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13.08.05 / Spitzel, Stasi und Politik / Ehemaliger Leiter des FDP-Ostbüros verrät Hintergründe

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. August 2005

Spitzel, Stasi und Politik
Ehemaliger Leiter des FDP-Ostbüros verrät Hintergründe

Wolfgang Scholwer, Autor des Buches "Gesamtdeutschland ist uns Verpflichtung - Aufzeichnungen aus dem FDP-Ostbüro 1951-57", wurde nach seiner erzwungenen Flucht aus der DDR kommissarischer Leiter des FDP-Ostbüros und arbeitete dann lange Zeit im Planungsstab des Auswärtigen Amtes. Schon früh hatte ein "Hilfsdienst Ost" der FDP geflohene LDP-Parteimitglieder aus der DDR unterstützt. 1952 dann wurde dieser in ein Ostbüro der Liberalen umgewandelt, das bald auch die LDP-Anhänger im Osten mit politischen Aufklärungsschriften zu versorgen begann: Ihre Einschleusung erfolgte durch Eisenbahnzüge vom Westen, mit in Ost-Berlin heimlich aufgegebenen Postsendungen und zunehmend durch große Luftballons, welche die Flugblätter aus dem DDR-Himmel fallen ließen.

Zweifellos blieb dies nicht ohne Wirkung, denn sonst wären die Verleumdungen Ulbrichts und des LDP-Vorstands in Ost-Berlin als "Agentennest übelsten Ranges" nicht erfolgt. Ziel solcher Kampagnen war natürlich, DDR-Bewohner von Kontakten zum Ostbüro abzuhalten. Dennoch scheint die FDP stets recht gut bis in die Spitzen der LDP informiert gewesen zu sein. Oktober 1953 gelang es andererseits der Stasi, einen Angestellten von der Berliner Außenstelle des Ostbüros zu entführen; in einem Schauprozeß wurde er zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt! Zwei Jahre später brach ein Stasi-Rollkommando dort nachts ein und entwendete etliche Flüchtlingsakten; durch den Spitzel "Radeberg" kannte es die Räumlichkeiten genau. Der Plan der Stasi (der indes erst nach 1989 bekannt wurde) sah vor, die aufgefundenen Dokumente sofort zu fotokopieren und wieder zurückzubringen; auf diese Weise sollte der Eindruck erweckt werden, es hätte sich um einen kriminellen Einbruch ohne politischen Hintergrund gehandelt!

Höhepunkt des Buches sind indes die erstmals veröffentlichten Hintergründe der Aktion "Wiederholung", des Einbruchs der Stasi-Gruppe kurz vor Weihnachten 1955 in das FPD-Ostbüro in Bonn! Erste Hinweise dürften von dem Referenten Rinné der dortigen Partei-Hauptgeschäftstelle stammen, der wohl ein Sowjet-Spion war. Weitere Einzelheiten lieferte der Stasi-IM "Heimat", den man in der DDR verhaftet, dann "umgedreht" und auf das FPD-Ostbüro angesetzt hatte. Wichtige Akten über liberale Vertrauensleute in der DDR fielen der Stasi in die Hände. Um Verwirrung zu stiften und den Verdacht auf den Bundesnachrichtendienst zu lenken, ließ sie im Büro absichtlich ein Brillenfutteral mit dessen Telefonnummer zurück und "verlor" überdies einige Akten in der Nähe eines Gehlen-Mitarbeiters. Es handelte sich, schreibt der Autor, "um eine der raffiniertesten Aktionen auf diesem Gebiet". Heutzutage sind die wahren Namen der Stasi-Spitzel bekannt, wenngleich ihr Schicksal im Dunkeln liegt; Spion Rinné beging bald Selbstmord.

Das FDP-Ostbüro selber stellte bereits 1957 seine Aktivitäten ein; nach dem Autor war es ein heimlicher Tauschhandel zwischen der FDP-Führung in Bonn und der LDP-Führung in Ostberlin - im Interesse des gesamtdeutschen (Friedhofs-) "Friedens"... F.-W. Schlomann

Wolfgang Schollwer: "Gesamtdeutschland ist uns Verpflichtung - Aufzeichnungen aus dem FDP-Ostbüro 1951-57", edition Temmen, Bremen 2004, 298 Seiten, 15,90 Euro


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