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10.09.05 / Wie die SPD türkische Wähler umwirbt / Die meisten Türken wählen links - ein Stimmenreservoir aus dem die Sozialdemokraten allzugerne schöpfen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. September 2005

Wie die SPD türkische Wähler umwirbt
Die meisten Türken wählen links - ein Stimmenreservoir aus dem die Sozialdemokraten allzugerne schöpfen

Alamanya'ya Güvenelim - auf Deutsch: "Vertrauen in Deutschland". So steht es auf einer SPD-Werbepostkarte, die sich speziell an wahlberechtigte Türken richtet. Gerhard Schröder schaut freundlich, doch ernst von der Karte. Seine Hoffnung auf Wiederwahl schwindet von Tag zu Tag, zu groß ist der Rückstand von Rot-Grün. Nur eine Wählergruppe, die der eingebürgerten Türken, hält der Regierung bislang die Treue.

Bei der Bundestagswahl 2002 gaben nach einer Umfrage des Essener Zentrums für Türkeistudien 60 Prozent von ihnen der SPD ihr Stimme, weitere 17 Prozent wählten die Grünen. Die Union lag mit 12 Prozent weit abgeschlagen, 5 Prozent der türkischen Wähler entschieden sich für die FDP. Angesichts von nur 6.000 Stimmen Abstand zwischen SPD und CDU ist es nicht abwegig zu sagen, daß die Stimmen der eingebürgerten Türken den Ausschlag gaben für die Wiederwahl von Rot-Grün. Folgerichtig rief das türkische Massenblatt Hürriyet Schröder zum "Kanzler von Kreuzberg" aus.

Die "Deutsch-Türken" sind eine nicht unerhebliche Wählergruppe. Und Rot-Grün hat dafür gesorgt, daß dieses Stimmenpotential stetig wächst. Das Staatsbürgerschaftsrecht wurde 1999 so reformiert, daß Einwanderer den begehrten deutsche Paß deutlich einfacher erhalten. Nach der Reform stieg die Zahl der Einbürgerungen sprunghaft an, mittlerweile hat sich der Boom wieder etwas beruhigt. Vergangenes Jahr erhielten 127.150 Ausländer einen deutschen Paß, darunter 44.470 Türken.

Pikant ist, daß mehrere zehntausend eingebürgerte Türken anschließend heimlich wieder ihre alte Staatsbürgerschaft beantragt haben. Selbst die türkischen Behörden gehen von bis zu 60.000 illegalen Doppelstaatlern aus. Denn nach geltendem deutschen Recht haben diese Personen ihre deutschen Staatsbürgerrechte, auch das Wahlrecht, wieder verloren. Doch ohne die Mitwirkung der türkischen Behörden können sie nicht ermittelt werden. Sowohl Bundesinnenminister Schily (SPD) als auch Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) haben diesen Personen aber großzügiges und unbürokratisches Entgegenkommen signalisiert.

Insgesamt sind von den 2,6 Millionen Türken in Deutschland nach Schätzungen bis zu 600.000 wahlberechtigt. Laut Ali Gülen, dem Chefredakteur der Europaausgabe von Hürriyet, werden 60 Prozent von ihnen zur Wahl gehen. Die SPD umwirbt sie mit der Kampagne "Neue Inländer für Schröder". Initiator des Aufrufs ist der ehemalige SPD-Europaabgeordnete Öcan Ceyhun. Zu den Erstunterzeichnern gehören türkischstämmige Politiker, die in der SPD Karriere gemacht haben, etwa die Bundestagsabgeordnete Lale Akgün oder die Berliner Abgeordnetenhausmitglieder Dilek Kolat und Ülker Radziwill. Werbematerial in türkischer Sprache wird verbreitet, in Städten wie Hamburg, Stuttgart und Berlin sind Großaktionen geplant. Dafür werden extra aus der Türkei Politiker und Prominente eingeflogen, die Stimmung für Schröder machen sollen.

Die sozialdemokratische und grüne Linke ist seit Jahren bei den Türken die erste Adresse, obwohl viele in kulturellen Fragen eher konservativ denken. Der Grund ist wohl, daß die Gastarbeiter von den Gewerkschaften sozialisiert wurden. Zudem verfängt die Multikulti-Rhetorik der Linken. Allerdings haben Schröders Arbeitsmarktreformen bei der türkischen Klientel für Unruhe gesorgt. Zu einem großen Teil lebt diese vom Wohlfahrtsstaat. In Berlin etwa sind mehr als 40 Prozent der Türken arbeitslos gemeldet. Die Absen-kung des Arbeitslosengeldes durch Hartz IV trifft sie direkt. Hakki Keskin, der langjährige Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, erklärte darauf seinen Austritt aus der SPD und steht nun als parteiloser Kandidat auf der Berliner Liste der PDS / Linkspartei.

Trotz des Unmuts über Hartz IV hat die Regierung Schröder in den Augen der türkischen Wähler einen entscheidenden Vorteil: Wie niemand anderes hat sie das Streben der Türkei in die EU unterstützt - gegen den Willen der überwältigender Mehrheit der Deutschen. Diese lehnen nach neusten Umfragen zu 62 Prozent einen EU-Beitritt des kleinasiatischen Landes ab, selbst bei den SPD-Unterstützern verweigert eine knappe Mehrheit von 49 zu 46 Prozent Schröder in dieser Frage die Gefolgschaft. Was für die meisten Deutschen eine Horrorvorstellung bleibt, ist der absolute Traum der eingebürgerten Türken. Sollte ihr Heimatland EU-Mitglied werden, sehen Experten eine Zuwanderungswelle von mehreren Millionen Türken nach Deutschland und Österreich vorraus.

Unabhängig davon steigt die Zahl der Türken hierzulande aufgrund ihrer höheren Geburtenrate und eines ungebremsten Familiennachzugs. Vor diesem Hintergrund sorgte der türkische Reiseunternehmer Vural Öger, mittlerweile SPD-Europaabgeordneter, vergangenes Jahr für Aufsehen mit seiner Bemerkung: "Was Sultan Süleyman mit der Belagerung Wiens (1529) begonnen hat, werden wir mit unseren geburtenfreudigen Türkinnen verwirklichen." Nachdem es einigen Aufruhr in den Medien gab, ruderte Öger zurück. Er dementierte den Eindruck, er habe einer demographischen Überfremdung das Wort geredet. Innerhalb der türkischen Gemeinde wurden seine Worte aber sehr ernstgenommen. Die "Deutsch-Türken" werden in jedem Fall in Zukunft eine immer wichtigere politische Rolle spielen. Pli


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