16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.09.05 / Das Stadtschloß als geistige Mitte / Schon jetzt liegen Spendenzusagen von mehr als zehn Millionen Euro vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. September 2005

Das Stadtschloß als geistige Mitte
Schon jetzt liegen Spendenzusagen von mehr als zehn Millionen Euro vor

So viel Tempo war nie in der nicht enden wollenden Dis-kussion um das Berliner Stadtschloß. Den finalen Durchbruch brachte letzte Woche die "Immobilien-ökonomische Machbarkeitsstudie", in Auftrag gegeben von Bund und Land Berlin. Langen Jahren bloßer verbaler Willensbekundung, seit Kanzler Helmut Kohl das Prestigeobjekt unmittelbar nach der Vereinigung auf die Agenda setzte, folgte nun erstmals konkrete planerische Arbeit - sie war 15 Jahre lang in den Hintergrund drängender infrastruktureller Aufbauarbeit in den neuen Bundesländern gerückt und der desaströsen Berliner Haushaltslage zum Opfer gefallen.

Beim Spagat zwischen kulturpolitisch Notwendigem und finanzpolitisch Machbarem entschied man sich letztlich für eine öffentlich-private Partnerschaft. Ihre Kernpunkte:

Auf dem Schloßplatz soll ein Bauwerk in den Ausmaßen des Originals entstehen, das an drei Seiten seine historischen Barock-Fassaden zurückerhalten wird. Dafür sollen schon nächstes Jahr Investorenverfahren und ein internationaler Architektenwettbewerb starten.

Die öffentliche Hand soll bei Bau und Betrieb privatwirtschaftlich flankiert werden. Dafür empfiehlt die Studie als Ergänzung des Schloßareals ein Fünf-Sterne-Hotel mit angegliedertem Konferenzzentrum und eine Tiefgarage, mit der überdies die kollabierte Parksituation in Berlin-Mitte teilweise entspannt werden könnte.

In fotogrammetrischen Verfahren auf der Grundlage zeitgenössischer Vorlagen ist das Bauwerk mittlerweile technisch und künstlerisch wieder originalgetreu planerisch wiederauferstanden. Bildhauer und Steinmetze fertigten bereits erste Elemente des plastischen Bauschmucks an.

Schon im November dieses Jahres, so Berlins sozialdemokratische Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer, wird mit dem Abriß des "Palastes der Republik", Altlast der sozialistischen Architektur, begonnen werden, der spätestens Mitte 2007 abgeschlossen sein soll.

Schloß-Förderer Wilhelm von Boddien, inspiriert von der überragenden nationalen und internationalen Spendenbereitschaft beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, will das Bauvorhaben von breiten Bevölkerungsschichten der Stadt und ihrer Besucher mittragen lassen: Bei der Bundesregierung beantragte er bereits eine Gedenkmünze - mit offenbar positiver Reaktion. In wenigen Wochen wird eine Spendenuhr auf den Markt kommen, zum Stückpreis von 49 Euro, mit Schloßmotiven auf dem Ziffernblatt. Bereits erhältlich ist eine Silber-Gedenkmedaille für zehn Euro. Bürger sollen zudem die Möglichkeit erhalten, unter ihrem Namen Teile der Schloßfassade zu sponsern oder gar Bausteine für 50 Euro zu erwerben. Boddien liegen nach eigenem Bekunden jetzt schon Spendenzusagen über zehn Millionen Euro vor.

Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sieht im Wiederaufbau der einstigen Hohenzollernresidenz und im "Humboldt-Forum" einen "Weltort in der Mitte Berlins", getragen auch von der unmittelbaren Nachbarschaft zum abendländischen Erbe der Museumsinsel. Bauminister Stolpe zeigt sich, nicht frei von ironischer Selbstkritik, glücklich darüber, daß der Bund, "nachdem er sich um die Stadtzentren von Cottbus, Chemnitz und Gelsenkirchen gekümmert hat, jetzt keinen Bogen mehr um die große Wunde in der Hauptstadt macht". Kultur-Staatsministerin Weiss wähnt bereits eine "neue geistige Mitte" für die Republik. "Ganz Deutschland wird gewinnen" durch den Neubau an der "kostbarsten Stelle Berlins", verspricht Wolfgang Thierse. Der Bundestagspräsident, Pragmatiker auch in der Stunde des Pathos, fügte bei der Vorstellung der Studie mit Blick auf die niedrigen Bauzinsen gleich hinzu, er sehe ein "window of opportunity" - ein geschichtliches Fenster der Gelegenheit: "Ich lese daraus die Aufforderung, daß wir uns beeilen sollten."

Inzwischen werden in der Hauptstadt offen Gedankenspiele diskutiert, wichtige Institutionen des Bundes in den Schloßkomplex zu integrieren: etwa das Innenministerium, das in wenigen Jahren qua auslaufenden Mietvertrages ohnehin einen neuen Standort benötigt, oder ein mögliches neues Ministerium für Kultur, sollte es von einer neuen Bundesregierung eingerichtet werden. jtj

So soll Berlins architektonisches Herz in einigen Jahren aussehen: Das wiederaufgebaute Stadtschloß (rechts) mit der Schloßbrücke über die Spree und dem Berliner Dom (links) Fotomontage: eldaco


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren