© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. Juli 2005

Im Dialog
Immer wieder neue Begegnung mit Lovis Corinth

Die Kunsthalle Wilhelmshaven zeigt derzeit eine Ausstellung mit dem Titel "Rainer Fetting - Lovis Corinth. Wilde Malerei über die Zeit" (bis 11. September). Präsentiert werden Werke Fettings, der 1949 in der Jadestadt geboren und international als "Neuer Wilder" bekannt wurde, vor dem Hintergrund der Tradition. In Interviews hat Fetting immer wieder auf seine Verbindungen zu Lovis Corinth hingewiesen. Und so kam es mehr als gelegen, daß die Kunsthalle Wilhelmshaven seit 1914 im Besitz eines Werks Corinths ist: "Der blinde Prophet". Es entstand 1904 im Atelier in der Berliner Klopstockstraße und trägt die Bezeichnung "in tormentis pixit" (in Schmerzen gemalt), Schmerzen, die durch eine Verletzung herrührten. Vielleicht ist dem Künstler deshalb der leidende Gesichtsausdruck des alten Mannes so sehr gut gelungen. - Werke des Meisters aus dem ostpreußischen Tapiau werden in Wilhelmshaven Arbeiten von Rainer Fetting gegenübergestellt, um so in einen Dialog über die Jahrzehnte zu treten.

Noch sind die Selbstbildnisse Corinths, die zur Jahreswende in der Hamburger Kunsthalle zu sehen waren, gut in Erinnerung. Wer diese dennoch auffrischen will, der kann dies mit einem Buch aus dem Verlag Hatje Cantz: Ich, Lovis Corinth. Die Selbstbildnisse (160 Seiten, 128 Abb., davon 65 farbig, geb., 34 Euro). Rund 30 der ursprünglich 42 meist zu seinem Geburtstag am 21. Juli gemalten Selbstporträts sind in diesem mit fachkundigen Beiträgen ausgestatteten Buch zu finden. Wie in kaum einem anderen Werk ist hier die Entwicklung einer Künstlerpersönlichkeit zu beobachten, der Weg vom selbstbewußten jungen Mann zum alten und kranken, nach innen blickenden Individuum. man