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13.08.05 / Wo Hollywood lernte / Filmmuseum Potsdam zeigt "Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. August 2005

Wo Hollywood lernte
Filmmuseum Potsdam zeigt "Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt"

In dem Jahr, da man des 200. Geburtstages von Hans Christian Andersen gedenkt, sind auch seine Märchen wieder mehr in aller Munde, oder besser aller Ohren. Nicht, daß man sie zuvor nicht hat hören wollen, nun aber beschäftigen sich nicht allein Verlage mit diesem Thema, auch Ausstellungen aller Art gibt es derzeit, in deren Mittelpunkt Märchen stehen. So im Filmmuseum Potsdam, wo das "Märchenland Babels-

berg" noch bis zum 17. April 2006 Junge und Alte zu einem Besuch einlädt (täglich von 10 bis 18 Uhr). Die Ausstellung ist vornehmlich für Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren entwickelt, dennoch kommen sogar die Großen auf ihre Kosten, werden sie doch auf diese Weise nicht zuletzt auch an ihre eigene Kindheit erinnert.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen sieben beliebte Märchenfilme aus den Studios der DEFA: "Die Geschichte vom kleinen Muck" (1953), "Das singende, klingende Bäumchen" (1957), "Das Feuerzeug" (1959), "Schneewittchen" (1961), "Rotkäppchen" (1962), "König Drosselbart" (1965) und "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" (1974). Diese Filme gelten noch heute als besonders gut gelungen und werden immer wieder einmal auch vom Kinderfernsehen ausgestrahlt. Neben Originalrequisiten sind natürlich die Filme zu sehen. Auf Bildtafeln und in Märchenbüchern kann man die Filmgeschichten kennenlernen, die sich oft erheblich von der literarischen Vorlage unterscheiden. Auch die Originalmärchen wie "Das Feuerzeug" von Hans Christian Andersen oder "Der kleine Muck" von Wilhelm Hauff kann man sich entweder vorlesen lassen oder selbst lesen. Und wer Lust zum Spielen hat, auch dem wird Interessantes angeboten, Turbane binden etwa oder Mosaike legen.

Erwachsene Kinofreunde werden schließlich auch Geschmack an der Dauerausstellung des Filmmuseums Potsdam finden, die 2004 ihre Pforten im Untergeschoß des Marstalls öffnete, wo seit 1981 das Museum untergebracht ist. Auf rund 450 Quadratmetern sind zirka 500 Originale, 750 Kopien und Vergrößerungen zu sehen, darunter 220 Objekte wie Kostüme, Requisiten, Modelle, 60 Bücher oder Drehbücher, 30 Programme, Zeitungen und Zeitschriften, 80 Szenenbildentwürfe und Dokumente, 20 originale Fotografien und 250 Vergrößerungen.

Im berühmtesten und ältesten Filmstudio Europas entstanden seit 1912 mehr als 3.000 Filme; heute wird dort fürs Fernsehen und sogar für Hollywood produziert. Wo einst Stars wie Marlene Dietrich oder Asta Nielsen ein und aus gingen, reichen sich heute Matt Damon und Jackie Chan die Klinke in die Hand.

Heiße Scheinwerfer, leicht brennbares Zelluloid und Dekorationen machten die frühe Filmerei zu einer hochexplosiven Angelegenheit, so daß die Feuerpolizei die Filmleute drängte, ihre kleinen Ateliers in der Berliner Stadtmitte zu verlassen. Guido Seeber entdeckte in Babelsberg vor den Toren Berlins eine alte stillgelegte Fabrik, wo er mit seiner Firma Bioscop ein geeignetes Domizil fand. 1912 entstand dort der erste Film: "Totentanz" mit Asta Nielsen. Ein Jahr später erregte der Ostpreuße Paul Wegener mit seinem Streifen "Der Student von Prag" Aufsehen. Mit seinen Filmen "Der Golem", "Hans Trutz im Schlaraffenland" und "Der Rattenfänger von Hameln" erwarb sich Wegener weltweit einen guten Ruf. Auch als Darsteller, dann alllerdings bei der Ufa, bleibt er Filmfreunden unvergessen. 23 Jahre lang bestimmte die Ufa das Geschehen in Babelsberg. Filme wie "Das Flötenkonzert von Sanssouci" oder "Die Drei von der Tankstelle" sind heute längst Legende. Auch die Technik feierte damals erste Triumphe. 1924 wurde für Murnaus "Der letzte Mann" mit Emil Jannings die Kamera zum ersten Mal vom Stativ gelöst und auf ein Fahrrad oder auch dem Kameramann vor die Brust gebunden. In Hollywood war man so begeistert, daß man seine besten Kameramänner nach Babelsberg in die Lehre schickte.

Vieles erinnert in der Dauerausstellung an die ersten Jahre des Films. Faszinieren dürften Kinofreunde gewiß auch erhalten gebliebene Requisiten wie etwa die Perücke, die Otto Gebühr als Friedrich II. trug, oder die Schulbank, in der Heinz Rühmann als Pfeiffer (mit drei f) die Lehrer zum Wahnsinn und die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen trieb. An die Jahre während und nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert das Akkordeon, das Carl Raddatz in dem Streifen "Unter den Brücken" spielte. Helmut Käutner drehte den Film 1944 / 45 mitten im Inferno des Krieges; uraufgeführt wurde er jedoch erst 1946.

Die DEFA löste schließlich die Ufa in Babelsberg ab und war dort 46 Jahre lang zu Hause. Der Filmmonopolist der DDR ist für viele junge Menschen, aber auch für die im Westen Großgewordenen ein nahezu Unbekannter, und so widmet sich der größte Teil der Ausstellung denn auch diesem Abschnitt der Filmgeschichte. Ehemalige Stars der DEFA wie Angelica Domröse, Armin Mueller-Stahl oder Manfred Krug und Winfried Glatzeder sind auch in den alten Ländern schon lange ein Begriff. Aber über all die vielen anderen Darsteller und ihre Filme erfährt man Interessantes im Potsdamer Museum. Wer keine Gelegen-

heit hat, die Ausstellung zu besuchen, der kann vieles über die Geschichte der legendären Filmfabrik in der bei Henschel herausgekommenen Publikation nachlesen: Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt (Filmmuseum Potsdam Hrsg., 208 Seiten, 150 sw und farbige Abb., zweisprachig deutsch / englisch, Klappbroschur, 9,90 Euro). Spannende Geschichten zur Geschichte der Studios, die fünf politische Systeme erlebten, lösen sich ab mit Informationen über bekannte und weniger bekannte Filme und ihre Darsteller.

"Filme altern rasant", schreibt Bärbel Dalichow, Direktorin des Filmmuseums Potsdam, im Vorwort zu dem Buch. "Auch wenn sie einmal Kinoerfolge waren, sind sie eben eher Zeitzeugnisse als ewige Werke. Betrachtet man sie dessen ungeachtet genauer, offenbaren sich manchmal wunderbare Einzelheiten: Regie-, Bild- und Schauspielkunst, technischer Erfindergeist, handwerkliches Können. Viele Produktionen aus Babelsberg sind glücklicherweise vergessen, einige aber eine Neu- oder Wiederentdeckung wert - gerade im Kontext mit der Zeitgeschichte."

Zum Entdecken laden beide Ausstellungen in Potsdam, aber auch das Buch ein. Und selbst ausgewiesene Kinofans werden das eine oder andere Neue entdecken. Wer weiß schon, daß der erste DDR-Western "Die Spur des Falken" mit Gojko Mitic in 2.500 Metern Höhe im Kaukasus gedreht wurde? Und der kleine Muck ... aber lesen Sie selbst. Silke Osman

 Blick in die Ausstellung: Erinnerungen an Manfred Krug Foto: Filmmuseum Potsdam


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