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06.08.05 / Räuber und ...

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. August 2005

Räuber und ...
von Willi Wegner

Frau Schaak saß in der Küche und stellte den Speiseplan für die kommenden Tage zusammen. Ihr fiel ein, daß sie Eier bestellen mußte. Nachdem sie und ihr Mann sich entschlossen hatten, ihren Hof in einen bäuerlichen Pensionsbetrieb umzugestalten, hatten sie auch die Geflügelhaltung eingestellt. Sie hatte den Mann überhaupt nicht hereinkommen hören. Wie aus dem Boden gewachsen stand er plötzlich vor ihr, beide Arme auf den Küchentisch gestützt, und grinste sie an. "Wir haben nichts mehr frei", sagte Frau Schaak. "Wir sind ausgebucht bis Ende Oktober."

"Ich brauche kein Zimmer", sagte der Mann, "sondern eine Handvoll Bargeld. Und zwar jetzt gleich!"

"Ach - so ist das!" Frau Schaak begann zu begreifen. "Und warum wenden Sie sich da an mich, wenn Sie Geld brauchen?"- "Weil Sie hier die Bäuerin sind. Die Pensionsmutter." - "Die finanziellen Dinge erledigt mein Mann", sagte Frau Schaak. "Und der ist nicht da."

"Ich weiß. Er ist mit Ihren Gästen unterwegs. Sie besichtigen die Burg-ruine. Anschließend wollen sie zum Fischweiher. Die Trude, Ihre Magd, ist mit den Kindern der Feriengäste im Nachbardorf. In der Reithalle. Sie sehen, mir können Sie nichts vormachen." Der Mann zog einen Stuhl heran und setzte sich. "Außerdem bin ich bewaffnet", sagte er.

"Unser Geld", sagte die Bäuerin, "befindet sich auf der Bank."- "Aber nicht alles!" korrigierte sie der Mann. "Heute früh sind nämlich neue Urlauber angekommen. Die haben bestimmt schon was angezahlt - und das müssen Sie ja noch hier haben."

"Sie irren sich!" sagte die Frau. "Wer sind Sie überhaupt?"- "Das tut nichts zur Sache. Vielleicht komme ich gerade aus dem Knast." Er nahm eine Pistole aus der Tasche und legte sie vor sich auf den Tisch. "Ich kann Ihnen wirklich kein Geld geben", wiederholte Frau Schaak. "Wir haben nichts da, es ist alles auf der Bank."

"Was war das eben?" horchte der Mann plötzlich auf. "War da nicht irgendein Geräusch?" - "Es ist niemand weiter im Haus", versicherte Frau Schaak. "Natürlich nicht!" sagte der Eindringling. "Schließlich beobachte ich Ihren Hof ja schon seit gestern. Wenn außer Ihnen noch jemand hier wäre, dann wüßte ich's! Dann wäre ich auch gar nicht hereingekommen." Er kratzte sich am Kinn und meinte: "Viel brauche ich ja nicht, nur was fürs erste. Haben Sie nichts auf der Seite liegen? Schmugelder, von denen Ihr Alter keine Ahnung hat? Meine Großmutter, sie hatte auch einen Hof, die machte immer Schmu mit dem Eiergeld, das behielt sie einfach für sich."

"Wir haben keine Hühner mehr", sagte Frau Schaak. "Ein Bauernhof und keine Hühner?!" lachte der Mann. Er nahm die Pistole und stand auf. "Also gut, Bäuerin!" sagte er. "Dann sehe ich mich mal selber um ... Halt, Sie bleiben dort sitzen!"

Er begann mit der Durchsuchung der Küche und kehrte das Unterste zuoberst. Er fand aber nichts, was ihn interessiert hätte, vor allem kein Geld. Plötzlich sah er die beiden Beamten. Sie standen mit gezogenen Dienstwaffen im Rahmen der Küchentür, und der überraschte Einbrecher ließ sich widerstandslos festnehmen. Später mußte Bernie, einer der jüngsten Feriengäste auf dem Bauernhof, immer wieder seine Geschichte zum besten geben ...

Am Morgen hatte er mit einigen anderen Kindern in der Scheune gespielt und sich während des Herumtollens den Fuß verknackst. Darauf wurde er von seinen Eltern ins Bett gesteckt. Aber nach einiger Zeit packte ihn die Langeweile. Auf der Suche nach Peter, dem Hofkater, schlich er humpelnd im Haus herum und hörte schließlich durch die Küchentür den Fremden mit der Bäuerin reden. Als er begriff, um was es ging, fiel ihm das Telefon im Frühstücksraum ein. Und dann wählte er die Notrufnummer ... "Hängt ja 'n Zettel am Apparat", erzählte Bernie, "wo die Nummer draufsteht. Ging ganz leicht."

Auch der Einbrecher erfuhr, wem er seine Verhaftung zu verdanken hatte. "Soso", sagte er. "Soso ..." Und er erinnerte sich wieder an seine Kindheit auf dem Bauernhof der Großeltern. "In der Scheune haben sie gespielt, diese Gören!" - "So ist es!" erwiderte einer der Beamten, "Eines der ältesten Spiele der Welt. Räuber und Gendarm!"


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