28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.07.05 / Unnötige offizielle Einmischung / Warum der Bundestag von der Türkei "Vergangenheitsbewältigung" fordert

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Juli 2005

Unnötige offizielle Einmischung
Warum der Bundestag von der Türkei "Vergangenheitsbewältigung" fordert
von Hans-Joachim von Leesen

Die Fraktionen des Deutschen Bundestages haben in einem gemeinsamen Antrag die Türkei zur "offenen Aufarbeitung" der Vertreibung und der Massenmorde an den Armeniern vor 90 Jahren im Osmanischen Reich aufgefordert. Sie kritisieren die heutige Türkei, daß sie die damaligen Massaker an den christlichen Armeniern weitgehend bestreitet, und verlangt, die heutigen Türken sollten sich mit den Armeniern "versöhnen", indem sie Schuldbekenntnisse ablegen und um Entschuldigung bitten, sicherlich auch, wie es die Deutschen getan haben und weiter tun, Wiedergutmachung zahlen.

Die Evangelische Kirche setzte in der Person ihres Ratsvorsitzenden, des früheren sozialdemokratischen Politikers Bischof Dr. Wolfgang Huber noch eins drauf. Er hat die Deutschen beschuldigt, sie seien in die damaligen Massenmorde "verstrickt" gewesen, weshalb er sich einmal wieder schämt und das armenische Volk "um Verzeihung" bittet.

Man fragt sich, was es die Deutschen angeht, ob die heutigen Türken sich schuldig bekennen wegen historischer Geschehnisse, die vor drei Generation passierten. Tatsächlich - und das Ostpreußenblatt ist bereits am 5. September 1998 auf die damaligen Ereignisse ausführlich eingegangen - wurden im damaligen Osmanischen Reich, von staatlichen Stellen organisiert, bereits vor dem Ersten Weltkrieg, dann eskalierend in dem Jahr 1915, die christlichen Armenier brutal verfolgt, mit Gewalt umgesiedelt, dabei nicht selten mit dem Ziel, die Vertriebenen umkommen zu lassen.

Türken und Armenier haben kaum Gemeinsamkeiten: Die Armenier sind ein indogermanisches Volk, das eine indogermanische Sprache spricht. Die Türken gehören zu den Turkvölkern. Die Kulturen sind nicht nur in ihren Sprachen und in den Schriften, sondern grundsätzlich unterschiedlich. Als Ende des 19. Jahrhunderts das große Osmanische Reich zu bröckeln begann, fürchtete die türkische Führungsschicht, die kulturell eigenständigen Armenier würden zum gänzlichen Zerfall ihres Reiches beitragen. Anlaß für die Eskalation der Verfolgung war die Tatsache, daß auf russischer Seite im Ersten Weltkrieg aus Rußland stammende Armenier kämpften. Um zu vermeiden, daß sich ihnen die auf türkischem Gebiet lebenden Armenier anschlossen, begann man die Massenvertreibung, ja den Versuch der Ausrottung der Armenier in der Türkei. Die Zahl der dabei Umgekommenen schätzt man auf 1,5 Millionen.

Was nun den Bundestag wie auch die Evangelische Kirche veranlaßt, sich in diese Angelegenheit einzumischen, beziehungsweise sogar die Deutschen zu Mitverantwortlichen am Massenmord zu erklären, ist die Tatsache, daß die Türkei mit dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Bulgarien im Ersten Weltkrieg verbündet war. Die Nachrichten über die Massenmorde drangen über die türkische Grenze hinaus. Die Diplomaten der deutschen Vertretung an der Hohen Pforte schickten entsetzt Berichte über die Greuel nach Berlin. Das Auswärtige Amt war ratlos und riet zu vorsichtigem Vorgehen gegenüber der türkischen Regierung, weil man sie verständlicherweise als Verbündete nicht verlieren wollte. Ermahnungen deutscherseits stießen bei den Verantwortlichen auf türkischer Seite auf taube Ohren. In seiner 1969 erschienenen Studie über Deutschland und das Osmanische Reich 1914 bis 1918 schreibt der US-amerikanische Historiker Trumpener: "Die Armenier zu schützen lag jenseits aller Möglichkeiten Deutschlands." Und an anderer Stelle: "Zweifellos hatte die deutsche Regierung weder die Türken zu der Verfolgung angestiftet, noch billigte sie die Verfolgung der Armenier."

Wenn nun der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche "mit Beschämung die Verstricktheit auch unseres Volkes in die Vorgänge" bekennt und dann nicht anders kann, als "das armenische Volk um Verzeihung zu bitten", kann man das nur als Entschuldigungssucht bezeichnen.

Wenn er dann noch seine Bußrituale in Allgemeinplätze kleidet wie "Ohne die Erinnerung holen uns solche Ereignisse ein und machen uns zu ihren Gefangenen", dann sei er gefragt, ob er Ähnliches den Vereinigten Staaten von Amerika vorwerfen will, weil ihre Regierung im Zweiten Weltkrieg gegenüber der ihr verbündeten Sowjetunion nicht eingeschritten ist, als sie sehr genau wußte, daß Stalin gefangengenommene polnische Offiziere zu Tausenden erschießen ließ. So lange die USA auf Stalin als ihre Hauptstütze im Kampf gegen Deutschland angewiesen waren, billigten sie durch Schweigen seine Massenverbrechen. Entschuldigt hat sich dafür das amerikanische Volk mit keiner Silbe und niemand hat es auch von ihm verlangt.

Und will der Bundestag nun dabei bleiben, Staaten und Völker, die sich in der Geschichte Massenverbrechen schuldig gemacht haben, zu ermahnen, Vertreibungen und Massenmord aufzuarbeiten? Dann aber doch bitte vorrangig gegenüber den Vertreiberstaaten Tschechien, Polen und Rußland, die sich durch die völkermordartige Massenaustreibung der Ostdeutschen eines unverjährbaren Verbrechens schuldig gemacht haben. Wo sind da die Gesten der Versöhnung, wo die Schuldbekenntnisse der Russen, Polen und Tschechen? Die Deutschen haben umgekehrt diese Übungen längst hinter sich.

Daß der Deutsche Bundestag glaubt, die Türken, von denen einige Millionen bei uns im Land leben, zur Vergangenheitsbewältigung nach deutschem Muster auffordern zu müssen, mag die Folge der deutschen Verinnerlichung der vermeintlichen Kollektivschuldthese sein, deren Rückseite "eine grandiose Moralposition" ist, wie der Psychoanalytiker Hubert Speidel schreibt, "deren Arroganz durch die demutsvolle Schauseite verborgen wird". Der deutsche moralische Masochismus wirkt sich nun an Stelle eines Nationalstolzes gegenüber anderen Staaten aus, die nach Meinung der Deutschen diese masochistische Moral ebenfalls übernehmen sollten.

Kein Zweifel: Am Anfang des 20. Jahrhunderts hat es in der Türkei Massenmorde an Armeniern gegeben. Wie die Türken damit umgehen, ist ihre Sache. Jede Einmischung von außen durch unbeteiligte Dritte ist unangebracht.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren