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02.07.05 / Ein Umweg führt auf den richtigen Weg oder Ein unerwarteter Ausflug ins Grüne

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Juli 2005

Ein Umweg führt auf den richtigen Weg oder Ein unerwarteter Ausflug ins Grüne
von Renate Dopatka

Wie hatten sie nur so schusselig sein können! In den falschen Bus zu steigen und erst nach ein paar Haltestellen zu merken, wohin die Fahrt da eigentlich ging ...!

Für rasches Umsteigen war es da schon zu spät gewesen: "Tut mit leid", hatte der Busfahrer bedauernd die Achseln gezuckt. "Bis zur Haltestelle ‚Stadtpark' müssen Sie jetzt schon ausharren. Da können Sie dann in den 183er umsteigen, der fährt in die gewünschte Richtung."

Ilse war ganz heiß bei diesen Worten geworden. Für sie ist der Tag im Eimer. Nicht genug, daß das Auto heute seinen Geist aufgab und sie mit dem Bus zum Einkaufen in die Stadt fahren mußten - nun vertrödeln sie auch noch kostbare Zeit, während daheim die Hausarbeit wartet.

"Die Lebensmittel werden ja schlecht, wenn wir hier stundenlang durch die Gegend gondeln", stößt sie erbittert hervor. Ihr Mann scheint die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. Seelenruhig sitzt er da, den vollen Einkaufsbeutel auf dem Schoß, den Blick höchst interessiert nach draußen gerichtet.

"Wieviel Grün unsere Stadt doch hat", wundert er sich jetzt. "Hier sieht's ja schon fast ländlich aus. Ich glaub', in diesem Viertel sind wir noch nie gewesen."

Ilse schaut widerwillig zum Fenster. Blühende Vorgärten und schattige Alleen ziehen an ihr vorüber. Es ist ein schöner Anblick, aber nicht mal der vermag ihre Stimmung aufzuhellen.

Ärger und Ungeduld zerren an ihrem Nervenkostüm, und daß ihr Mann diesen unfreiwilligen Ausflug auch noch zu genießen scheint, bringt sie noch mehr auf die Palme.

"Nächster Halt: Stadtpark!" tönt es in diesem Moment vom Ansageband. Erleichtert klettert Ilse aus dem Bus. Doch die nächste unliebsame Überraschung wartet schon auf sie. Ein Blick auf die Anzeigetafel verrät, daß der 183er gerade abgefahren ist und der nächste Bus erst in einer halben Stunde eintrifft.

"So was Dummes aber auch!" wettert Ilse los. "Können die ihre Fahrpläne denn nicht besser abstimmen?! 30 Minuten warten! Bei der Wärme kriegt die Wurst ja einen Stich!" Daß seine Frau sich so verzweifelt gebärdet, kann Walter zwar nicht ganz nachvollziehen - schließlich ist der Aufschnitt ja gut verpackt. "Setzen wir uns doch dort drüben in den Schatten", schlägt er behutsam vor. "Das bekommt der Wurst - und uns auch ..."

Gesagt - getan. Gleich am Parkeingang steht eine Bank, von der aus man bequem die Haltestelle im Blick hat. Helles Grün flimmert über ihren Köpfen, es duftet nach Blüten und warmer Erde, und von den Kirchtürmen der Stadt weht gedämpft Mittagsgeläut herüber.

Ist es die Stille, die das Gemüt friedlich stimmt und alle Sorgen in weite Ferne rückt? Jedenfalls spürt Ilse deutlich, wie Ärger und Anspannung allmählich von ihr weichen.

Selbst der Gedanke an den Aufschnitt hat seinen Schrecken verloren. Wie heißt es doch so schön: Flexibel muß man nur sein! Und so staunt Walter denn nicht schlecht, als seine Frau sich plötzlich den Einkaufsbeutel vornimmt und nach kurzem Wühlen das Paket mit der Wurst hervorholt.

"Was hast du denn jetzt vor?" erkundigt er sich irritiert. "Das wirst du gleich sehen", lächelte Ilse vergnügt, rollt eine Schreibe Wurst zusammen und steckt sie Walter in den Mund.

Bei der Ankunft des Busses ist auch der letzte Wurstzipfel vertilgt. "Bereust du's auch nicht, daß wir so mit unserem Abendessen umgesprungen sind?" schmunzelt Walter, während sie sich beide behaglich auf ihren Plätzen einrichten.

"Nicht die Bohne!" erwidert Ilse resolut. "Froh bin ich, daß es mir noch rechtzeitig eingefallen ist."

"Eingefallen - ja, was denn?"

"Daß zu einem richtigen ‚Ausflug' auch ein Picknick gehört ..."


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