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02.07.05 / Ende einer großen Liebe / Wie sich ein tiefes Gefühl verändern kann und was da

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Juli 2005

Ende einer großen Liebe
Wie sich ein tiefes Gefühl verändern kann und was davon bleibt

Der Roman "Der Vogel ist krank" beschreibt eine eigensinnige Dreiecksgeschichte. Der Ich-Erzähler Christian Beck erzählt die Geschichte, eine Geschichte, die so sehr von den üblichen Liebesromanen abweicht, weil sie nicht von dem Erwachen oder Aufkeimen, sondern von dem Ende einer Liebe berichtet und sich damit auseinandersetzt, warum und wie ein so tiefes Gefühl sich verändert und was danach bleibt.

Der einstige talentierte Schriftsteller Beck, der mit Vorliebe über die Abgründe der menschlichen Seele schrieb, gibt seinen Schaffensdrang auf, weil er, wie er meint, mit seinen destruktiven Geschichten seine Umwelt unglücklich macht, und widmet sich dem Übersetzen von Gebrauchs-anweisungen. Nun hat sein eintöniges Leben nur eines zum Ziel, nämlich seine Frau, die er liebevoll "Vogel" nennt, glücklich zu machen. Eigentlich ist sie nur noch seine Freundin, aber für ihn der wichtigste Mensch in seinem Leben, der einzige.

Gleich zu Beginn des Buches wird Beck mit der schrecklichen Wahrheit konfrontiert, daß seine Frau krank sei. Liebevoll kümmert er sich um sie, bis sein todkranker "Vogel", ihm ihren zukünftigen Ehemann vorstellt. Kurz drauf heiratet sie den jungen Algerier, den Beck abfällig nur den "Asylbewerber" nennt.

Die Geschichte wird noch kurioser, als der junge Mann in das gemeinsame Schlafzimmer einzieht und Beck mit einer ausklappbaren Couch im Wohnzimmer vorlieb nehmen muß. Trotzdem weicht er seiner Freundin nicht von der Stelle, wäscht sie, gibt ihr pünktlich ihre Medikamente und wie besessen preßt er für sie Erdbeersaft aus.

Immer wieder kehrt er mit seinen Gedanken nach Eilat zurück, dem Ort, wo es zu der Wende in ihrer Beziehung kam. In den Rückblenden versucht er eine Erklärung für das sonderbare Verhältnis zu finden, den Grund für die erloschene Leidenschaft und die Zuneigung, die in der Aufgabe seiner Würde endet.

Eine äußerst seltsame Geschichte, die vermutlich so schwierig zu lesen ist, weil sie einem eine kuriose Gefühlswelt eröffnet, Gedankengänge, die für die meisten wohl nicht nachvollziehbar sind. Aber vielleicht ist sie deswegen auch so interessant, weil sie dem Leser die Möglichkeit bietet, in eine unbekannte Welt einzutauchen. So schwer sie sich auch liest, so interessant ist die Erkenntnis am Ende. Man lernt, eine neue Facette der Liebe kennen, und erst zum Schluß begreift man sie. Ein psychologisch durchaus anspruchsvolles Werk und empfehlenswert. Allerdings nur für diejenigen, die sich gern auf unbekanntes Gefilde einlassen und keine Angst vor depressiven Passagen haben und die sich nicht an den aus dem Rahmen fallenden Beziehungen stoßen. Anna Gaul

Arnon Grünberg: "Der Vogel ist krank", Diogenes, Zürich 2005, geb., 500 Seiten, 22,90 Euro


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