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27.08.05 / "Samenkörner von großen Wahrheiten" / Vor 275 Jahren wurde der Philosoph und Schriftsteller Johann Georg Hamann in Königsberg geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. August 2005

"Samenkörner von großen Wahrheiten"
Vor 275 Jahren wurde der Philosoph und Schriftsteller Johann Georg Hamann in Königsberg geboren
von Silke Osman

Noch heute ist Johann Georg Hamann, sein Leben und sein Werk Thema der wissenschaftlichen Forschung im In- und Ausland. Mag man als Laie auch nicht viel mit seinen Schriften anzufangen wissen, so mag mancher es dennoch mit Johann Wolfgang von Goethe halten, der einmal feststellte: "Solche Blätter verdienen auch deswegen sibyllinisch genannt zu werden, weil man sie nicht an und für sich betrachten kann, sondern auf Gelegenheit warten muß, wo man etwa zu ihren Orakeln seine Zuflucht nehme. Jedesmal, wenn man sie aufschlägt, glaubt man etwas Neues zu finden, weil der einer jeden Stelle innewohnende Sinn uns auf eine vielfache Weise berührt und aufregt."

Hamann, der aus einfachen Verhältnissen stammte, klagte einmal über seine Schulbildung: "Unterdessen ich mich wirklich in einigen Dingen weiter befand, als ich es nöthig hatte, so war ich dafür in weit nützlichern und nöthigern ganz zurückgelassen, weder Historie, noch Geographie, noch den geringsten Begriff von der Schreibart, Dichtkunst. Ich habe den Mangel der beiden ersten niemals gehörig ersetzen können, den Geschmack an der letzteren zu spät erhalten, und finde mich in vieler Mühe meine Gedanken mündlich und schriftlich in Ordnung zu sammeln und mit Leichtigkeit auszudrücken."

Und von Leichtigkeit ist nun wahrlich nicht die Rede, studiert man die Schriften des Königsbergers. Johann Gottfried Herder, der Freund aus Mohrungen, aber erkannte: "Der Kern seiner Schriften enthält viele Samenkörner von großen Wahrheiten, neuen Beobachtungen und eine merkwürdige Belesenheit; die Schale derselben ist ein mühsam geflochtenes Gewebe von Kernausdrücken, Anspielungen und Wortblumen."

Hamann selbst sprach dagegen kritisch über seine Texte: "Ein Lay und Ungläubiger kann meine Schreibart nicht anders als für Unsinn erklären, weil ich mit mancherley Zungen mich ausdrücke, und die Sprache der Sophisten, der Wortspieler, der Creter und Araber, der Weißen und Mohren und Creolen rede, Critick, Mythologie, rebus und Grundsätze durcheinander schwatze", bekannte er in einem Brief 1759. Er plante, seine gesammelten Werke herauszugeben und wollte seine Schriften noch einmal gründlich überarbeiten - schließlich "gewissenshalber kann ich weder dem Verleger noch dem Publico zumuten, unverständliches Zeug zu lesen". Doch dazu kam es nicht mehr.

Die Bedeutung des Denkers vom Pregel für die Literatur- und Geistesgeschichte, der übrigens alle seine Veröffentlichungen nicht unter seinem eigenen Namen erscheinen ließ und sich durch ungewöhnliche Belesenheit und als ausgezeichneter Sprachenkenner auswies, sollte dennoch nicht unterschätzt werden. Die Dunkelheit des Hammanschen Stils, so Hans Eichner über den Königsberger im Nachwort zu den 1994 bei Nicolai herausgekommenen "Ausgewählten Schriften", sei eine bewußt entworfene Strategie gewesen, um den Leser zum Selbstdenken zu zwingen. Inhaltlich sei es Hamann stets "um die Verteidigung seines Glaubens gegen die rationalistischen und deistischen Zeitströmungen" gegangen. Als einer der ersten Gegner der Aufklärung sei er aus dem geistigen Leben des 18. Jahrhunderts nicht wegzudenken.

Johann Georg Hamann wurde vor 275 Jahren, am 27. August 1730, in Königsberg als Sohn eines Baders und Wundarztes geboren, stammte also aus "kleinen Verhältnissen". Er besuchte die Kneiphöfische Schule und nahm 1746 ein Studium an der Albertina auf, hörte Theologie und Philosophie, wechselte zur Jurisprudenz, beschäftigte sich jedoch weitaus mehr mit Dichtung und Philologie. Ohne einen Abschluß verließ er nach 1751 die Universität und wurde Hauslehrer. Einige Zeit hielt Hamann sich in Riga bei Freunden auf, ging nach Kurland, um dort erneut als Hauslehrer zu arbeiten.

Der zu Krankheiten und Depressionen neigende Mann kehrte 1755 nach Riga zurück, wo er im Hause der Kaufmannsfamilie Berens lebte. Nach dem Tod der Mutter (1756) unternahm Hamann im Auftrag der Familie Berens eine ausgedehnte Reise nach London, deren Zweck bis heute zu Spekulationen Anlaß gibt. Manche munkelten gar von diplomatischen, sprich geheimen Aufträgen. Der Zweck der Reise wurde hingegen nicht erfüllt, Hamann geriet in dunkle Kreise und erlebte in London, nach ausführlichem Studium der Bibel, eine entscheidende Hinwendung zur Religion.

Nach Königsberg zurückgekehrt (1759), widmete er sich ganz seinen philosophischen Studien; im selben Jahr erschien auch seine erste bedeutende Veröffentlichung "Sokratische Denkwürdigkeiten". Finanzielle Schwierigkeiten führten jedoch dazu, daß Hamann nach einiger Zeit wieder eine Stelle annehmen mußte. Als Packhofverwalter - von keinem Geringeren als Immanuel Kant auf diese Stelle empfohlen - fristete er schließlich seinen Lebensunterhalt. Seine Arbeit war ihm zutiefst zuwider, stand sie doch auch in starkem Kontrast zu seinem sonstigen Leben, das geprägt war von Kontakten zu Immanuel Kant, dessen Schriften Hamann immer wieder kritisierte, zu Johann Gottfried Herder, der ihn bewunderte, zu Theodor Gottlieb von Hippel, dem Oberbürgermeister von Königsberg, mit dem er eng befreundet war. 1785 schrieb Hamann an Herder: "Hippel ist hier mein nächster Freund und ein großer Wohlthäter meines Sohns. Wir speisen die Woche wenigstens Einmal bey ihm." Und Jacobi verkündete er: "H. nannte mich mehr wie einmal einen Engel, weil er einen Freund nöthig hat sein Herz auszuschütten."

Der Kontakt zu Friedrich Heinrich Jacobi war über Herder entstanden. Er machte Hamann wiederum mit der Fürstin Amalie von Gallitzin und dem "Kreis von Münster" bekannt. Auf einer Reise dorthin erkrankte Hamann und starb am 21. Juni 1788 in Münster. Seine letzte Ruhestätte fand er zunächst im Garten der Fürstin, dann auf dem Überwasserfriedhof in Münster.

Johann Georg Hamann wurde oft mit dem Beinamen "Magus in Norden" tituliert. Hans Eichner bezieht diesen Beinamen auf die drei Magi aus dem Morgenland. "Er sollte", so Eichner, "Hamann also als einen Denker charakterisieren, der den ,Stern' gesehen hat und ihm folgt, wurde aber bald als Anspielung auf die Dunkelheit und den prophetischen Ton seiner Schriften mißverstanden." Anders als Eichner deutet der 1909 in Riga geborene und in England aufgewachsene Ideengeschichtler Isaiah Berlin den Begriff "Magus in Norden". In seinem gleichnamigen Buch (Berlin Verlag, 1995) erläutert er, der Name sei ursprünglich von F.K. von Moser auf Hamann angewendet worden, der 1762 einen Essay über "Die Magi aus Morgenlande" geschrieben habe. Vor allem aber gehe der Beiname auf "Kepplers Voraussage zurück, daß die Venus im Juni 1761 ihre Bahn um die Sonne verlassen würde. Außerdem brach in diesem Jahr Captain Cook in Richtung Südsee auf, der Orientalist Michaelis überredete Friedrich V. von Dänemark, eine Anzahl von Gelehrten nach Arabien zu entsenden, und Hamann widmete sich dem Studium des Koran. Daher jene Verbindung von Ereignissen, die den Begriff der Magi, einen Stern und eine Expedition in den Osten im leicht ironischen, liebevollen Beinamen ,Der Magus in Norden' zusammenführte."

Isaiah Berlin nennt Johann Georg Hamann einen "der wichtigen, wenn auch oft ärgerlichen Partisanen der Zivilisation", den "leidenschaftlichsten, konsequentesten, radikalsten Gegner der Aufklärung und aller Formen des Rationalismus seiner Zeit".

Wenn auch Hamann in vielen geschichtlichen Darstellungen "eine Randfigur der zentralen geistigen Bewegung" bleibe, lohne es sich dennoch auch heute noch, diesen unbekannten Hamann zu studieren; "er ist einer der wenigen ganz und gar originären Kritiker der Neuzeit".

 Johann Georg Hamann: Über seine Schriften wird noch heute diskutiert  Foto: Archiv


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