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11.06.05 / Im latenten Widerspruch / Heimatvertriebenenverbände zwischen Wunsch und Wirklichkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Juni 2005

Im latenten Widerspruch
Heimatvertriebenenverbände zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Mehrere Jahrzehnte wurden die Heimatvertriebenen von bestimmter Seite als "reaktionäre Entspannungsfeinde" mit einem "Geruch des Revisionismus" verunglimpft. Um so mehr muß man schon aus diesem Grund das jetzige Buch als eine vorurteilsfreie Untersuchung über deren Schicksal begrüßen, das zugleich aber auch als ein unentbehrlicher Beitrag zur Schließung dieser bisherigen Forschungslücke unserer jüngsten Zeitgeschichte zu werten ist!

Existierte bis 1948 ein alliiertes Koalitionsverbot für Vertriebene, so bildeten sich ihre eigentlichen Verbände relativ spät. Mitte 1963 zählten diese immerhin 2,3 Millionen Mitglieder (das waren 20 bis 25 Prozent aller Vertriebenen) und wiesen damals einen höheren Organisationsgrad auf als etwa die Gewerkschaften.

Die Heimatvertriebenen nahmen für sich in Anspruch, gesamtdeutsche Interessen zu vertreten, doch stand dieser einmal im Gegensatz zur selber praktizierten Zersplitterung, die lange einen schlagkräftigen Zentralverband verhinderte. Zudem dachten die Westdeutschen nicht wie andere Völker: Die Ostgebiete wurden zusehend zur Angelegenheit allein der Vertriebenen, den Verlust eines Teils von Deutschland empfanden keineswegs alle Deutsche als gleichen Verlust. Evangelische Kreise und viele Medien drängten bald auf Normalisierung mit Polen - um den Preis der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie. 1959 lehnte de Gaulle offen ihre Revision ab, gleiche Ansichten herrschten bei weiten Kreisen in den USA.

Gewiß wiesen die Heimattreffen stets übergroße Beteiligungen auf, doch waren sie nach Ansicht des Autors "keine gesamtdeutschen, sondern Insider-Veranstaltungen". Die SPD, so fährt er fort, benutzte gegenüber den Vertriebenen bei ihrem Doppelspiel gern schwammige, schönklingende Worte, um zugleich konkrete Aussagen zu vermeiden. Während der Ostpolitik Brandts verlor sie jegliches Interesse an ihnen. Auch der CDU wirft das Buch "gewisse Unaufrichtigkeiten" vor.

Es blieb stets ein "latenter Widerspruch" zwischen den hochgestellten heimatpolitischen Erwartungen der Vertriebenen und einmal der Notwendigkeit, sie in die westdeutsche Bevölkerung möglichst gut zu integrieren, sowie andererseits den tatsächlichen Möglichkeiten der deutschen Ostpolitik. So mußte, zumindest nach Meinung des Verfassers, die Politik der Vertriebenen-Verbände scheitern. "Darin liegt die tiefe Tragik ihrer Geschichte." Mag man auch zu einzelnen Punkten vielleicht unterschiedlicher Auffassung sein, es ist unbestritten ein sehr gutes Buch! F. W. Schlomann

Matthias Stickler: "Ostdeutsch heißt Gesamtdeutsch", Droste Verlag, Düsseldorf 2004, 511 Seiten, 39,50 Euro


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