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04.06.05 / Dankesworte von Reinhard Goltz: Mit dem "Preußischen Wörterbuch" den Menschen einen Schlüssel zum Verständnis an die Hand geben

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Juni 2005

Dankesworte von Reinhard Goltz: 
Mit dem "Preußischen Wörterbuch" den Menschen einen Schlüssel zum Verständnis an die Hand geben

Das Projekt "Preußisches Wörterbuch" erstreckt sich über einen Zeitraum von 50 Jahren. Vier Forschergenerationen waren an seiner Entstehung beteiligt. Insofern stehe ich hier stellvertretend für all die Gewährspersonen, die zu der einzigartigen Materialsammlung beigetragen haben, und für die insgesamt elf Redakteure, die seit 1974 ihren oft staubtrockenen Beitrag zum Gesamtwerk geleistet haben.

Ostpreußisches Platt, das Natangische, das Samländische, aber auch die mitteldeutschen Mundarten des Ermlandes und des Oberlandes - diese Sprachformen verklingen. Die jüngsten Sprecher sind heute etwa 75 Jahre alt. Ihr weiches und breites Platt ist in der Öffentlichkeit kaum mehr zu hören. Doch es gibt auch Ausnahmen. Bei mir selbst ist es gerade mal sieben Wochen her. Genauer: als sich in Bielefeld der Arbeitskreis "Ostpreußisch Platt" zu seinem 20jährigen Bestehen versammelte. Alles lewe Lied, de sek freie, wenn se sek weddersehne, de schabbere on singe on de an ehre Sproak fasthole. Met Stolt.

Auch von den plattdeutschen Texten, die aus dieser Gruppe hervorgegangen sind, hat das Wörterbuch profitiert. Nun gibt es ja Zeitgenossen, die nach dem Sinn eines Wörterbuchs für eine verklingende Sprache fragen: Was soll denn die ganze Anstrengung? Was sollen zwei Millionen Wortzettel und Hunderte Stunden von Tonbandmaterial? Was soll ein dickes, sechsbändiges Wörterbuch mit über 100.000 Stichwörtern, mit Hunderten von Sprachkarten und detaillierten Abbildungen, wenn niemand mehr diese Sprache spricht und niemand in dieser Kultur lebt?

Solange die Deutschen den Anspruch erheben, als Kulturnation zu gelten, solange ist eine solche Frage nicht zulässig. Denn das Wissen um die sprachlichen und kulturellen Wurzeln ist das mindeste, was wir an die nachfolgenden Generationen weitergeben können. Ein Wörterbuch versammelt kompakt das gesamte in Sprache gekleidete Wissen einer Landschaft. Das ist ein hoher Anspruch, übersteigt dieses Wissen doch all das, was ein einzelner Mensch je erfahren kann. Es ist eine Art kollektives Gedächtnis. Und für viele, die es benutzen, ist es eine Brücke in eine andere Kultur. Und genau das ist auch unser Anspruch: daß Forscher, aber auch andere interessierte Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt in 100 Jahren einen Schlüssel zur Hand haben, wenn sie sich mit dem Alltag in Ost- und Westpreußen beschäftigen wollen.

Damit diese ... aber begreifen können, was sich hinter Wörtern wie Schocke, Kruschke oder Twelfte verbirgt, brauchen sie unser Wörterbuch. Wir dokumentieren alle mundartlichen Wörter, wie sie in den einzelnen Landschaften ausgesprochen werden, wie stark sie verbreitet waren und was genau sie bedeuten. Und wir belegen die Verwendung eines einzelnen Wortes im Sprachgebrauch: in festen Wendungen, in Redensarten, Wetterregeln, in volksmedizinischen Lehrsätzen oder Abzählversen.

Daß die ost- und westpreußische Kultur noch lange nicht endgültig abgeschlossen ist, sondern daß sie in vielen Lebensbereichen weiter existiert, wissen Sie besser als ich. Bei uns zu Hause backen wir in der Weihnachtszeit Kekse nach einem Rezept von Tante Martha. Aus Elbing. Die Speisenzubereitung mit Schmand hat ihren festen Platz in der deutschen Küche. Und sogar der Streimellachs ist seit einigen Jahren wieder im Handel erhältlich.

Das "Preußische Wörterbuch" ist in seinem alphabetischen Durchlauf nahezu abgeschlossen. Es fehlt noch eine kleine Lieferung, aber die wird in den nächsten Wochen erscheinen, so daß dann die sechs Bände komplett sind. Was dann aber fehlt, das ist ein Begleitband, der die Benutzer mit den notwendigen Informationen über die preußische Sprachlandschaft informiert und ihnen das Suchen im Wörterbuch ermöglicht. Und damit habe ich auch bereits angedeutet, wofür das Preisgeld verwendet werden soll. Die Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz hatte bis Ende 2003 das "Preußische Wörterbuch" finanziell getragen. Anschließend aber haben wir Notbehelfe gebaut, die uns einen Abschluß überhaupt ermöglichten. Und nun soll mit Hilfe des Preisgeldes auch noch der Begleitband entstehen. Erst dadurch erhält das Werk seine wirkliche Abrundung. Dafür, daß Sie uns diese Möglichkeit eröffnen, sage ich von Herzen Dank.


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