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06.08.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. August 2005

Bionade im Topf / Wo lassen die Grünen bloß ihre Kampagne entwerfen? Und was hat die Union vor?
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Haben Sie schon mal "Bionade" getrunken? Klingt scheußlich nach frischgepreßtem Kompostsirup, klar. Wenn Sie aber tapfer sind und trotzdem mal nippen möchten, dann gucken Sie unbedingt an der "Wählbar" vorbei. Die ist das spektakuläre Herzstück des grünen Wahlkampfs, ein grüner Container samt integrierter Theke mit "Bionade"-Ausschank mitten in Berlin.

Die "Wählbar" soll ein Treffpunkt sein für Jung und Alt, wo man "bei coolen Drinks heiß diskutieren kann" (Eigenwerbung). Der Name ist ein Wortspiel, das man vor rund 25 Jahren noch in gewisser Hinsicht witzig fand. Damals machten tatsächlich Kneipen auf mit Namen wie "Sonder-Bar" oder so. Über diesen Umstand sollte die Parteiführung nach der Wahl mal mit ihren Anwälten reden. Offensichtlich haben sich die Grünen da eine hochbetagte Idee vom Dachspeicher ihrer Werbeagentur als was Neues andrehen lassen. Von ganz hinten im Regal ist demgemäß auch das Zubehör der "Wählbar": Topfpflanzen auf Kunstrasen. Als sie wirklich noch jung waren, Anfang der 80er, hätten die Grünen die armen Pflanzen in einer monatelang vorbereiteten "spontanen Aktion" aus ihrer keramischen Gefangenschaft befreit und im Tiergarten verbuddelt. In den 90ern hätten sie zumindest noch gegen den "Elektrosmog" gewettert, wenn bei großer Trockenheit der Kunstrasen mit Reinhard Bütikofers Polyesterkrawatte kleine Fünkchen tauscht. Heute stehen sie da belämmert rum und hoffen nur noch, daß keiner bemerkt, wie sie ihren Becher "Bionade" heimlich im Blumentopf entsorgen.

Die Grünen scheinen zu ahnen, wie grauenhaft spießig sie geworden sind. Auf der verzweifelten Suche nach Frische und Jugendlichkeit sind sie indes ausgerechnet dort gelandet, wo sich nach gängigem Emanzenklischee alle ergrauenden Männer von der heimischen Topfpflanzenhölle erholen: Im Puff. Ja, ungelogen! Von der "Wählbar" aus werden allerhand Ausflüge angeboten, darunter einer ins Bordell, geleitet von der Grünen-Politikerin Sibyll Klotz (nicht das Bordell, nur die Tour natürlich).

Was soll man sagen? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Hoffnung auf schlechtes Wetter in diesem Fall, bei Regen bleibt die "Wählbar" nämlich zu. Mit hochgeklappten Läden sieht der Kasten dann aus wie eines jener deutschlandweit bekannten Straßenmöbel unter der Aufschrift "Nur für Grünglas". Wer's denn braucht, findet schließlich auch ohne Frau Klotz ins Freudenhaus.

Man möchte nur noch abhauen, so trostlos ist das alles. Wie üblich flüchten die meisten Deutschen in den Süden - um in diesem Jahr feststellen zu müssen, daß da auch nichts mehr so ist, wie es war und am besten für immer geblieben wäre: Die Italiener haben sich mal wieder pünktlich zur deutschen Ferienzeit eine Reihe von Schikanen einfallen lassen. Am Strand ist alles mögliche verboten: Ballspielen, Biertrinken, übermäßiges Entblößen und sogar lautes Schmatzen. Nichtmal schmatzen dürfen wir noch. Das Rassistische daran ist, daß sich nach aller Erfahrung allein die Deutschen an solche Regeln halten werden, während die Einheimischen einen Dreck darauf geben. So gilt die rigide Strandordnung de facto nur für uns. So machen das die Italiener immer, auch in der Politik: Kaum hatte uns Roms UN-Botschafter vorgeworfen, die Afrikaner zu erpressen, um sie in der Vollversammlung auf unsere Seite zu ziehen, da kam der Verdacht raus, daß Berlusconi den Albanern freundlich mitgeteilt habe: Entweder ihr stimmt gegen die Deutschen oder ihr könnt die über 200 Millionen Euro italienische Entwicklungshilfe in den Schornstein schreiben. Diese Neapolitaner sind uns einfach über, wenn es um die elastische Auslegung selbstaufgestellter Regeln geht.

Aber wir lernen das noch, keine Bange. Ab dieser Woche müssen wir das sogar. In soundsovielen deutschsprachigen Ländern und Bundesländern gilt ja ab sofort die neue Rechtschreibung, doch jeder weiß: Die berüchtigten Kommissionen sind längst dabei, die "Reform der Reform" auszutüfteln. Zusammen- und Getrenntschreibung beispielsweise sollen noch einmal "geprüft" werden. Einige Länder sind daher ausgestiegen und wollen erst einmal warten, bis das letzte Ei gelegt ist. Uns bleibt nur, die Sache "italienisch" zu nehmen und mit dem Chaos zu leben. Auf eine neue allgemeinverbindliche Schreibung werden wir wohl warten, bis wir darüber weggestorben sind wie der arme König Fahd von Saudi-Arabien. Um den trauert diese Woche die ganze Welt, ein großer Verlust, alle haben ihn gut gekannt und schätzen die Seinen sehr. Wir selbst kennen die Saudis als treibende Kraft in unseren Motoren, die Luxusgüterhersteller kennen sie von ihren üppigen Bestellisten und die Terroristen von ihren Kontoauszügen.

Nur der deutsche Kanzler hat keine Zeit zum Trauern. Er kämpft wie ein Tiger und zeigt, was er noch alles kann. Sein Fintenreichtum erquickt uns stets aufs Neue. Das Manöver mit dem Fernsehduell war einfach Klasse. Tagelang konnte Schröder seinen Gegner umherscheuchen mit dem simplen Sätzchen "zwei statt eins". Als die Union andererseits geheimnisvoll tuschelte, sie wolle ihre Wahlkampfstrategie nicht gleich bekanntmachen, sondern mit einem großen Knall an die Öffentlichkeit bringen, war keiner Bevölkerungsgruppe so mulmig wie den Stammwählern von CDU und CSU selbst: Au Backe, was das wohl wieder gibt!

Und die anderen Wahlkämpfer? Schröders kleinem Koalitionspartner hatten wir ja eben schon beim Verdorren an der "Wählbar" zugesehen. Den Liberalen geht es ebenfalls immer schlechter: Denen dämmert zunehmend, daß sie mit dem falschen Kandidaten an den Startblock gegangen sind - und daß sie den jetzt aber nicht mehr auswechseln können.

So richtig prächtig fühlt sich allein noch die PDS. Die Kommunisten können den Erfolg ihres neuen Markennamens kaum fassen. Und daß sich die kleinen Grotewohls von der WASG jetzt auch noch reihenweise in den Wahllisten unterbuttern lassen, davon mochten die nüchternen Genossen vor kurzem wohl nicht mal träumen. Alles geht wie am Schnürchen. Die Leute kaufen den Gysis sogar den Tinnef ab, daß deren Regierungspolitik in Mecklen-burg-Vorpommern und dem Land Berlin nicht das Geringste mit dem zu tun habe, was sie im Bund alles Schönes machen würden. Mit dem Talent in der Tasche könnte der Gysi sogar Hausschwamm an zahlende Kunden verhökern. Ob er gar selber hinter der Agentur steckt, die den Grünen hartes Geld für die verschimmelte Idee mit der "Wählbar" abgeschwatzt hat? Das Zeug zu solch Bubenstück hätte er gewiß.

Teil weises in kraft träten der teil, weise räphormyrten Rächt Schraibung Zeichnung: Götz Wiedenroth


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