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11.06.05 / "Nie wieder Deutschland" / Erinnern - Vergessen - Verachten: Zum Umgang der Deutschen mit dem Gedenken / Letzter Teil

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Juni 2005

"Nie wieder Deutschland"
Erinnern - Vergessen - Verachten: Zum Umgang der Deutschen mit dem Gedenken / Letzter Teil
von Klaus Wippermann

Wer aber ist sich heute bei uns all dessen, was hinter diesen Geschichtsbegriffen bis in unsere Schulbücher und Medien hinein verborgen wird, noch bewußt? Was die offenbar völlige Erinnerungslosigkeit aufgrund solcher Geschichtsmanipulationen betrifft, so paßt hier die Karikatur, die der liberale Publizist Ulrich Sonnemann einmal von Deutschland zeichnete: Es sei nämlich "das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten". Etwas vornehmer hat dies der Zeithistoriker Christoph Kleßmann kürzlich wie folgt formuliert: "Aber auch westliche Demokratien, die sich dem Ideal der Zivilgesellschaft verpflichtet fühlen, sind in keiner Weise gegen die Manipulation der Regierenden und der suggestiven Verführung selektiver, politisch paßfähig gemachter Erinnerungen gefeit."

Besonders anschaulich und aktuell wird solche "selektive, politisch paßfähig gemachte Erinnerung" bei der Diskussion um das sogenannte "Zentrum gegen Vertreibungen". Ganz abgesehen von der verunglück-ten, im Wege vorauseilender politischer Korrektheit völlig verharmlosenden Namensgebung - denn ein "Zentrum" ist keine Gedenkstätte - käme, was seinen Standort betrifft, doch nur der Cecilienhof in Potsdam infrage, dem Ort dieses Menschheitsverbrechens. Aber dann müßte man eben sämtliche Beteiligten, die "Täter", beim Namen nennen und wenigstens moralische Anklage erheben - und das will man nicht. Das ist schon sehr seltsam in einem Land, das sich doch sonst unablässig an Täter und Opfer erinnern soll.

Wie eingangs gesagt: Wir Deutschen sind Weltmeister im Erinnern wie im Vergessen - Voraussetzung ist allerdings, daß sowohl das eine wie das andere stets nur einseitig zu Lasten unseres Landes geht. Eine Mäßigung, eine realitätsnahe Verbindung von beidem - eine "Kunst des Erinnerns" also - erscheint uns offenbar nicht möglich. Zurecht meinte einst George Bernard Shaw, daß die Deutschen die tragische Eigenschaft besäßen, eine gute Sache immer so weit zu treiben, daß eine schlechte daraus wird. Und schon Martin Luther wunderte sich darüber, daß wir Deutschen sinnbildlich beim Reiten entweder rechts oder links vom Pferd fielen, geradeaus aber könnten oder wollten wir unseren Weg nicht finden. Diese Neigung zu den Extremen hat leider sehr konkrete Auswirkungen bis in die Gegenwart. Hier gibt es unübersehbare Tendenzen der Selbstzerstörung, deren Ausmaße ebenfalls einmalig in der deutschen Geschichte sind und über die sich eine spätere Generation genauso verurteilend empören wird wie die "68er" und die heutige Generation über die Väter- und Großvätergeneration von 1933. In keinem Staat der Welt wäre - ohne den ständigen Hinweis auf 1933 - ein über Jahrzehnte anhaltender, insgesamt millionenfacher Asylmißbrauch und Asylbetrug möglich, auch keine millionenfache Massenzuwanderung bei Massenarbeitslosigkeit und Bankrott unserer Sozialsysteme. Auch würde nirgendwo eine so hohe Ausländerkriminalität derart servil hingenommen. Diese bewußt akzeptierte kriminelle Ausplünderung Deutschlands, die ebenso absichtliche Herbeiführung der Überfremdung unseres Landes, die extreme Beschädigung seiner sämtlichen Fundamente - der politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen -, all das ist nicht etwa eine Art Naturgesetz der Globalisierung, sondern die Strategie des "Nie wieder Deutschland!"

Da aufgrund von Feigheit und Opportunismus weder von der Politik noch von den Medien ein Gegensteuern zu erwarten ist - sie verschlimmern beide im Gegenteil weiter die Situation -, hätte diese systematische Zerstörung der Fundamente unseres Landes doch längst ein Fall für den Verfassungsschutz sein müssen. Aber auch hier ist leider das Gegenteil festzustellen: Verfolgt werden diejenigen, die noch die Zivilcourage besitzen, trotz aller Verdächtigungen und Diffamierungen die Wahrheit zu sagen und auf die Gefahren hinzuweisen. Da Propheten im eigenen Lande bekanntlich nichts gelten und der Verfassungsschutz aus ideologischen Gründen versagt, können unsere wenigen mutigen Warner und Mahner zumindest auf Unterstützung aus dem Ausland zählen. So hat der amerikanische Politikwissenschaftler (und Sohn österreichisch-jüdischer Emigranten) Paul Edward Gottfried diesem Thema ein ganzes Buch gewidmet. Es trägt den bezeichnenden Titel: "Multikulturalismus und die Politik der Schuld". Seine These: Der angestammten Mehrheitsbevölkerung werden Scham- und Schuldgefühle für tatsächliche oder vermeintliche historische Untaten solange indoktriniert, bis ihre Widerstände gegen die multikulturelle Überfremdung ihrer Heimat erstickt worden sind. Manche dieser Thesen hat im übrigen schon Heinz Nawratil in seinem Buch "Der Kult mit der Schuld" aufgegriffen. Hinsichtlich der demographischen Probleme Deutschlands verweist der israelische Historiker Martin van Creveld auf den folgenden, von Politik und Medien strikt tabuisierten Zusammenhang: "Ich vermute, daß der Vergangenheitsbewältigungskomplex mit ein Grund dafür ist, daß die Deutschen heute kaum noch Kinder bekommen ... De facto sind viele Deutsche bereits damit beschäftigt, ihre Identität loszuwerden ... Volk und Staat der Deutschen zu erhalten, dafür stehen, nüchtern betrachtet, die Chancen schlecht."

Und der französische Autor Yves-Marie Laulan, Mitarbeiter der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, warnt in seinem gerade erschienenen Buch: "Allemagne - Chronique d'un Mort annoncé" ( Deutschland - Chronik eines angekündigten Todes) vor einer "demographischen Implosion selbstmörderischer Art". Weil es an Kindern fehle, sei Deutschland "unausweichlich verdammt zu einer langsamen Agonie auf allen drei Ebenen: wirtschaftlich, politisch, kulturell". Er sieht in der demographischen Katastrophe Deutschlands eine "seelische Krankheit, die Krankheit zum Tode". Ursache dafür sei nicht zuletzt, daß der Zweite Weltkrieg eine Nation hinterlassen habe "bis zum äußersten traumatisiert, in vitalen Funktionen durch die Trümmer des Krieges schwer verletzt". Dieses Trauma werde durch die Dauerpräsentation der Vergangenheit, durch die ausschließliche Fixierung auf die NS-Zeit immer wieder aufs Neue aktiviert. Die Folge: "Niemand setzt Kinder in die Welt, wenn er nicht an die Zukunft der Nation und des Landes glaubt."

So weit also haben wir uns von uns selbst entfernt, ja von uns selbst entfremdet! Hier schließt sich nun fast der Kreis - und zwar verhängnisvoll - von der eingangs erwähnten These, daß das Geheimnis der Erlösung Erinnerung heiße, hin zum Fluch einer übermäßigen und - im Wortsinn - überwältigenden Erinnerung für Gegenwart und Zukunft. Niemand hat diese negativen Auswirkungen leidenschaftlicher und genauer kritisiert als Friedrich Nietzsche, und zwar in seinen "Unzeitgemäßen Betrachtungen. Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben": "Es gibt einen Grad von ... Wiederkäuen, von historischem Sinne, bei dem das Lebendige zu Schaden kommt und zuletzt zugrunde geht, sei es nun ein Mensch oder ein Volk oder eine Kultur." Und an anderer Stelle heißt es: "Der historische Sinn, wenn er ungebändigt waltet und alle seine Konsequenzen zieht, entwurzelt die Zukunft ... Die historische Gerechtigkeit, selbst wenn sie wirklich und in reiner Gesinnung geübt wird, ist deshalb eine schreckliche Tugend, weil sie immer das Lebendige untergräbt und zu Fall bringt: ihr Richten ist immer ein Vernichten."

Der Wiener Philosoph Rudolf Burger hat Nietzsches Gedanken, die ja Ende des 19. Jahrhunderts für die Deutschen keineswegs einen tragischen Hintergrund besaßen, sondern die ganz im Gegenteil während der Reichsgründungszeit selbstkritisch einem eher als zu positiv erlebten Historismus galten, für die völlig andere jüngste deutsche Zeitgeschichte fortgesetzt. In seinem Aufsatz: "Die Irrtümer der Gedenkpolitik. Ein Plädoyer für das Vergessen" (Europäische Rundschau, Frühjahr 2001) weist er nach, daß über viele Jahrhunderte in den nach beendeten Kriegen geschlossenen Friedensverträgen das wechselseitige Vergeben und Vergessen von Untaten ein wichtiger Bestandteil gewesen sei. Nur so könne man unbelastet den Frieden gestalten.

Wir Deutschen können allerdings kein Plädoyer für das Vergessen halten. Aber wir sollten mit Blick auf die kaum noch zu bewältigenden Gegenwarts- und Zukunftsprobleme den andauernden Blick in die Abgründe der Vergangenheit mäßigen. Thorsten Hinz warnt ebenfalls vor einem Übermaß von Selbstanklagen und ihren Folgen. Auschwitz und der Holocaust seien mittlerweile zu den dominanten Erinnerungsbildern deutscher Geschichte geworden und damit zu einem kollektiven Selbstbild: "Begleitet wird das von einer Sakralisierung, die keinen Widerspruch duldet ... dieser Prozeß ist für Deutschland hochproblematisch, denn das schlimmste Verbrechen, das von den Deutschen begangen wurde, in den Mittelpunkt des nationalen Selbstbildes zu stellen, bedeutet, den eigenen Unwert zur zentralen Kategorie der kollektiven Identität zu erheben. Wer das tut, signalisiert, daß er seine Existenz innerlich als beendet ansieht. Er wird zum Zombie."

Wir müssen endlich zu einem Erinnern und Gedenken finden, das keine neue "Klassengesellschaft" der Toten und Opfer kennt - dabei sollten Ursachen, Schuld und Täter benannt werden.

Und wir müssen schließlich einen Weg finden aus dem Dilemma des bisher ebenfalls tabuisierten und viele Menschen tief verletzenden Widerspruchs zwischen einerseits den öffentlichen volkspädagogischen Gedenkritualen hierzulande und andererseits den allzu oft abgewiesenen, verleugneten, ja diffamierten privaten Erinnerungen an das erlittene persönliche oder familiäre Leid. Ein solcher Weg bedürfte gar nicht einer "Kunst des Erinnerns", sondern nur des humanen Anstands. Michael Wolffsohn, Historiker an der Universität der Bundeswehr in München - der sich selber als einen deutsch-jüdischen Patrioten bezeichnet - hat in seiner Ansprache zum Volkstrauertag 1996 in der Frankfurter Paulskirche dazu Folgendes gesagt: Es sei moralisch nicht mehr hinnehmbar, daß "das millionenfache individuelle Leid von Deutschen, zum Beispiel Flucht, Vertreibung oder der Bombenhagel auf Zivilisten, tabuisiert, minimiert oder nicht ernst genommen wird ... Mit ‚Aufrechnung' oder gar Verharmlosung der vorangegangenen deutschen Verbrechen hat dies nichts zu tun, alles aber mit Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, Vollständigkeit, Seele und Mitgefühl."

Michael Wolffsohns Schlußfolgerung daraus könnte als eine vor allem für das immer noch schwierige deutsch-jüdische Verhältnis des Erinnerns sinnerfüllte und versöhnende Orientierung gelten - nämlich: "Wer nicht die Toten des eigenen Volkes betrauert, wird erst recht nicht die Toten anderer Völker betrauern. Wer hingegen eigenes Leid kennt und öffentlich benennt, der wird auch das Leid anderer eher nachfühlen können und wollen."

 In jeder Hinsicht ein Beleg für die deutsche Neigung zu Extremen: Das Mitte Mai eingeweihte Holocaustmahnmal in Berlins Mitte Foto: Stiftung


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