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06.08.05 / Polnischer Beißreflex / Angela Merkel will "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin - Polen reagieren voller Abwehr

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. August 2005

Polnischer Beißreflex
Angela Merkel will "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin - Polen reagieren voller Abwehr

Das von den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) am 11. Juli vorgestellte Regierungsprogramm der Unionsparteien hat in Polen heftige Reaktionen ausgelöst.

CDU und CSU haben sich eindeutig hinter die deutschen Heimatvertriebenen, die eine "wichtige Brückenfunktion" zu den östlichen Nachbarvölkern wahrnähmen, gestellt. Über diese allgemeine Aussage hinaus hat sich die Union nun auch regierungsprogrammatisch festgelegt. Das von BdV-Präsidentin Erika Steinbach und dem Sozialdemokraten Prof. Peter Glotz repräsentierte Projekt "Zentrum gegen Vertreibungen" soll kommen. Und - auch das ist ein wichtiges Zeichen - es soll am Standort Berlin entstehen.

Nach Ansicht hoher Funktionsträger des BdV steht heute schon fest, daß das "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin errichtet wird. Das hat die Kanzlerkandidatin jetzt noch einmal ausdrücklich bestätigt, da die Schlußphase der Errichtung des "Europäischen Netzwerkes Erinnerung und Solidarität" nach polnischem Recht und mit Sitz in Warschau eingeläutet wurde.

Die eindeutige Positionierung der Unionsparteien hat in Polen erneut zu heftigen Reaktionen geführt. Der PiS-Sejmabgeordnete Marian Pilka erklärte, das "Zentrum gegen Vertreibungen" werde "die Situation zwischen beiden Ländern eher belasten als verbessern". Die junge Generation könnte in absehbarer Zeit den Eindruck gewinnen, "daß im Krieg den Deutschen Leid angetan wurde", so Pilka. Er habe den persönlichen Eindruck, die CDU werde "immer nationalistischer". Die rechtskonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit) hat im kommenden September gute Aussicht auf einen Wahlsieg und den damit verbundenen Regierungsauftrag.

Doch auch die Sozialdemokraten kritisieren das Regierungsprogramm der Union. Grzegorz Napieralski, SLD-Generalsekretär, zeigt sich besorgt. Das "Zentrum gegen Vertreibungen" passe nicht in die Regierungsaufgabe des Aufbaus von Vertrauen und Freundschaft gegen-über Polen. Auch die beiden aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten Wlozimierz Cimoszewicz (Demokratische Linke) und der Nationalist Lech Kaczynski kritisierten das Regierungsprogramm mit ähnlich deutlichen Worten.

Sachlich zeigte sich hingegen Anna Wolff-Poweska vom Posener West-Institut. "Mich wundert nicht, daß die CDU ein solches Zentrum fordert." Sie habe dies auch in der Vergangenheit schon immer getan, so Wolff-Poweska.

Neben diesen Reflexen aus Angst vor Geschichtsrevisionismus keimen aber auch vorsichtige, selbstkritische Stimmen in Polen auf. Einen bemerkenswerten Ansatz zu einer solchen polnischen Selbstreflexion hat Adam Chmielewski in der Juniausgabe der polnischen Monatszeitschrift ODRA gezeigt. "Obwohl Deutschland durch seine Buße gegenüber Polen den ehemaligen Opfern seinen Respekt erwiesen hat, werden viele Polen immer glauben, daß dies nicht genug ist und auch nie genug sein wird", so Chmielewski. "Als ob sie glaubten, daß jeder Deutsche von Natur aus ein Menschenschinder ist." Chmielewski stellt dabei fest, daß selbst die gutwilligsten Deutschen die Geduld gegenüber solchen polnischen Reflexen verlören. "Mit ihrem politischen Handeln verkünden die Polen eine Katastrophe. Denn mit unserem moralischen Würgegriff speziell gegen die Deutschen schnüren wir uns selbst die Luft ab." Polen dränge Deutschland zurück an Frankreichs Seite und rufe damit das gefürchtete "Kerneuropa" hervor.

Chmielewski, der an der Universität Breslau Philosophie lehrt, lehnte jedoch historische Konzessionen und ein "Gedenken an die Vertriebenen, wie es Erika Steinbach im Sinn hat", entschieden ab. Es gebe keinen Grund in geschichtlichen Fragen nachzugeben.

Politische Reaktionen in Polen, das ist inzwischen auch in Berlin bekannt, fallen oftmals heftig aus. Sich erklärende Warschauer Politiker werden gerade zu schwierigen Fragestellungen von Urängsten geleitet. Die polnischen Teilungen - es ist geradezu surrealistisch, eine solche Gefahr in heutiger Zeit anzunehmen - sind ebenso im Hinterkopf wie die Angst vor den Wechselwählern. Anders als etwa in Deutschland ist allerdings fast jeder Pole ein Wechselwähler. Da außerdem die allermeisten Polen nicht nur Katholiken, sondern auch Patrioten sind, stellen politische Äußerungen gegen tief ins polnische Herz eingemeißelte Dogmen für den Urheber eine gewisse Gefahr dar.

Davor ist auch der polnische Publizist und Philosophieprofessor Adam Chmielewski nicht gefeit. Wer den Mangel an Selbstkritik der eingeschworenen polnischen Nation anklagt, der darf offensichtlich nicht auch noch die Ausschließlichkeit der polnischen Unschuld in Zweifel ziehen.

Chmielewski hat nicht nur eine Chance verpaßt, er hat seine These konterkariert.

Das energische Beharren auf das polnische Geschichtsbild verträgt sich nun einmal nicht mit der Kritik an Kritikern, die sich auf eben dasselbe Geschichtsbild berufen.

Polen hat noch einen weiten Weg vor sich - aber immerhin die selbstkritischen Stimmen und das Spektrum der Stimmungen nehmen zu. Bernhard Knapstein

 Deutschenhetze: Aufgrund ihres Engagements für das "Zentrum gegen Vertreibungen" ist die BdV-Präsidentin die in Polen unbeliebteste Deutsche. Foto: polen-news24


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