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27.08.05 / Ein bißchen politisch inkorrekt / Redakteur der Süddeutschen Zeitung wagt sich an das Thema der Vertreibung der Deutschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. August 2005

Ein bißchen politisch inkorrekt
Redakteur der Süddeutschen Zeitung wagt sich an das Thema der Vertreibung der Deutschen

Thomas Urban macht in seinem Buch den Eindruck eines Mannes, der einerseits nicht Märtyrer genug ist, um sein Arbeitsverhältnis mit der Süddeutschen Zeitung in Gefahr bringen zu wollen, andererseits aber zu sehr in der Materie steckt, um die politisch korrekte Schwarzweißmalerei des deutsch-polnischen Verhältnisses einfach mitzumachen.

So finden sich die politisch korrekten Aussagen denn auch vornehmlich in den Teilen seines Buches, bei denen man davon ausgehen kann, daß sie am ehesten gelesen werden. Dieses sind das Vorwort und der Schutzumschlag. Man braucht noch nicht einmal die Schutzfolie zu entfernen, um auf der Rückseite zu lesen, daß der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg eine Vertreibung von Polen im Kriege vorangegangen sei. Das dem Zeitgeist entsprechende Ursache-Wirkungs-Verhältnis ist hergestellt. Daß der Vertreibung von Polen im Kriege wiederum eine Vertreibung von Deutschen vorausgegangen ist, davon ist auf der Rückseite nicht die Rede.

Davon ist dafür aber im Buch die Rede. Immerhin ein ganzes Kapitel ist dieser in der Bundesrepublik Deutschland gerne verschwiegenen Vertreibung gewidmet. Nun hat allerdings das deutsch-polnische Verhältnis auch nicht mit Versailles angefangen, und so thematisiert Urban - wogegen es nichts zu sagen gibt - auch die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Im ersten Kapitel spricht er die "preußischen Ausweisungen" an. Das verwundert nicht, denn wenn heutzutage überhaupt die Vertreibung von Deutschen in der Zwischenkriegszeit erwähnt wird, dann doch immer mit dem Hinweis, daß vor dem Ersten Weltkrieg Polen aus Preußen ausgewiesen worden seien, womit das politisch gewünschte Ursache-Wirkungs-Verhältnis wieder hergestellt scheint. Urban jedoch informiert in seinem Buch über ein hoch interessantes Faktum bezüglich dieser von Preußen vorgenommenen Ausweisungen, das man sonst kaum zu lesen bekommt: "Faktisch hatte es sich um die Abschiebung von illegal im Land lebenden Ausländern gehandelt, Einheimische waren nämlich nicht davon betroffen." Es handelte sich also um etwas, das selbst die liberale Bundesrepublik gelegentlich vornimmt, und ist nicht vergleichbar mit der von Polen in der Zwischenkriegszeit vorgenommenen Vertreibung autochthoner Deutscher aus ihrer Heimat. Thomas Urban verzichtet auf diese Gegenüberstellung. Das ist durchaus typisch. Er liefert politisch inkorrekte Informationen, aber verzichtet auf die sich daraus ergebenden politisch inkorrekten Schlußfolgerungen. Dem in der Bundesrepublik bescheiden gewordenen Leser genügt das ja schon.

Ein anderes Beispiel ist das Kapitel "SS-Sonderlaboratorium Zamo´s´c". Hier wird berichtet, wie im Zweiten Weltkrieg Polen vertrieben wurden. Doch wie die Kapitelüberschrift bereits vermuten läßt, geht aus dem Kapitel klar hervor, daß es sich hierbei um ein Modellprojekt handelte, also um eine Ausnahme, während die Ostdeutschen flächendeckend vertrieben wurden, Vertreibung also die Regel war. Wieder verzichtet Urban auf eine Gegenüberstellung, aber der bescheidene Leser kann trotzdem seine Lehre aus dem Geschilderten ziehen.

Als letztes Beispiel für interessante Informationen in diesem Buch sei das Kapitel Polen und die Vertreibung angesprochen. Hier thematisiert Urban unter anderem die vielgelobte Botschaft der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder mit den berühmten Worten: "Wir vergeben und bitten um Vergebung." Weitaus weniger berühmt, aber in diesem Buch angesprochen, ist der wenig später zur Relativierung nachgeschobene bischöfliche Hirtenbrief mit den Worten: "Hat das polnische Volk einen Grund dafür, seine Nachbarn um Verzeihung zu bitten? Sicherlich nicht! Wir sind überzeugt, daß wir als Volk nicht jahrhundertelang dem deutschen Volk politisches, wirtschaftliches und kulturelles Unrecht zugefügt haben ... Aber wenn sich auch nur ein Pole als unwürdiger Mensch erwiesen hat, wenn auch nur einer im Laufe der Geschichte eine unwürdige Tat begangen hätte, hätten wir also einen Grund zu sagen: ,Wir bitten um Vergebung.'" Urban entlarvt die vielgerühmte polnische Bischofsbotschaft vor den Augen des Lesers völlig, wenn er dann noch die folgende Information nachschiebt: "Kominek sprach später offen aus, daß die polnischen Bischöfe mit ihrer Versöhnungsbereitschaft auch politische Ziele verfolgt hätten: Sie hätten sich als Antwort eine Anerkennung ... der Oder-Neiße-Linie erhofft." Wo wird man in den bundesdeutschen Medien über solche Hintergründe heutzutage noch informiert?

Man kann nur wünschen, daß möglichst viele seiner Kollegen das Buch des SZ-Osteuropakorrespondenten nicht nur in die Hand nehmen, sondern auch durchlesen - nicht, weil man Thomas Urban berufliche Schwierigkeiten mit seinem Arbeitgeber wünschte, sondern in der Hoffnung, daß nach der Lektüre die SZ-Redakteure ein etwas differenzierteres Bild der deutsch-polnischen Beziehungen zeichnen. M. Ruoff

Thomas Urban: "Der Verlust - Die Vertreibung der Deutschen und Polen im 20. Jahrhundert", C. H. Beck, München 2004, 224 Seiten, 22 Abbildungen, 2 Karten, 19,90 Euro


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