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20.08.05 / Juwel der Romantik / Eichendorffs Taugenichts

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. August 2005

Juwel der Romantik
Eichendorffs Taugenichts

Einen ganzen Reichsthaler und 16 Reichsgroschen kostete die erste kleine Werkausgabe des romantischsten aller deutschen Dichter: "Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Zwei Novellen nebst einem Anhange von Liedern und Romanzen von Joseph Freiherrn von Eichendorff", erschienen 1826 in der Berliner Vereinsbuchhandlung, deren Besitzer, Friedrich Wilhelm Gubitz, ein Mitglied der "Mittwochs-Gesellschaft" war - jenes berühmten literarischen Zirkels, dem auch Eichendorff angehörte. 100 Reichsthaler Honorar erhielt Eichendorff damals; und die erste Rezension in Wolfgang Menzels gefürchtetem Stuttgarter Literaturblatt, der Beilage zu Cottas Morgenblatt für gebildete Stände, war wenig ermutigend: "Man erwartet etwas Komisches und findet nur langweilige Rührung. Der Taugenichts taugt auch gar nichts ...".

Den Siegeszug vom Müllersohn, der mit seiner Geige in die Welt zieht, um als Gegenfigur zu den verstockten Philistern sein Glück zu machen, konnten derlei Kritiken nicht aufhalten. Die spätromantische Allegorie auf ein menschliches Leben, das sich Gottes Führung empfiehlt, zählt mit ihrer poetischen Italiensehnsucht und ihrem märchenhaften Schluß ("und es war alles, alles gut") und ihrer eingestreuten Lyrik ("Wem Gott will rechte Gunst erweisen / Den schickt er in die weite Welt") zu den erfolgreichsten literarischen Verkörperungen des deutschen Gemütes.

Es handelt sich, nach dem Druck des ersten Kapitels in den Deutschen Blättern für Poesie, Literatur, Kunst und Theater im Jahr 1823 um den ersten vollständigen Druck der zwischen 1817 und 1823 in Breslau, Königsberg und Danzig entstandenen Novelle des Oberschlesiers Eichendorff. Selbstredend besaßen die Königliche Bibliothek und - nach 1918 - die Preußische Staatsbibliothek die Erstausgabe des "Taugenichts", bis die Kriegswirren mit

ihren Auslagerungen und Zerstörungen auch dieses Juwel deutscher romantischer Prosa nicht verschonten.

Vor wenigen Wochen gelang es der Staatsbibliothek Berlin - Preußischer Kulturbesitz für ihre Abteilung Historische Drucke diesen schmerzlichen Verlust wieder wettzumachen. Beim Berliner Auktionshaus Galerie Bassenge erhielt sie den Zuschlag für ein in Halbleder gebundenes Exemplar, das im Rara-Lesesaal des Hauses Unter den Linden nun wieder unter der Signatur Yw 10081 <a> der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung steht.

Martin Hollender (KK)

Wer sich als Laie mit dem Text zufriedengeben will, der kann zu einer Neuauflage aus dem Diogenes Verlag greifen, die sich an der Erstausgabe von 1826 orientiert (159 Seiten mit einem Nachwort von Hermann Hesse, brosch., 7,90 Euro). Neben der Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" ist dort auch der Band "Das Marmorbild und andere Erzählungen" herausgekommen (270 Seiten mit einem Nachwort von Otto A. Böhmer, brosch., 7,90 Euro).


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