt die Reputation auch von anderen, auf den ersten Blick fachfremden Kriterien ab. Das kann der Name der Stadt, die Geschichte der alma mater sein, wie es zum Beispiel bei Heidelberg der Fall ist. Aber wo sind die qualitativen Unterschiede zwischen Heidelberg, Tübingen und Freiburg zu finden? Einen Bonus kann auch der Name von Institutionen wie bei der Humboldt-Universität zu Berlin ergeben. Würde sie auch als "gesetzt" gelten, wenn sie ihren ursprünglichen Namen - Friedrich-Wilhelm-Universität - trüge oder womöglich einen, der ihr während der DDR-Zeit verpaßt worden wäre? Dabei ist eine Wechselwirkung durchaus denkbar: weil Stadt, Historie oder Name eine gewisse Strahlkraft haben, zieht dies Größen des Faches an.

Sicher wird niemand behaupten, an Universitäten, die mehrere hervorragende Fakultäten aufweisen oder in der Einschätzung von außen besonders gut wegkommen, seien alle Fächer erstklassig besetzt. Aber die objektiven Zahlen im Zusammenhang mit anderen Kriterien können dazu führen, daß sie als Mitglieder der "ersten Liga" angesehen werden. Auch wenn daneben nicht übersehen werden darf, daß an anderen Orten sehr wohl auch Besonderes geleistet wird - die "Auserwählten" werden selbst dafür sorgen, daß sie als Klasse für sich betrachtet werden. Es gäbe dann bestimmte Institutionen, die wegen anerkannter Leistung und ihres Ansehens eine besondere Förderung erfahren könnten.

Dieses möchte die noch amtierende Bundesregierung. Dagegen wehren sich die Länder. Abgesehen von der Frage der Zuständigkeit spielen dabei folgende Überlegungen eine Rolle: Wenn man eine bestimmte Zahl von Universitäten (in Rede stehen fünf bis zehn) besonders etikettiert, fällt der Rest gewissermaßen "durch den Rost". Da es aber auch anderenorts hervorragende Leistungen gibt, die durchaus anerkennt werden, nur möglicherweise nicht in so großer Zahl wie an den Auserwählten, befürchtet man entweder eine Abwanderung wichtiger Kräfte oder deren nicht hinreichende Würdigung. Letztlich steckt aber noch etwas anderes dahinter: Wenn fünf bis zehn Universitäten das Prädikat "Spitze" bekommen, werden einige der 16 Länder leer ausgehen. Wie sollen Politiker in Ländern ohne Auszeichnung das ihren Wählern erklären? Das bliebe auch bei einer politisch anders zusammengesetzten Bundesregierung so.


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