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23.07.05 / Krieg der Diplomaten - UN-Reform vor dem Aus? / Änderung des Sicherheitsrates droht im Sumpf nationaler Interessen zu ersticken

ï Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Juli 2005

Krieg der Diplomaten - UN-Reform vor dem Aus?
Änderung des Sicherheitsrates droht im Sumpf nationaler Interessen zu ersticken

Unsere Differenzen sind viel kleiner als das, was sich ähnelt." Vielleicht ist es nur ein Übersetzungsfehler, vielleicht hat Brasiliens Außenminister Celso Amorim es aber auch genauso kompliziert verworren empfunden, als er nach einem erneuten Verhandlungsmarathon von Journalisten zu seiner Meinung über den Fortschritt bei den Gesprächen über die verschiedenen UN-Reformvorschläge mit den Vertretern der in sich selbst gespaltenen Afrikanischen Union gefragt wurde. Seinem Amtskollegen, dem deutschen Außenminister Joschka Fischer, erging es ähnlich. "Ich würde nicht sagen, daß wir mehr erreicht haben, als erwartet, aber auch nicht weniger", antwortete dieser ausweichend. "Es war die Arbeitssitzung, die wir wollten, und ich denke, das ist schon ein großer Schritt nach vorne."

Die anwesenden Journalisten fackelten nicht lange und deuteten die Aussagen der beiden Politiker wie folgt: Die UN-Reform der G4-Staaten steht vor dem Aus!

Dabei fing doch alles so gut an. Bis vor wenigen Monaten lief für die G-4-Staaten alles zum besten. Nachdem Kofi Annan verkündet hatte, daß er eine Reform des UN-Sicherheitsrats anstrebe, hofften die vier Länder Deutschland, Brasilien, Japan und Indien, endlich einen festen Sitz im Gremium zu erhalten. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer und auch der Bundeskanzler selbst warben auf mehreren langen und kürzeren Reisen quer über den ganzen Globus um Unterstützung für das Ansinnen der G-4-Staaten.

Lange Zeit ließ man die G-4-Staaten auch gewähren. Jene fünf Staaten - USA, Rußland, China, Großbritannien und Frankreich -, die seit Gründung der Vereinten Nationen vor 60 Jahren sowieso einen festen Sitz mit Vetorecht haben, hielten sich lange bedeckt. Zwar wurde offenbar, daß die USA nicht so begeistert sind, daß die Deutschen, die ihnen schon auf ihrem zeitlich begrenzten Sicherheitsratssitz während des Irakkrieges widersprochen hatten, nun sogar dauerhaft etwas zu sagen haben könnten, doch die Aussage des US-amerikanischen Präsidenten bei Schröders letzter USA-Reise vor drei Wochen, er habe "nichts gegen irgendein Land", stimmte den Deutschen zuversichtlich. Gleichzeitig hatten die USA jedoch schon zahlreiche Gegenentwürfe eingebracht, bei denen die Deutschen immer außen vor blieben, erstaunlicherweise die Japaner aber mit einem festen Sitz bedacht wurden. Diese wiederum werden von China nicht in die Gruppe der Auserwählten eingelassen. Die Volksrepublik ist sich mit seinem größten Konkurrenten im asiatischen Raum und ehemaligen Kriegsgegner massiv uneins. Und auch die Russen sehen nicht ein, warum sie ihre Macht teilen sollten. Zudem machen Länder wie Pakistan und Deutschlands EU-Partner Italien Stimmung gegen die G-4, da sie sich bei den Reformplänen übergangen fühlen.

Doch die größten Probleme machen den G-4 derzeit die Länder der Afrikanischen Union. Anstatt sich mit den im G-4-Vorschlag vorgesehen zwei festen Sitze für Afrika und dem damit erstmals vorhandenen Einfluß zu begnügen, fordern sie eine stärkere Gewichtung ihres Kontinents in der Uno. Während die G-4 eine Erweiterung des UN-Sicherheitsrates um zehn auf 25 Sitze anstrebt - darunter wären sechs zusätzliche ständige Sitze, von denen eben zwei an afrikanische Länder gehen sollen -, fordert die Afrikanische Union eine Erweiterung des Sicherheitsrates auf 26 Länder. Sie strebt ebenfalls an, sechs neue ständige Mitglieder - zwei davon afrikanische Länder - zu bestellen, will zudem aber für Afrika einen weiteren nicht ständigen Sitz. Vor allem fordern sie aber ein Vetorecht für die neuen Ratsmitglieder. Das ist jedoch im Vorschlag der G-4 für eine Übergangszeit von 15 Jahren nicht vorgesehen und gilt in den Augen vieler auch nicht als besonders erstrebenswert, da dadurch alle festen Ratsmitglieder die Macht haben, sich über die Wünsche der Mehrheit hinwegzusetzen. Welche Folgen das haben könnte, machen aktuell die Vetoandrohungen der USA und China - selbst gegen eine Zweidrittel-mehrheit - zu einer ihnen nicht genehmen UN-Reform deutlich.

"Die zentrale Aufgabe der Vereinten Nationen ist die Verbreitung von Frieden und Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechten überall auf der Welt", heißt es in den Statuten der Vereinten Nationen, doch der Kampf, der sich um die Reform des Sicherheitsrates und den damit verbundenen zukünftigen Einfluß vor den Augen aller abspielt, ist im Grunde ziemlich beschämend. Keiner gönnt dem anderen mehr als nötig. Wobei hier anzumerken ist, daß die G-4-Staaten sich bei der Durchsetzung ihrer Interessen am diplomatischsten verhalten haben. Ihr Reformvorschlag ist ein Kompromiß, mit dem alle Beteiligten am ehesten Leben könnten - die alten Sicherheitsratsmitglieder, da die neuen vorerst auf das Vetorecht verzichten, und die anderen UN-Mitglieder, weil erstmals jede Region vertreten ist.

Daß Deutschland als zweitgrößter Truppensteller und drittgrößter Beitragszahler der Uno auf einen festen Sitz besteht, ist nur gerecht. Gleiches gilt für Japan. 60 Jahre nach Kriegsende haben gerade diese beiden sehr engagierten Länder ein Recht auf Mitsprache - und eine Streichung ihrer Länder aus der UN-Feindstaatenklausel, doch das steht auf einem anderen Blatt. R. Bellano


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