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23.07.05 / Schriften voller Geist und Feuer / Zum 400. Geburtstag des Dichters Simon Dach

ï Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Juli 2005

Schriften voller Geist und Feuer
Zum 400. Geburtstag des Dichters Simon Dach
von Silke Osman

Heino, der Sänger mit der unverkennbar sonoren Stimme, forderte erst kürzlich in einem Interview, die deutsche Jugend müsse wieder mehr an Volkslieder herangeführt werden. "Zumindest ,Am Brunnen vor dem Tore' oder ,Ännchen von Tharau' müßten die jungen Leute singen können." "Ännchen von Tharau", dieses unvergleichlich schöne Liebeslied, das die Jahrhunderte überdauert hat. Ob sein Schöpfer Simon Dach, als er das Lied für die Pfarrerstochter Anna Neander schrieb, sich einen solchen Erfolg je erträumt hat? Hamann, Herder und selbst Gottsched schätzten ihn. So lobte der "Literaturpapst" aus Juditten: "An Opitzen, Flemmingen und Dachen entschuldige ich viele Fehler wider die Reinigkeit, die ich einem heutigen Stümper hoch anrechne. Das macht, ihre Schriften sind so voller Geist und Feuer, als die heutigen voller Schnee und Wasser." Der Komponist Otto Nicolai schrieb 1847 einen Aufsatz über das wohl bekannteste Lied des Dichters aus Memel, "Ännchen von Tharau". Richard Strauss vertonte unter anderem das "Lied der Freundschaft", und Oskar Gottlieb Blarr, um auch einen zeitgenössischen Komponisten zu nennen, schrieb 1982 eine Serenade für Klarinette und Streichquartett mit dem Titel "Die Kürbishütte".

Auch in der Bildenden Kunst sind Zeugnisse zu entdecken, die vom Ruhm des Dichters aus Memel, Simon Dach, künden: Rudolf Siemering schuf ein Relief mit dem Porträt des Dichters für die Königsberger Universität; Ludwig Dettmann hielt den Besuch Martin Opitz' bei dem Königsberger Dichterkreis, dem auch Dach angehörte, in Öl fest; Franz Andreas Threyne schuf ein Relief des Dichters mit seiner Familie, das an der Stelle seines einstigen Wohnhauses in Königsberg zu sehen war. In Memel stand bis zur Vertreibung der Deutschen ein Brunnen mit dem Standbild des Ännchen von Tharau; den Sockel zierte eine Porträtplakette des Dichters. Privaten Initiativen ist es zu verdanken, daß dieser Brunnen im November 1989 wieder errichtet werden konnte.

Auch Dichter des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich mit dem Phänomen Simon Dach. Arno Holz, der Rastenburger, schrieb an seinen Verleger Reinhard Piper: "Dann mache ich Reißner nach Weihnachten folgenden Vorschlag: zum 300jährigen Simon-Dach-Geburtstag, der auf den 29. Juli 1905 fällt, zum nächsten Weihnachten ... eine populäre Simon Dachausgabe zu veranstalten, die ich ihm zusammenstelle und mit einem betreffenden ,Fürvermerk' versehen würde ... Mir selber würde ein solches Dachbuch Freude machen, schon als ,Landsmann' von ihm ... Simon Dach war wirklich einer und verdiente eine solche Propaganda reichlich!" Johannes Bobrowski, der Dichter aus Tilsit, der in Königsberg die selbe Schule besuchte, an der Dach einstmals lehrte, hat in seinem Werk immer wieder an den Memeler erinnert. Oskar Loerke, der Westpreuße, huldigte in zwei Gedichten dem Meister, und Agnes Miegel zog mit ihrer 1921 geschriebenen Erzählung "Nachtspaziergang", eine Episode aus dem Leben von Dach und seinen Gefährten Heinrich Albert und Robert Rober-thin schildernd, die Leser in ihren Bann.

Wer war dieser Mann, dessen 400. Geburtstages wir dieser Tage gedenken und dessen Name stets mit einem der bezauberndsten Liebeslieder verbunden wird, das je ein deutscher Dichter geschrieben hat?

Das Licht der Welt erblickte Simon Dach als Sohn eines Gerichtsdolmetschers für die litauische, polnische und kurische Sprache am 29. Juli 1605 in Memel (sein Urgroßvater mütterlicherseits war Bürgermeister der Stadt gewesen). Er besuchte zunächst die Schule in seiner Vaterstadt, dann ab 1619 die Domschule in Königsberg. Aus Angst vor der Pest zog es ihn 1620 nach Wittenberg, später nach Magdeburg. Über Lüneburg und Hamburg sowie per Schiff über die Ostsee gelangte er schließlich wieder nach Ostpreußen, das er nun nicht mehr verlassen sollte.

1626 wird Dach an der Albertina immatrikuliert und nimmt zunächst ein Theologiestudium auf. Alte Sprachen, rhetorische und poetische Studien interessieren den jungen Mann, der sich schon als Kind mit dem Dichten versuchte, jedoch weitaus mehr. Seine frühesten erhaltenen Verse in deutscher und lateinischer Sprache stammen aus dem Jahr 1630. 1633 erhält Dach eine Anstellung als vierter Lehrer an der Kathedralschule; drei Jahre später wird er dort Konrektor. Der Schuldienst jedoch nimmt den kränklichen Mann mit: "So hat der Schulen Staub mir meiner Jugend Blüte nicht wenig auffgezehrt", dichtet er. Es mag somit als glück-hafte Fügung gelten, daß ihm 1639 eine Professur an der Albertina angeboten wird - obwohl er noch keinen akademischen Grad besitzt. Dies wird nachgeholt und Dach im April 1640 zum Magister promoviert.

Nahezu zwei Jahrzehnte unterrichtete Simon Dach an der Königsberger Universität als Professor für Poesie. Fünfmal war er Dekan, 1656 wurde er sogar zum Rektor ernannt. Als Poesieprofessor oblag es ihm, zu großen Festen Gedichte zu verfassen. So zählte zu den besonderen Glanzpunkten ein von Freund Albert komponiertes Festspiel zum 100jährigen Bestehen der Universität.

Gemeinsam mit Heinrich Albert, Robert Roberthin und anderen gehörte Simon Dach dem Königsberger Dichterkreis an, dessen Mitglieder sich in Alberts Garten am Pregel trafen. Dort stand auch die "Kürbislaube", die Albert zu seiner Kantate "Musicalische Kürbs-Hütte" inspirierte und die zum Symbol des Dichterkreises wurde.

Simon Dach, der mit Regina Pohl verheiratet war, wurde Vater von fünf Söhnen (zwei starben früh) und zwei Töchtern. Er führte ein bescheidenes Leben und versuchte, seinen Unterhalt durch Gelegenheitsgedichte, die damals sehr beliebt waren und die uns Heutigen ein lebendiges Bild dieser Zeit zeichnen, zu verbessern. Etwa 1.250 Gedichte sind heute noch bekannt - Hochzeits- und Begräbnislieder, Gedichte auf verschiedene Jahreszeiten, Tänze und Gratulationen, Episteln sowie eine Unzahl lateinischer Gedichte, die etwa ein Fünftel des Gesamtwerkes umfassen. Auch schuf Dach zwei dramatische Arbeiten - "Cleomedes" und "Sorbuisa". Walther Ziesemer, Germanist an der Königsberger Albertina und "Vater des Preußischen Wörterbuchs", ist es zu verdanken, daß wir heute noch soviel über Simon Dach und sein Werk wissen. Von 1936 bis 1938 hat er die deutschen Gedichte des Memelers in vier Bänden herausgegeben und sie so vor der Vernichtung im Krieg bewahrt.

Einen "unermüdlichen Kleinmeister", nannte Alfred Kelletat einmal den Dichter Simon Dach, der am 15. April 1659 in Königsberg starb, "ehrlich die Gelegenheit nutzend und sagend, mit gelehrtem Bildungsgut zierlich befrachtet und geschmückt", während Helmut Motekat hervorhob, daß aus "seinen Gelegenheitsgedichten lyrische Kunstwerke wurden". "In ihrer lyrischen Form sind Simon Dachs Gedichte bestimmt von seiner durch und durch musikalischen Wesensart ..."

Vielleicht aber sprechen die Gedichte des Mannes aus Memel, ganz abseits jeglicher literaturhistorischer Deutung, auch den heutigen Leser einfach nur deshalb noch an, weil sie aus einem inneren Erlebnis heraus gewachsen sind, das man, der barocken Sprache zum Trotz, nachempfinden kann. Vielleicht auch wird derjenige, der sich wieder einmal mit diesen Versen befaßt, in den Ausruf Simon Dachs einstimmen, der dichtete: "... Und jedermann gesteh, daß in dem kalten Preußen, mehr geistig Singen sei, denn sonst überall."


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