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16.07.05 / Mit Leib und Seele / Siegfried Matthus zwischen Kammeroper Schloß Rheinsberg und Dresden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. Juli 2005

Mit Leib und Seele
Siegfried Matthus zwischen Kammeroper Schloß Rheinsberg und Dresden

Als den wohl wichtigsten Auftrag in seinem Leben nannte Siegfried Matthus, das Tedeum zur Weihe der wieder aufgebauten Dresdner Frauenkirche schreiben zu dürfen. Neben den klassischen Lobpreisungen in lateinischer Sprache werden bei der Aufführung im November auch andere Texte zu hören sein. Matthus hat Zeitdokumente und neue Verse integriert, wobei ihm nicht zuletzt das "War Requiem" von Benjamin

Britten als Vorbild diente. "Der Wiederaufbau wird in lockerer und heiterer Art in Form von Kinderreimen gestaltet", verriet Matthus in einem Interview mit der Berliner Morgenpost. Dort verriet der meistgespielte zeitgenösische Komponist Deutschlands auch, daß er weder in seiner Berliner Wohnung noch in seiner Komponierwerkstatt am Stolzenhagener See ein Instrument habe. "Ich denke mir meine Musik allein im Kopf aus und schreibe dann die Noten nur noch auf."

In diesen Tagen und Wochen aber wird der Ostpreuße aus Mallenuppen, Kreis Darkehmen (Angerapp), mit Leib und Seele in "seinem" Rheinsberg verweilen. Dort findet nämlich zum 15. Mal die Kammeroper Schloß Rheinsberg, das internationale Festival zur Förderung junger Sänger statt, dessen "Vater" und künstlerischer Leiter Matthus ist. Neben Aufführungen im Schloßtheater sind auch viele Veranstaltungen im Freien geplant, genauer gesagt in dem romantisch gelegenen Heckentheater. An diesem Sonnabend wird besonders gezittert, ob Petrus mitspielt, will man doch Abendlieder a capella von Booten auf dem Grienericksee singen.

Zwei große Operninszenierungen stehen neben Arien- und Liederabenden weiter auf dem Programm. "Der geduldige Sokrates", eine Oper von Georg Philipp Telemann um den griechischen Philosophen und die Frauen, hat am 22. Juli im Schloßtheater Premiere. Unter der Leitung von Wolfgang Katschner spielt das Preußische Kammerorchester. In der Inszenierung von Eike Gramss werden zauberhafte Duette, manchmal auch Terzette, falls Sokrates zu Wort kommt, zu hören sein - "es ist, als ob die Musik selbst schwatzt und lacht und seufzt".

Hänsel und Gretel, das Geschwisterpaar aus dem Grimmschen Märchen, das sonst nur zur Weihnachtszeit auf deutschen Bühnen auftaucht, hat es nun im Sommer ins Rheinsberger Heckentheater verschlagen. Premiere der Oper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck ist am 5. August. In der Komposition von Humperdinck, dessen Schwester Adelheid Wette übrigens zu dem Märchen der Brüder Grimm das Libretto schrieb, klingen so bekannte Volkslieder wie "Suse, liebe Suse, was raschelt im Stroh" oder "Brüderlein, komm tanz mit mir" auf. Auch entwickelte Humperdinck für diese Oper, die ursprünglich nur für häusliche Aufführungen gedacht war, eine volksliedhafte Melodik. - Auch hier ist neben dem Einsatz der Sängerinnen und Sänger der gute Wille von Petrus gefragt. Siegfried Matthus aber ist zuversichtlich. Und falls es nicht klappen sollte: "Im Hafendorf Rheinsberg gibt eine eine große Ausweichhalle mit sehr guter Akkustik und so vielen Plätzen wie im Heckentheater. Auch bei Regen fällt also keine Aufführung ins Wasser."

Mit der Kammeroper Schloß Rheinsberg will Matthus aber nicht nur junge Sängerinnen und Sänger fördern, auch Nachwuchs-Tonsetzer sollen eine Chance bekommen. Sechs Opernszenen junger Komponisten der II. Rheinsberger Opernwerkstatt werden am 12. August unter den Titel "Träum' mich wach" uraufgeführt. Matthus' Ziel: "Ich will die drei Berliner Opern für ein gemeinsames Opernstudio in Rheinsberg gewinnen, in dem sie ihren Nachwuchs fördern und Studioproduktionen erarbeiten." Wichtig sei es für die jungen Menschen, das Handwerk von der Pike auf zu lernen. Und Matthus weiß, wovon er spricht, hat er doch beim großen Walter Felsenstein in die Lehre gehen dürfen. Mit Kurt Masur, Götz Friedrich, Harry Kupfer und Joachim Herz diskutierte er über Opern und rang um

die Erkenntnis, eine Oper wirkungsvoll auf die Bühne zu bringen. "Felsensteins Botschaft war nicht anders als die von Bert Brecht: Es muß für das Publikum sein", so Matthus. "Was ich in Rheinsberg mache und noch machen möchte, das habe ich als junger Mann erleben dürfen. Das will ich jetzt weitergeben. Das ist meine Motivation. Die jungen Leute akzeptieren das auch. Wir wollen sie nicht stilistisch beeinflussen. Sie können Rock, Pop oder Klassik auf die Bühne bringen, aber dafür müssen sie eine handwerkliche Grundlage haben. Und da wollen meine Mitstreiter und ich beraten und helfen." SiS


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