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04.06.05 / Weg der Wolgadeutschen in den Tod / Wer nicht bis 1932 verhungert war, wurde in Zwangsarbeiterlager deportiert 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Juni 2005

Weg der Wolgadeutschen in den Tod
Wer nicht bis 1932 verhungert war, wurde in Zwangsarbeiterlager deportiert 
von Hans-Joachim von Leesen

In Folge 6 erinnerte die PAZ daran, daß vor 75 Jahren in der sowjetischen Zeitung Prawda Stalins Grundsatzartikel "Der Rausch des Erfolges" erschien, der das Signal war, "alle notwendigen Maßnahmen im Kampf gegen die grundbesitzenden Bauern in der Sowjetunion anzuwenden inklusive der Beschlagnahme ihres gesamten Vermögens und ihre Aussiedlung". Rigoros begann die bolschewistische Regierung damit, unter Einsatz all ihrer Machtmittel die Bauern vor allem in den fruchtbaren Gebieten der Ukraine, am Don, am Kuban, im Schwarzerdegebiet, im nördlichen Kaukasus und in Kasachstan, zu zwingen, einen immer größer werdenden Anteil ihrer Ernte dem Staat abzuliefern. Zu den am schwersten betroffenen Gebieten gehörte auch die damalige Autonome Wolgadeutsche Republik an der unteren Wolga. Dort siedelten Deutsche, die Nachkommen deutscher Kolonisten, die die Zarin Katharina II. in der Mitte des 18. Jahrhunderts in jene Regionen geholt hatte, um sie gegen die Tartaren zu sichern. Sie litten genau so entsetzlich unter der Politik der kommunistischen Regierung wie die übrigen im südlichen Teil der Sowjetunion lebenden Völker.

Der Marxismus-Leninismus, der das Privateigentum ablehnte, nahm gegenüber den grundbesitzenden Bauern stets eine feindliche Haltung ein. Marx und Engels nannten die Bauern "nicht revolutionär, sondern konservativ. Noch mehr: sie sind reaktionär, sie suchen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen." Friedrich Engels bezeichnete die Bauern als "Überreste einer vergangenen Produktionsweise". Über allen stand für die Kommunisten die "Hegemonie des Proletariats". Rosa Luxemburg, eine der Wortführerinnen des Kommunismus in Deutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts, war der Meinung, man müsse auch bei uns "den Klassenkampf aufs Land hinaustragen, gegen das Bauerntum das landlose Proletariat und das Kleinbauerntum mobil machen." Solche marxistischen Grundideen wirkten selbst noch in der SPD der Weimarer Republik nach. So las man in dem Organ der dortigen SPD, der "Sächsischen Arbeiterzeitung": "Wir erklären nicht nur den großen Gutshöfen, sondern auch den Kleinbauern den Krieg." Selbst Karl Kautsky, einer der wichtigen Theoretiker des Sozialismus, der sich im Laufe seines Lebens allmählich vom radikalen Marxisten zum Gegner der Bolschewisten wandelte, vertrat die Ansicht: "Die Bauernwirtschaft verewigen wollen, heißt die Barbarei verewigen." Er sagte weiter: "Für die Erhaltung des Bauernstandes einzutreten, haben wir keinen Grund."

Während in Deutschland der kommunistische Wahnsinn in den ersten Jahren der Weimarer Republik zunächst abgewehrt werden konnte, errang er in Rußland die Macht und konnte in den Weiten des Landes seine menschenverachtende Ideologie in die Tat umsetzen.

Dazu gehörte der Kampf gegen grundbesitzende Bauern, dort als "Kulaken" bezeichnet, eine abwertende Benennung. Sie, die landwirtschaftliche Hilfskräfte beschäftigten, galten als feindliche Klasse, die zu liquidieren sei. Das gelang mit der Kollektivierungspolitik zwischen 1928 und 1933. Begründet wurden die Maßnahmen mit dem Zwang, die Sowjetunion aus dem Zustand des Agrarstaates in den Industriestaat zu überführen, um Europa wirtschaftlich und damit auch in der Rüstung zu überholen. Man schlug damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen konnte der Staat mit den beschlagnahmten großen Mengen Getreide, die er ins Ausland ausführte, Devisen erwirtschaften, die er für die Industrialisierung und Aufrüstung benötigte; zum anderen liquidierte er die verhaßte Klasse der selbständigen Bauern. Daß er damit auch eine Schicht von Leistungsträgern eliminierte, war offenbar bei den Kommunisten, die nichts so haßten wie aus der Masse herausragende Menschen, ein willkommener Nebeneffekt. Indem die Regierung die Bauern zwang, immer größere Anteile ihrer Ernte abzuliefern, setzte sie die Bauern dem Hungertode aus. Als aufgrund der geschwundenen Lebensgrundlagen auf dem Lande eine Massenflucht der Hungernden in die Städte einsetzte, wurden sie durch den Einsatz von bewaffneten Streitkräften sowie der Geheimpolizei mit Gewalt aufs Land zurückgetrieben.

Zwischen August 1932 und Dezember 1933 wurden mehr als 125.000 Menschen verurteilt, von ihnen 5.400 Zum Tode, weil sie einige Weizenähren auf den Feldern der Kolchosen gestohlen hatten. Zu Hunderttausenden wurden sie in die Zwangsarbeitslager deportiert.

Die Hungersnot erreichte trotz überdurchschnittlich guter Ernte um die Jahreswende 1932/1933 ihren Höhepunkt. Darüber veröffentlichte die in Böblingen erscheinende zweisprachige Monatsschrift Heimat / Rodina ein Dokument, das die Lage der Wolgadeutschen beleuchtet. Europa war über die Hungersnot gut informiert, so unter anderem durch Berichte ausländischer Diplomaten. Sie beobachteten an Ort und Stelle das Massensterben und den Massenterror und berichteten darüber ihren Regierungen. Die sowjetische Regierung aber stritt jede Hungersnot ab und bezeichnete Meldungen darüber als "faschistische Hetze". Heimat / Rodina veröffentlichte in russischer Sprache die "Meldung 276", die der Staatsanwalt der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (ASSR) der Wolgadeutschen, Skudra, am 27. Mai 1933 an den Staatsanwalt der Russischen Föderation, Wyschinski, weiterleitete. Darin heißt es: "Ich halte es für notwendig, Ihnen folgende Mitteilung zu machen. Gegenwärtig herrscht in der ASSR der Wolgadeutschen eine schwierige Lage mit den Lebensmitteln, sowohl auf dem Lande als auch in den Städten. Wegen der Hungersnot steigt die Sterblichkeitsrate an. Ich habe Ihnen bereits einige Fälle des Leichenverzehrs und des Massensterbens in einigen Dörfern des Kantons Balzer gemeldet. Die Überprüfung der Lage ergab, daß die Sterblichkeit nicht nur in einigen, sondern in fast allen Dörfern des Kantons gestiegen ist. In den Monaten April/Mai 1933 stieg die Sterblichkeit ... weiter an ... wobei in manchen Dörfern die Sterblichkeit gegenüber dem ersten Quartal 1933 um mehr als 200 Prozent gestiegen ist ... Es wurden auch zwei Fälle des Leichenverzehrs bekannt; einen gab es am 25. April in Staraja Topowka, den zweiten am 2. Mai in Dönhof ... Der Anstieg der Sterblichkeit wird nicht nur im Kanton Balzer registriert, sondern in der gesamten Republik der Wolgadeutschen."

Aber nicht nur die "Kulaken", also die selbständigen Bauern starben, sondern der Hunger machte auch vor den bereits enteigneten, nun in Kolchosen zur Arbeit gezwungenen Wolgadeutschen nicht halt. Aber, so der Staatsanwalt: "Bei den verstorbenen Kolchosemitgliedern handelt es sich um Faulenzer und Schieber. Doch sind in letzter Zeit auch Fälle des Todes von Bestarbeitern zu verzeichnen." Und dann folgten die typischen kommunistischen Phrasen: "Es gibt zahlreiche heroische Beispiele dessen, wie viele Kolchosbauern, Bestarbeiter und Mitglieder des Aktivs die übrige Masse trotz ihrer eigenen Unterernährung mitreißen und das Soll erfüllen und übererfüllen." Nicht nur auf dem Lande starben die Menschen wie die Fliegen, wie folgende Mitteilung belegt: "Aber auch in den Städten der Wolgadeutschen ist die Lage auf dem Nahrungsmittelmarkt außerordentlich schwierig. So starben in Balzer in den ersten 26 Apriltagen 272 Personen, dabei machen die Kinder 32 Prozent aus, die Arbeiter 29 Prozent ... Dabei stehen die größten Schwierigkeiten noch bevor, denn im Juni und Juli sind die Lebensmittel für die Gemeinschaftsverpflegung in den Kolchosen zu Ende. Das signalisieren wir mit diesem Bericht."

Heimat / Rodina berichtet, daß im Juli und August 1933 im Deutschen Reich eine große Hilfsaktion für die Deutschen in der Sowjetunion angelaufen ist. Eine Reihe von Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die evangelischen Kirchen, der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) wenden sich mit Unterstützung der damaligen Reichsregierung an das Volk mit dem Appell, Spenden für die in der UdSSR Not leidenden Deutschen zu sammeln. Am 3. Juli fand in einem der größten Säle Berlins eine Kundgebung unter der Losung "Der Weg der Deutschen in der UdSSR ist der Weg in den Tod" statt. Die Deutsche Allgemeine Zeitung druckte einen Aufruf des Oberen Rates der Evangelischen Kirchen ab, "den in Rußland hungernden Glaubensbrüdern und Stammeszugehörigen zu helfen". Bei den Banken wurde ein Konto unter dem Kennwort "Brüder in Not" eingerichtet. Unter den ersten Spendern zahlten auf dieses Konto je 1.000 Mark Reichspräsident Paul v. Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler ein. Die deutsche Reichsregierung stellte als Hilfe für die Hungernden 17 Millionen Mark bereit. Aber die sowjetische Regierung wies die Spende zurück und erklärte, in der UdSSR gebe es keinen Hunger. Die von Deutschland entfesselte Kampagne habe lediglich verleumderische Ziele. Die Verwaltung des Volkskommissariats für Inneres unter Leitung des Geheimdienstes NKWD drohte Sofortmaßnahmen an, wenn "faschistische Elemente" Spenden aus Deutschland in der UdSSR verteilen sollten. Sie sollten ebenso bestraft werden wie die Empfänger der Hilfe. So erzwangen Stalin und seine kommunistischen Führer die Ausrottung des Klassenfeindes, der grundbesitzenden Bauern. An ihre Stelle traten Kolchosen. Und während sechs Millionen Bauern verhungerten, exportierte die Sowjetunion allein im Jahre 1933 insgesamt 18 Millionen Doppelzentner Weizen ins Ausland.

Als die deutsche Wehrmacht acht Jahre später in die Sowjetunion einmarschiert, trifft sie in der Ukraine, bei den Kosaken am Don und am Kuban, im nördlichen Kaukasusgebiet auf eine Bevölkerung, die die Deutschen als Befreier begrüßt. Warum das so war, wird deutlich, wenn man die brutalen sowjetischen Maßnahmen der Kollektivierung Anfang der 30er zur Kenntnis nimmt.

Bauern melden sich zur Kollektivierung: Ende der 20er Jahre begann die Sowjetunion ihren Kampf gegen die Kulaken. Wer nicht freiwillig in die Kolchose eintrat, mußte seine Freiheitsliebe häufig mit dem Leben bezahlen. Foto: pa


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