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09.07.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Juli 2005

Unappetitlich / Wer konnte ahnen, wie gereizt Briten auf "britischen Humor" reagieren? Chirac hat es jetzt erfahren
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Immer auf die Finnen: Nachdem sich Italiens Premier Berlusconi bereits über die angeblich grausige Küche des Ostseevolkes hergemacht hatte, setzte Frankreichs Chirac nun etwas wirklich Ungeheuerliches obendrauf: Die finnische Küche sei nicht nur schlecht, sie sei sogar noch schlechter als die britische, witzelte der Franzose beim Treffen mit Schröder und Putin in Königsberg. Die finnische Gastronomie dürfte diese beiden Anschläge in dichter Folge kaum überstehen. Deutsche Touristen werden sich künftig Bundeswehr-Freßpakete ins Gepäck stopfen, um sich lieber mit Hartkeksen bewaffnet durchs Land der Seen zu schleppen, als sich der Gaumenhölle finnischer Gasthäuser auszusetzen - wenn denn stimmt, was die Welschen da behaupten.

Besonders beleidigend muß es auf die Finnen wirken, daß sie in Chi-racs Zote überdies nur Nebenschauplatz waren. Wirklich treffen wollte der Präsident eigentlich die Briten. Der (schottische) Nato-Generalsekretär Robertson habe ihn mal zu einem "wirklich unappetitlichen" Gericht aus seiner hügeligen Heimat eingeladen. "Daher rühren unsere Schwierigkeiten mit der Nato", kalauerte Jacques Chirac beim Dreiergipfel in Ostpreußen. Dann ließ er noch einen Seitenhieb auf den Rinderwahn folgen.

Wie haben die Angelsachsen reagiert? So wie eine gewisse Sorte Partygast; Wir kennen ihn alle, den Possenreißer, der mit großer Behaglichkeit Witze auf Kosten anderer macht, und zwar keine spaßigen, sondern solche unterhalb der Gürtellinie oder wo es sonst noch wehtut. Der dann aber sofort höchst übellaunig auffährt, sobald er mal selber in die Schußlinie gerät. Von wegen: Wer austeilt, kann auch einstecken. Die Erfahrung lehrt allzu oft das Gegenteil. Die Briten sind Meister der kleinen und weniger kleinen Gemeinheiten, wenn es um Franzosen oder Deutsche geht. Beschweren sich die Getroffenen, ernten sie aus London den betont jovialen Hinweis, daß das eben der britische Humor sei.

Chiracs Kaffeeklatsch-Plauderei war in diesem Sinne überaus "britisch". Es ist daher außerordentlich unterhaltsam zu beobachten, wie britischen Medien angesichts der Sticheleien alle Züge entgleisen. Das Massenblatt Sun, das sich in der Vergangenheit gerade im Hinblick auf Deutschland stets besonders "humorvoll" exponiert hat, kreischt vor Wut: Chirac habe sich "zum Knallkopf gemacht", der sich einen bösen Schnitzer erlaubt habe. Dann zerrt die Boulevard-Zeitung eine ganze Riege britischer Köche heran, die beteuern, daß sich die "English cuisine" (ja, man benutzt ausgerechnet das französische Wort für Küche) während der vergangenen Jahrzehnte in "Lichtgeschwindigkeit" wegentwickelt habe von dem kulinarischen Müllhaufen, in dem sie noch in den 50er und 60er Jahren steckte. England verfüge jetzt über soundsoviele Spitzenrestaurants und auch Frankreich möge bitte endlich zur Kenntnis nehmen, daß sich Britanniens berüchtigte Eßkultur entscheidend gebessert habe.

Dieser letztere, ziemlich weinerliche Teil der Sun-Replik erinnert an die verheulten Appelle deutscher Botschafter in London, die jedesmal nach der neuesten britischen "Humor"-Attacke gegen Deutschland die Inselmedien anflehen: Die Deutschen seien doch gar nicht (mehr) so schlimm und die Engländer möchten doch honorieren, wie wir uns in Lichtgeschwindigkeit zum liebsten aller Nachbarn gemausert hätten. Die Angesprochenen beantworten jenes immergleiche Lamento in ebenso unveränderter Weise: Sie legen beim nächsten Mal noch einen Zahn zu.

Die andere große britische Radauzeitung Mirror weiß aus eigener Praxis um diesen Mechanismus und beschränkt sich daher ganz auf die persönliche Beschimpfung: Chirac sei korrupt und gebe viel zu viel Geld für's Essen aus. Er betrüge seine Frau Bernadette (Mirror: "Sein Spitzname bei weiblichen Angestellten während seiner Zeit als Pariser Bürgermeister war: ,Drei Minuten, duschen eingeschlossen'."), Ex-Premier Margret Thatcher habe er eine "alte Schachtel" genannt, politisch selbst aber nichts erreicht und überhaupt sei Chirac der "unpopulärste Präsident Frankreichs" seit Menschengedenken.

Soweit die beiden Blätter mit den großen Buchstaben. Die Times zitiert Briten-Premier Tony Blair höchstpersönlich mit der Aufforderung, man solle in Europa doch "keine Beleidigungen austauschen". Der hat seinen Humor also ebenfalls solange auf Urlaub geschickt, wie Britannien die Zielscheibe ist. Nun muß er sich wohl auch ein wenig zurückhalten, schließlich hat er Großes vor. In Europa will er den Einfluß macht- und geldgieriger Regierungen und Bürokraten eindämmen, für Afrika will er erstaunlicherweise genau das Gegenteil - wie das zusammenpaßt, erklärt er uns hoffentlich noch. Fest steht: Die von Blair, Schröder, den anderen "Großen" und natürlich den zahllosen "Hilfsorganisationen" angestrebte Erhöhung der Entwick-lungshilfe wird wieder weitgehend den regierenden Raffkes des schwarzen Kontinents zu Gute kommen und kaum den darbenden Völkern. Unter Afrikas Wirtschaftsexperten bricht regelrecht Panik aus wegen der angedrohten Großzügigkeit. Sie wissen, daß die zusätzliche Hilfe ihre Völker nur noch tiefer zugrunderichten wird. Was soll's: Vielleicht haben wir die afrikanischen Landwirte mit kostenlosen Lebensmittellieferungen vom heimischen Markt gefegt, Afrikas Schneider und Weber per Altkleiderschwemme ins Elend gespült und im nie endenden Geldregen die skrupellosesten Abzockerregimes herangezüchtet, die die Welt kennt. Unsere Politiker haben das alles immerhin in der besten Absicht getan, die ihr Berufsstand hegt: um sich eine gute Presse zu verschaffen. Und deshalb muß es auch immer so weitergehen.

Kontinuität ist ja überhaupt das Wichtigste, wo bleibt denn sonst die "Berechenbarkeit der Politik", auf die wir Bürger soviel Wert legen? Daher wurde auch die Neuwahl-Sache in der gleichen Weise durchgezogen, die uns seit langem vertraut ist. Ob, wann und wie es überhaupt zu Neuwahlen kommt, wissen derzeit weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb. Beide Lager aber teilen uns mit, daß sie keinerlei "Plan B" in der Tasche haben für den Fall, daß Köhler sich weigert, über's Stöckchen zu springen. So kennen wir es aus bald siebenjähriger Praxis: Die Regierung beginnt ein waghalsiges Manöver mit völlig ungewissem Ausgang - und wenn es dann schiefgeht, sind die Akteure ganz überrascht und hilflos und haben keine Ahnung, was nun geschehen soll.

 

"Also müßte ich Schröder wählen, wenn ich ihm nicht vertraue?" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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