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11.06.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Juni 2005

Subvention oder Leben! / Eine auffällige Neigung zu Krieg oder Bürgerkrieg ist die sicherste Eintrittskarte in die EU
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Man kommt überhaupt nicht mehr mit. Höchste Zeit, die hastige Parade der Gerüchte, Dementis und Richtigstellungen allein weiterziehen zu lassen, um sich Überblick zu verschaffen. Also: Wer jetzt eigentlich mit wem telefoniert hat und wann und warum oder warum nicht und worüber, das hat sich nach tagelangem Gewürge ja nun geklärt. Der Kanzler hat da ein bißchen geflunkert. Den angeblichen Anruf im Präsidialamt, mit dem Schröder den Staatschef über sein Neuwahlprojekt informiert haben will, hat es nie gegeben. War ja auch schlecht vorstellbar: Schließlich hätte Köhler den Kanzler gefragt, wie er die Sache denn deichseln wolle. Und das wußte Gerhard Schröder an jenem 22. Mai offenkundig selbst noch nicht.

Ob es nun Neuwahlen gibt oder nicht: Angesichts ihres möglichen Abgangs brennen die rot-grünen Akteure noch einmal ein Feuerwerk ihres ganzen Könnens ab, damit wir sie in farbenprächtiger Erinnerung behalten. Mit seiner Ankündigung, erst Anfang Juli Klarheit zu schaffen, hat der Kanzler den Gerüchteköchen alle Töpfe gefüllt, aus denen sie nun mit Wollust schöpfen. Wochen wie diese, wenn keiner mehr weiß, was Latrinenparole ist und was Wahrheit, sind die Sternstunden des bodenlosen Journalismus. Was jedoch Dienstag angeblich aus den obersten Rängen der SPD nach außen drang, wäre bis dahin nicht einmal dem albernsten Kabarettisten eingefallen - was auf den ersten Blick dafür sprach, daß was dran sein könnte. Es gibt gar keine Neuwahlen, hieß es da aus "gut informierter Quelle", sondern Schröder tritt zurück, setzt Müntefering auf seinen Stuhl und der soll dann sehen, wie er doch noch bis 2006 durchkommt.

Natürlich alles "erstunken und erlogen", wie der bereits in Richtung Abstellgleis umgeleitete Noch-SPD-Generalsekretär Benneter fauchte. Gleich war auch der Urheber dieser Gemeinheit ausgemacht: CSU-General Söder soll's gewesen sein, ließ ein regierungsnahes Medium durchtröpfeln. Der hat seine politische Karriere in der Jungen Union begonnen. Soll heißen: Gerüchte streuen hat er gelernt. Herrlich anzuschauen war jedenfalls, mit welcher Berserkerwut führende Sozialdemokraten losprügelten und sogar von "Brandstiftern" schnaubten. Die haben den mindestens vierjährigen Urlaub, den sie im Oktober antreten dürfen, bitter nötig, so runter sind die. Dabei stehen ihnen die Publikumsreaktionen auf das Kasperletheater, welches der Kanzler am 1. Juli im Reichstag abziehen will, noch bevor. Erst sprechen alle Bundesminister ihrem Regierungschef feierlich das Vertrauen aus, dann, in der entscheidenden Abstimmung, entziehen sie's ihm und anschließend geben sie es ihm wieder zurück. Alles porentief rein nach Grundgesetz, versichert das Kanzleramt. Kaum verwunderlich, daß Verfassungen zur Zeit nicht hoch im Kurs stehen.

Die andere, die europäische Verfassung nämlich, bekommt zufälligerweise am selben Tag, dem 1. Juli, einen neuen Treuhänder, dessen festes Ziel es ist, den Leichnam in Würde zu bestatten. Zur Jahresmitte geht die EU-Ratspräsidentschaft für sechs Monate an Großbritannien. Inselpremier Blair hat sein eigenes Referendum gerade abgeblasen und damit gezeigt, was er mit dem 448-Artikel-Monstrum vorhat. Offiziell bekräftigt der wendige Mann, der Ratifizierungsprozeß sei bloß "ausgesetzt" - ja, ausgesetzt in der Wüste verhungerter Bürokra-tenträume.

In London ist die Schadenfreude darüber kaum zu bändigen: Während sich die Führer Kontinentaleuropas wie unter Drogen gesetzt in den unerforschten Dschungel grenzenloser EU-Erweiterungen und Vertiefungen gestürzt hatten, blieben die Briten lieber in der Lichtung des Erreichten stehen und warteten aufmerksam ab, ob und wo die anderen wohl wieder herauskommen würden. Es entspricht guter britischer Überlieferung, erst einmal die anderen übers Minenfeld zu schicken, wie damals vor 105 Jahren in China, als es hieß: "The Germans to the Front." Daß es ausgerechnet die Franzosen waren, die den Eurokratenzug zur Verfassung in die Luft sprengten, zeugt von der gefürchteten Ironie der Geschichte. Die britische Ratspräsidentschaft wird jedenfalls alles tun, um das entstandene Chaos für ihre Zwecke zu nutzen.

Und die wären? Eine Londoner Zeitung hat die alte Fernsehserie "Yes, Minister" ausgegraben. Dort sei die britische Europapolitik auf den Punkt gebracht worden. Der eigentliche Star der Serie ist nicht der schusselige Minister, sondern sein zynisch-intelligenter Berater, "Sir Humphrey", der es ausspricht: "Seit mindestens 500 Jahren ist das Ziel englischer Außenpolitik ein gespaltenes Europa. Deshalb sind wir vor allem für zusätzliche Mitglieder, denn je mehr Mitglieder Europa hat, desto zerstrittener, nutzloser und machtloser wird das Ganze." Tony Blair ist ein entschiedener Verfechter der Türkei-Aufnahme.

Die "großartige Idee" (Schröder), Europa um einen Batzen Asien zu bereichern, hat durch die jüngste Entwicklung allerdings nicht gerade an Strahlkraft gewonnen. Über den Türkei-Beitritt wurde im EU-Parlament diese Woche sogar richtig kontrovers diskutiert. Das gibt's da so gut wie nie! Die Mehrheit will aber weiter am festgelegten Programm festhalten - eine erprobte Raumschiffcrew läßt von den Ereignissen am Boden eben nicht gleich vom Kurs abbringen, auch wenn er direkt in ein Schwarzes Loch führt. Im Hinblick auf die Balkanländer hat Daniel Cohn-Bendit gar gewarnt, dort könnte gleich wieder Krieg ausbrechen, wenn wir die nicht bald ordentlich in unsere Geldbeutel langen lassen. Das immerhin ist alte europäische Tradition: Schon im Mittelalter zahlten die Städte den Fremden Tribut, damit die das Morden und Brandschatzen lassen. Heute heißt das "Friedensdividende".

Hier allerdings hat die Sache einen Haken: Immer heißt es doch, daß gerade Deutschland seine Nachbarn über Jahrhunderte bedroht und überfallen habe (auch wenn die Geschichtsbücher überwiegend das Gegenteil zu berichten wissen). Wenn dem so ist, müßten wir es doch sein, denen man es hinten und vorne reinsteckt, damit wir keinen Krieg mehr anfangen! Vielleicht sollten wir ein bißchen bedrohlicher, balkanischer oder wenigstens polnischer ("Nizza oder Tod!") auftreten, damit der bisherige "Britenrabatt" künftig auf unserem Konto landet.

Hab's euch gleich gesagt: Wer viel fragt, kriegt viele Antworten!" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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