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27.08.05 / Angst vor der Freiheit / Paul Kirchhof weiß, daß die CDU nicht reif für radikale Kuren ist, deswegen setzt er auf Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. August 2005

Angst vor der Freiheit
Paul Kirchhof weiß, daß die CDU nicht reif für radikale Kuren ist, deswegen setzt er auf Zeit

Der Rückschlag der Besitzstandswahrer in der CDU war zu erwarten. Ihr Motiv ist die Angst vor der Freiheit, der Staat soll weiterhin den Ton bei der Rundumversorgung und auch bei dem wichtigsten Mittel der Steuerung der Lebensverhältnisse, den Steuersätzen eben, angeben.

Zu diesen sozialistischen Bedenkenträgern gehören Leute wie der saarländische Ministerpräsident Müller oder sein Amtskollege Böhmer aus Magdeburg. Sie klammern sich an das CDU-Programm wie an einen Rettungsring, um die Woge der Freiheit, die vom Konzept des Paul Kirchhof ausgeht, zu brechen oder versanden zu lassen.

Aber die massive Kritik aus den eigenen Reihen und aus der Bevölkerung an den mageren familienpolitischen Konzeptionen des Wahlprogramms muß Frau Merkel nachdenklich gemacht haben. Anders ist kaum zu erklären, daß sie sich den Vorstellungen des Steuer- und Familienexperten Paul Kirchhof angenähert hat und ihn nun - wenn auch halbherzig - verteidigt. Sie weiß: Ohne die gesellschaftspolitischen Visionen Kirchhofs läuft die CDU Gefahr, im großen sozialdemokratischen Parteiensumpf zu versinken und nur noch durch eine kleine C-Blüte erkennbar zu sein. Dann kann sie gleich eine Große Koalition anstreben.

Aber auch Kirchhof weiß: Alles sofort, das ist mit dieser CDU nicht zu machen. Zuerst muß ein Mentalitätswechsel in der Partei selbst bewerkstelligt werden. Das geht nur Schritt für Schritt. Da ist zum einen der Gedanke, erst müsse mal saniert werden, dann könne man wieder sozial sein zu den Familien. Stoibers Vorgänger und Mentor Franz Josef Strauß hatte zu solch einer kurzschlußartigen These den passenden Satz parat: "Es ist unsinnig, einem sterbenden Volk gesunde Haushalte zu hinterlassen." Natürlich darf man die künftigen Generationen nicht zusätzlich belasten. Aber erst einmal muß es diese Generationen geben können. Die neue Politik muß auch geburtenfördernd sein und das geschieht zum Beispiel mit Kirchhofs Freibetrag von 8.000 Euro.

Ein zweiter Denkfehler liegt in der Annahme, daß Familienpolitik ein Teil der Sozialpolitik sei. Aber es geht nicht um Almosen von Vater Staat für notleidende Familien, es geht um Leistungsgerechtigkeit. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht noch unter Federführung Kirchhofs mehrfach hingewiesen. Eltern erbringen, so die Richter, mit Zeugung und Erziehung einen generativen Beitrag, der dem finanziellen Beitrag bei den umlagefinanzierten Sozialsystemen (Rente, Pflege, Gesundheit) und auch bei der Steuer ebenbürtig ist. Denn damit tragen die Eltern zur Bestandserhaltung des Systems bei. Die Beitragsfreiheit für Kinder, die die Union bei der geplanten Kopfpauschale für die Gesundheitskosten als Wohltat verkündet, ist deshalb nur eine Selbstverständlichkeit. Ebenso der längst fällige Kinderrabbat bei der Rente. Ökosteuer und Mehrwertsteuer belasten Familien dagegen ungleich stärker als andere. Es geht um Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft, nicht um Besitzstände. Kirchhof hat den neuen Kollegen dies und einiges mehr zu erklären. lim

Mann mit Visionen: Die letzten Tage haben gezeigt, daß die CDU keineswegs vollkommen hinter Paul Kirchhof (Mitte) steht. Foto: vario-press


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