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10.09.05 / Glück im Chaos / Gabriele Lins fragt sich: Bin ich eine gute Hausfrau?

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. September 2005

Glück im Chaos
Gabriele Lins fragt sich: Bin ich eine gute Hausfrau?

Neulich las ich in einer Zeitschrift, daß sich jede Frau in ihrem Leben wenigstens einmal die Frage stellt: "Bin ich eine gute Hausfrau?"

Ich hatte diesbezüglich noch keine Überlegungen vorgenommen, aber nun fragte ich mich doch. Leider konnte ich mir nicht gleich antworten, weil mir ein Spinnennetz in der Ecke des Wohnzimmerfensters ins Auge fiel, und so holte ich erst einmal einen Besen. Doch dann tat es mir leid, dieses aus Spinnweb gehäkelte Labyrinth, dessen künstlerische Feinheit mich begeisterte, zu zerstören. "Ich gebe dir eine Chance", sagte ich zu der Weberin, "du kannst ein paar Tage bleiben."

In diesem Augenblick verklärte die Herbstsonne das Kunstwerk mit schwachem Schein. Leider zeigte sie mir auch, wie trübe die Scheiben waren. Ehe ich sie aber putzen würde, wollte ich erst den Rasen vom Laub befreien. Bevor ich mit dem Harken begann, sog ich die frische Luft tief in meine Lungen. Ich war sehr empfänglich für die herbstliche Schönheit um mich herum, und so fand ich es schade, die Blätter weg zu kehren, die einen Teppich mit goldenem und braunen Muster bildeten. Bis ich Frau Brinkmann im Nachbargarten sah. Sie ist eine penible Frau, die immer für Ordnung und Sauberkeit sorgt, und so verzog ich mich schnell wieder ins Haus. Meine Möbel hatten es ja genau so nötig, befreit zu werden, und zwar vom Staub der Zeit.

Im Zimmer nahm ich mein Putztuch und wienerte drauflos. Doch auch diese Arbeit hielt ich nicht lange durch. Ein heißer Cappuccino mußte erst einmal her. Die Kommode würde ich heute ohnehin nicht mehr in Angriff nehmen, denn die Familie wollte ja am Mittag etwas essen. Mit dem Zeigefinger malte ich noch schnell die Worte "Ich liebe euch!" mit drei Ausrufezeichen in die Staubschicht, ehe ich mich ans Kochen machte. Na bitte, da hatten sie es schwarz auf weiß, oder besser weiß auf schwarz, wie wohlgesonnen ich ihnen war.

Vom Wischen waren meine Hände rauh geworden, deshalb suchte ich in meiner Küchenschublade die Handcreme; ja suchte, denn in gewissen Kästen herrscht bei mir ein Chaos. Während ich bei meiner Forschungsarbeit alle möglichen und unmöglichen Dinge herausfischte, mußte ich an unseren neugierigen Nachbarsjungen denken, der neulich in der Lade herumgewühlt und vorwurfsvoll ausgerufen hatte: "Das sieht ja hier aus wie bei Hempels!" Schließlich wurde ich fündig und cremte meine Hände mit der Salbe, deren Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen war.

Ob ich eine gute Hausfrau bin? Ehrlich gesagt, ich lerne noch. Zum Beispiel fehlen an manchen meiner Fenster die zarten Gewebe, die man Gardinen nennt, und die ewig im Wege sind. Außerdem versperren sie einem die Sicht auf die Schönheit des herbstlichen Gartens.

Mit dieser ewigen Saubermacherei stehe ich ohnehin auf dem Kriegsfuß. Vor Weihnachten oder Ostern etwa, wenn bei anderen Hausfrauen die Spinnen und Silberfischchen im Putzwasser ertrinken, setze ich mich lieber ans Klavier und singe mit meinen Kindern zusammen Lieder, als daß ich mich in den sogenannten Festtagsputz stürze.

Zu Weihnachten basteln wir Sterne, Ostern bemalen wir Eier und wandern ins Grüne, um den Vögeln beim Nestbau zuzusehen, den Bäumen beim Knospen, den Wolken beim Segeln und den Opas bei der ersten frühjährlichen Gartenarbeit. Hinterher kann ich die Wohnung immer noch pflegen.

Heute habe ich mir vorgenommen, die kaputten Sachen der Familie in Ordnung zu bringen, und habe mir deshalb Nadel und Faden zurechtgelegt, denn fehlende Knöpfe und abgerissene Mantelaufhänger liegen mir doch ein wenig auf der Seele.

Doch dann fällt mir eine Geschichte ein, die ich schnellstens schreiben muß - nämlich diese hier -, und so denke ich bei mir: Papas löcherige Socken und die offenen Nähte an den Blusen der Mädchen können noch etwas warten. Vielleicht einen Tag. Oder eine Woche?

Die Frage, ob ich eine gute Hausfrau bin, hat sich damit wohl erledigt.


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