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30.07.05 / Kein "Traum

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. Juli 2005

Kein "Traum von Weiß"
Ausstellung zeigt Trends und Zwänge in der Brautmode

Es gibt wohl kaum ein weibliches Wesen, das beim Anblick eines aus der Kirche kommenden Brautpaares nicht den Hals reckt und neugierig vor allem auf das Kleid der frisch Vermählten blickt. Ist es bauschig, mit Spitze, mit Reifrock, mit Puffärmeln, lang oder kurz, hochgeschlossen oder tief dekolletiert? In fast allen Fällen ist es jedoch weiß, champagner- oder elfenbeinfarben. Ist dies nicht der Fall, folgt Verwunderung und häufig auch Mißfallen, denn Bräute haben nach traditioneller Auffassung hell zu tragen.

Daß dies jedoch keineswegs immer der Fall war, zeigt die "Braut Moden Schau - 1755 bis 2005" im Hamburger Jenisch-Haus. Mit dem 1831 bis 1834 nach Entwürfen von Franz Gustav Forsmann und Karl Friedrich Schinkel im klassizistischen Stil errichteten ehemaligen Landsitz des Hamburger Senators Martin Johann Jenisch haben die Macher der Ausstellung ein sehr schönes Ambiente für ihre Sonderausstellung gewählt. Gleich zu Beginn wird der Besucher jedoch nicht mit historischen Exponaten konfrontiert, sondern mit Haute Couture aus Paris. Von den zehn Modehäusern, die heute noch die Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris entstandene Haute Couture anbieten, haben Dior und Chanel sogar drei Brautkleider aus ihrer jüngsten Kollektion zur Verfügung gestellt, die jedoch aufgrund ihres eigenwilligen Stils nicht jeden für sich einnehmen dürften. Auch die diesem jungen Jahrhundert entstammenden Modelle von Vivienne Westwood, Swarovski, Hobeika, Unrath & Strano sind keineswegs klassisch.

Doch was ist eigentlich klassisch? Die Farbe Weiß als Brautfarbe ist es auf jeden Fall nicht. Dies machen unter anderem ein mit roten Blumen bedrucktes, pastellfarbenes Seidenkleid aus dem Jahre 1761 und ein dreiteiliges bräunliches Rokokokleid aus dem Jahre 1775 anschaulich. Im 18. Jahrhundert war es nämlich noch nicht üblich, daß eine Braut ein speziell für die Hochzeit angefertigtes Kleid trug. Allenfalls bei Hofe und im Adel wurden weiße, silberne oder golden durchwirkte Kleider zur Eheschließung getragen.

Erst mit der Französischen Revolution konnten Bürgerinnen ihren Kleidungsstil überhaupt frei bestimmen. Die griechische Antike als Sinnbild für Freiheit und Demokratie inspirierte hier zu leichten, fließenden und auch durchsichtigen Kleidern. Die weiße Farbe wurde als Symbol für Reinheit immer öfter als Brautfarbe gewählt. Allerdings nicht Reinweiß, da geeignete Bleichtechniken noch nicht entwickelt waren. In unteren Schichten wurde aus finanziellen Gründen sogar noch bis ins 20. Jahrhundert hinein farbig oder in Schwarz an den Traualtar getreten, da man diese Kleider später noch weiterverwenden konnte. Auf dem Lande gab es manchmal auch eine spezielle Tracht.

Im 20. Jahrhundert war das Brautkleid zahlreichen Moden und Notwendigkeiten unterworfen. Die Hamburger Ausstellung zeigt hier unter anderem schlichte Eleganz aus den 20er Jahren oder ein äußerst bescheidenes, selbstgeschneidertes Nachkriegsmodel von 1948. Zahlreiche Mode- und Hochzeitsfotografien sowie gezeigte Filmszenen geben zudem einen weiteren Eindruck vom extremen Wandel der Brautmode im letzten Jahrhundert.

So manche "Sie" dürfte von der informativen Ausstellung aber eher enttäuscht sein, da sich ihr "Traum von Weiß" - zumindest dieses Mal - nicht erfüllt hat. Rebecca Bellano

Jenisch-Haus, Baron-Voght-Straße 50, 22609 Hamburg, Telefon (0 40) 82 87 90, Di.-So. 11 bis 18 Uhr

Im Wandel der Zeit: Ob Farbe, Schnitt oder Symbolik - wie sehr sich die Brautmode in den vergangenen drei Jahrhunderten verändert hat, zeigt eine Ausstellung im Hamburger Jenisch-Haus. Während die Farbe Weiß im 19. und 20. Jahrhundert ein Zeichen für Jungfräulichkeit war, können heute auch geschiedene Frauen mit Kindern in Weiß heiraten. Foto: Bellano


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