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27.08.05 / Brückenbauer zwischen Ost und West / Zum 40. Todestag: Vortrag und Publikation zu Leben und Werk des Dichters Johannes Bobrowski aus Tilsit

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. August 2005

Brückenbauer zwischen Ost und West
Zum 40. Todestag: Vortrag und Publikation zu Leben und Werk des Dichters Johannes Bobrowski aus Tilsit

Ich will noch leben, ich muß noch etwas tun. Ein paar Gedichte sind noch nicht geschrieben, vielleicht zwölf Gedichte, und dann der Roman. Und überhaupt - was aus allem werden soll", klagte Johannes Bobrowski seinem Freund Christoph Meckel kurz vor seinem Tod. Mit einer Blinddarmentzündung wurde Bobrowski am 30. Juli 1965 ins Krankenhaus eingeliefert; zwei Tage zuvor noch hatte er die letzten Zeilen für seinen zweiten Roman "Litauische Claviere" niedergeschrieben. Als er dann Wochen später (am 2. September) starb, erlag er den Folgen eines Gehirnschlags.

Oft haben wir an dieser Stelle das Leben des Dichters und Schriftstellers nachgezeichnet, der am 9. April 1917 in Tilsit geboren wurde. Eines Mannes, der durch das Landschaftserleben im Krieg erste Oden schrieb und der sich nach der Entlassung aus sowjetischer Gefangenschaft in Ost-Berlin niederließ, weil dort seine Eltern lebten, der in Ost und West gleichermaßen zunächst Lyrik, später Prosa publizierte. Brücken zu schlagen zwischen Ost und West, zwischen Vergangenheit und Gegenwart - das mag seine Aufgabe in dieser Welt gewesen sein. Bindungen an den gewachsenen Lebensraum wollte er darstellen, "gültig darstellen, ehe es ganz vergangen ist". Bobrowski hat einen Weg beschritten, der "absolut einsam" ist, den Weg des Dichters. "Niemand kann ihm sein Tun abnehmen." - Wenn aber heute, vier Jahrzehnte nach seinem Tod, sich immer noch Menschen in Ost und West mit den Worten dieses Dichters beschäftigen, dann war sein Tun nicht vergebens.

Mit dem Schriftsteller Johannes Bobrowski befaßt sich der Germanist und Historiker Jörg Bernhard Bilke, lange Jahre Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in Bonn, in einem Vortrag, der unter dem Titel steht: "Auf der Suche nach Sarmatien". Zu hören am Donnerstag, 8. September, 19 Uhr, im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus. - "Die Gedichte Johannes Bobrowskis beschwören, er nannte es ,poetische Landnahme', eine 1945 untergegangene Landschaft Osteuropas, der er den Namen ,Sarmatien' gab. Es sind Gedichte der Erinnerung an Dörfer, Flüsse, Wälder, in die Schicksale der Bewohner, Legenden und Visionen eingewoben sind", liest man in der Vorankündigung des Vortrags. "Der Roman ,Levins Mühle' spielt in einem westpreußischen Dorf 1874 an der unteren Weichsel, wo einem jüdischen Müller von einem deutschen die Mühle weggeschwemmt wird. In der Erzählung ,Litauische Claviere' geht es um die Entstehung einer Oper im Memelland, die 1936 von Deutschen und Litauern, drei Jahre vor Kriegsbeginn, gemeinsam geschrieben wird. Auch seine anderen Erzählungen sind seismographische Aufzeichnungen der Spannungen zwischen Deutschen, Polen, Litauern und Juden in den 30er Jahren."

Der Dichter als Brückenbauer steht auch im Mittelpunkt einer neuen Publikation. 29 Beiträge von Autoren aus zehn Ländern enthält ein Band aus dem Martin Meidenbauer Verlag, München, der aktuelle Studien zu Leben und Werk Bobrowskis vereint: Unverschmerzt. Johannes Bobrowski - Leben und Werk (Hrsg. Dietmar Albrecht, Andreas Degen, Helmut Peitsch, Klaus Völker., 472 Seiten, brosch., 19,90 Euro). Es handelt sich um die überarbeiteten Beiträge eines internationalen Colloquiums, das 2003 unter dem selben Titel in Berlin-Wannsee veranstaltet wurde. Über 100 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Interessierte aus Polen, Litauen, Lettland, Rußland, Tschechien, Irland, den Niederlanden, Großbritannien, Kanada und Deutschland nahmen an dieser Tagung teil. Erstmals wird nun in dem Buch versucht, das breite thematische und methodische Spektrum der internationalen Forschung aufzuzeigen.

Neben detaillierten Analysen einzelner Texte gibt es ein bisher unbekanntes Interview mit dem Dichter, aber auch Studien zur Rezeption seines Werks in Europa und Amerika zu lesen. Ein Band für Fachleute, aber auch für Laien, die sich intensiv mit dem Werk des Dichters und Schriftstellers aus Tilsit beschäftigen wollen. Daß die von Rafal Zytyniec, geboren 1976 in Lyck, erhobenen Vorwürfe gegen Das Ostpreußenblatt, es habe Bobrowski erst nach seinem Tod und dann auch nicht ausreichend und kenntnisreich gewürdigt, allerdings nicht von allen Lesern geteilt werden dürften, mag in diesem Zusammenhang bemerkt sein. Dennoch ist der vorliegende Band eine wahre Fundgrube für alle Freunde des Dichters und seines Werks. hb

Johannes Bobrowski: Sein Werk wird von Wissenschaftlern untersucht. Foto: Archiv


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