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16.07.05 / Brutstätten des Terrors / Al Kaida hat mehr Niederlassungen als so manches globalisierte Firmenimperium

© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. Juli 2005

Brutstätten des Terrors
Al Kaida hat mehr Niederlassungen als so manches globalisierte Firmenimperium

Das ist unsere Welt. Zwei Minuten nachdem die Nachricht von der Bombenexplosion in einem Londoner Bus und in einem U-Bahn-Tunnel über die Ticker gelaufen war, folgte eine zweite: "gold jumps after london underground incidents". Die Börse hatte sofort reagiert, der Goldpreis stieg. Der deutsche Aktienindex Dax dagegen fiel steil ab, brach ein, noch bevor wirklich klar war, ob es sich um Terrorakte handelte und wie groß das Ausmaß der Opferzahlen war. Aber schon am Nachmittag lief das Geschäft wieder normal. Man könnte darüber den Kopf schütteln, aber das war die richtige Reaktion. Es war auch richtig, den Gipfel in Gleneagles fortzusetzen und nicht nur noch über Terror zu reden. Denn wenn der Terror dazu führt, daß der Alltag und das normale Leben nachhaltig gestört werden, dann hat er gewonnen. Dann ist es nicht mehr weit bis zu der Haltung, alles zu akzeptieren, nur damit Ruhe herrscht. Ein Freund mailte dem Autor auf die Frage nach dem Wohlergehen zurück: Everything is fine, I took the bike - alles in Ordnung, ich war mit dem Fahrrad unterwegs. Das mag etwas unterkühlt daherkommen. Aber die Botschaft ist klar: Wir geben nicht auf, die Show des Alltags geht weiter.

Bei den Briten mischen sich freilich noch andere Elemente in die gefaßte Haltung: Das britische Understatement, das jahrelange Üben mit dem Ernstfall, die hohe Wahrscheinlichkeit eines Terrorangriffs wegen der Beteiligung am Irakkrieg und der militärischen Präsenz in Afghanistan. Schon lange hat man mit dem Ernstfall des Terrors gerechnet, ein Notfallplan lag in der Schublade und wurde konsequent umgesetzt. Man kann sich nur wünschen, daß es in Deutschland ebenso laufen würde. Auch hier oder in Paris ist ein Terrorangriff vom Stil London oder Madrid nur eine Frage der Zeit. Die Sicherheitsbehörden wissen es. Etwa 300 militante Islamisten werden in Deutschland beschattet, andere arbeiten unbemerkt, das Potential wird auf mehrere tausend geschätzt. Im Vergleich zu Frankreich oder Großbritannien, wo das Potential gewaltbereiter Islamisten in die Zehntausende geht, steht Deutschland noch einigermaßen gut da. Aber was heißt das? Es genügen ein Dutzend für Anschläge wie jetzt in London. "Der Krieg in unseren Städten - wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern" - So heißt ein Buch, das die Situation aufschlußreich beschreibt. Natürlich muß die Politik auch abwiegeln und beruhigen, gerade die ängstlichen Deutschen vertragen in Sachen Terrorismus nicht allzu viele Wahrheiten. Aber die Politiker könnten durchaus die globale Gefahr skizzieren, damit auch die friedfertigen Deutschen ihre Idealbilder von den muslimischen Mitbürgern korrigieren. Es gibt sie, die Terroristen in Deutschland.

Und nicht nur da. Das Netzwerk Al Kaida funktioniert wie eine weltweit tätige Holding, niemand weiß genau, was die einzelnen Untergruppierungen planen. Möglicherweise war selbst Osama bin Laden davon überrascht, daß seine Anhänger jetzt in London zugeschlagen haben. Zwischen 25.000 und 30.000 fanatisch ergebene Islamisten wurden in den Jahren der Taliban-Diktatur in den Lagern der Al Kaida am Hindukusch auf ihren finalen Auftritt im Terrorkrieg vorbereitet. Tausende von ihnen warten rund um den Globus verteilt auf ihre Stunde, aber der Einsatzbefehl kommt von lokalen Führern. Die Einzelunternehmen haben nur das Wissen von der Holding. In Istanbul schlugen Türken zu, in Riad waren es Saudis, in Casablanca Marrokaner, in Indonesien waren es auch Einheimische und in London könnten es vielleicht pakistanische Briten gewesen sein.

Diese Franchise-Unternehmen des Terrors haben freilich eine gemeinsame Grundlage: Die Selbstmordattentäter sind Todgeweihte Allahs. Es ist die geistige Grundlage, die die Basis des internationalen Terrors ausmacht. Natürlich kann man diese Islamisten nicht mit dem Islam gleichsetzen. Es mag politisch unkorrekt sein, darauf hinzuweisen, aber der selbstmörderische Fanatismus ist einer der wesentlichen Unterschiede zu den anderen großen Religionen. Dem Islam fehlt eben noch die Aufklärung mit dem Primat der Menschenrechte (auch für Frauen und Kinder) und des Rechts überhaupt, von Einzelfällen und regionalen Nuancen einmal abgesehen. Er kennt von Haus aus weder die politische Freiheit des demokratischen Staates noch die Freiheit der Religionswahl. In manchen Ländern sind Ansätze für Reformen zu sehen, und auch dagegen richten sich die radikalen Islamisten.

Man wird nicht umhin kommen, auch in Deutschland diese geistigen Hintergründe zu diskutieren. Es wäre fatal, wenn man in Alt-68er-Manier und in einer Gutmenschen-Attitüde solche Diskussionen als fremdenfeindlich abqualifizierte. Sie sind notwendig. Genauso notwendig freilich sind auch Maßnahmen, damit es nicht zu sogenannten Kolateralschäden kommt. Wenn schon in London Boulevardblätter mit Beschimpfungen gegen Muslime aufwarten oder wie in Madrid arabisch aussehende Menschen seit dem 11. März 2004 mißtrauisch beäugt werden, dann besteht die Gefahr, daß dieses Mißtrauen von radikalen Gruppen politisch instrumentalisiert wird. Dennoch muß man diese Diskussion führen, schon um Parallelgesellschaften mit ihren rechtsfreien Räumen aufzubrechen, um in diesem Land Menschenrechte auch für Frauen und Kinder einzufordern und zu verhindern, daß noch weitere junge Menschen zu Terroristen werden. Das ist eine Pflicht. Sie gehört zu unserem Selbstverständnis. Es geht nicht darum, unschuldige Muslime oder naive Multikultianhänger in Politik und Gesellschaft anzuklagen, sondern zu begreifen, was die Holding des islamischen Terrors wirklich anstrebt: die Weltherrschaft. Und zwar mit aller Gewalt. F. Salzmacher

Gift in die Köpfe der Kleinen: Für eine Reportage an den Grenzen Afghanistans stieß ein Filmteam des WDR auf eine Koranschule, in dem sich der Lehrer offen als Talibankämpfer bekannte. Foto: Phoenix / WDR / pa

Bilder der Verzweifelung: Während in der vergangenen Woche Bilder der Bombenattentate auf London auf allen Fernsehkanälen zu sehen waren, interessiert sich kaum noch jemand für das Leiden der Menschen im Irak. Meldungen über Selbstmordattentate in der Region mit häufig mindestens so vielen Toten wie in der britischen Hauptstadt werden allenfalls noch unter ferner liefen zur Kenntnis genommen (siehe Seite 2 und 8). Foto: Reuters / Corbis


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