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25.06.05 / Menschenfresser / Düsterer Amerika-Afrika-Roman

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Juni 2005

Menschenfresser
Düsterer Amerika-Afrika-Roman

Richard Bausch, mit Preisen und Stipendien ausgezeichneter amerikanischer Autor, schrieb zwei Romane in einem dickleibigen Buch; einen, der im heutigen Amerika spielt, und einen historischen, der quer durch Afrika führt. Beide Romane sind ineinander verschachtelt. Der moderne Teil ist im Süden der USA angesiedelt. Gesellschaftliche Strukturen, wie sie hinlänglich aus zeitgenössischen Theaterstücken und Romanen bekannt sind, werden bloßgelegt. Sexquerelen, Impotenz, Homosexualität, desaströse Ehen, psychopathische Schübe der Protagonisten - nichts ist ausgelassen. "Die Hölle, die ist man selber" äußert die junge Lily Austin. Wie so viele ihrer Langzeit-Kommilitonen hat sie ihr Studium abgebrochen, heiratet viel zu schnell, bekommt ein Kind, das aber nicht von ihrem Mann ist, und beginnt ein Schauspiel zu schreiben mit dem Titel "Die Kannibalen". Als Vorlage dient ihr das Schicksal der Afrika-Reisenden und Erforscherin des schwarzen Kontinents Mary Kingsley, die sich 1895 zu dem Kannibalenstamm der Fang auf den Weg machte. Lily ist von dieser Frau fasziniert, sie spinnt sich in deren Leben ein, schreibt der Toten Briefe. Die reale Reiseroute der Engländerin Mary Kingsley bildet den historischen Teil des Buches: "Im Norden (Kongo) lag ein Waldgürtel, der von den Fang bewohnt war, einem Stamm, von dem es hieß, daß Menschenfleisch dort nicht nur zu besonderen Anlässen verzehrt wurde." Sieben Jahre lebte Mary Kingsley in Afrika und starb in Kapstadt. Ihre unstillbare Sehnsucht zu dem für sie dämonischen Land ließ sie nirgendwo anders mehr heimisch werden.

Der Kingsley-Teil im Buch von Richard Bausch ist der spannungsreichere. Das seelische Gezerre im Amerika-Teil ermüdet - ist durchaus als heutige "Menschenfresserei" deutbar. Esther Knorr-Anders

Richard Bausch: "Die Kannibalen", Luchterhand, München 2004, geb., 848 Seiten, 25 Euro


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