19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.09.05 / Befreiung, Niederlage oder was? / Bei Kriegsbeginn wünschten die Deutschen nur noch den Wiederanschluß Danzigs und freie Wege nach Ostpreußen (Teil XV)

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. September 2005

Befreiung, Niederlage oder was?
Bei Kriegsbeginn wünschten die Deutschen nur noch den Wiederanschluß Danzigs und freie Wege nach Ostpreußen (Teil XV)
von G. Schultze-Rhonhof

Nachdem die neu aufgebaute Wehrmacht Deutschland wieder schützen konnte, nachdem die Wirtschaft wieder lief, und nachdem die Landsleute im Saarland, in den Sudetengebieten und im Memelland wieder Staatsbürger ihres Mutterlandes sein durften, standen als letzte deutsche Wünsche noch der freie und unbehinderte Verkehr ins damals vom Reich abgetrennte Ostpreußen und der Anschluß Danzigs auf der Tagesordnung. Alle die genannten bisherigen Erfolge waren von den betroffenen Deutschen als Befreiung von Verelendung, militärischer Bedrohung und Fremdherrschaft empfunden worden. Man nannte das im Sprachgebrauch der Zeit das "Sprengen der Fesseln von Versailles". Ein Wiederanschluß Danzigs an das Mutterland hatte Mitte 1939 den gleichen Stellenwert. Er wurde als Befreiung der 340.000 Danziger erwartet.

Die Danziger wurden 1920 ungefragt und gegen ihren Willen aus dem deutschen Staat herausgelöst. Danzig und das Umland wurden zu einem neuen Staat erklärt, unter die Oberherrschaft des Völkerbunds gestellt und halb von Polen mitverwaltet. Dieser Status des "Freistaats Danzig" mit einer zu 97 Prozent deutschen Bevölkerung - nun ohne deutsche Staatsbürgerschaft - unter der Oberhoheit des Völkerbunds und mit ständig zunehmender Einbeziehung in den polnischen Staat hatte zu einem dauerhaften Unmut im deutschen Volk geführt. Ein "Freistaat Liverpool" unter Völkerbundsmandat und halber irischer Verwaltung hätte zur gleichen Zeit nicht anders auf die Menschen in Großbritannien gewirkt. Die Deutschen im abgetrennten Danzig reagierten abweisend auf die ständig wachsenden Ansprüche der Polen, und sie wünschten sich, wieder zum eigenen Lande zu gehören. So prägte sich in Danzig ein besonders starkes Nationalempfinden aus.

Polens Rechte im Freistaat Danzig waren im Versailler Vertrag und späteren Abkommen klar geregelt worden. Polen hatte Privilegien im Danziger Hafen, auf der Weichsel, bei Post, Zoll und Eisenbahn im Freistaat und in einem Munitionsdepot am Rand des Handelshafens (auf der Westerplatte). Des weiteren hatte der Staat Polen den Freistaat Danzig im Ausland diplomatisch zu vertreten. Das somit ohnehin belastete deutsch-polnische Verhältnis erhielt nun dadurch ständig neuen Druck, daß der Staat Polen seine Rechte im Freistaat immer weiter ausdehnte oder das versuchte. So benutzte Polen den Handelshafen Danzigs immer wieder gegen den Protest des Danziger Senats und ohne die Zustimmung des Völkerbunds als Liegeplatz für Teile seiner Kriegsflotte. Polen ließ Militärtransporte durch den Freistaat fahren, ohne daß sie, wie vereinbart, vorher beim Danziger Senat angemeldet worden wären. Der polnische Zolldienst maß sich Befehlsbefugnisse gegenüber Danziger Zöllnern an, die ihnen nach den Verträgen nicht zukamen. Polen versuchte seinen Zolldienst zu bewaffnen, was an Danzigs Grenzen nur erlaubt war, wenn auch der deutsche Zoll bewaffnet war. Polen versuchte, den Postdienst im Freistaat mit polnischen Briefmarken und Postkästen in eigene Regie zu übernehmen. Es versuchte, die durch den Völkerbund festgelegte Zahl polnischer Soldaten auf der Westerplatte zu verdreifachen, was allerdings vom Völkerbund unterbunden wurde. So kam der Freistaat Danzig durch alle Jahre von 1920 bis 1939 nicht zur Ruhe.

Die Danziger Bevölkerung erbat beim Völkerbund mehrfach eine Volksabstimmung über das Begehren, wieder Deutschland angegliedert zu werden. Der Völkerbund und die Siegermächte ließen eine Volksabstimmung zum Anschluß Danzigs niemals zu. So wurde die Wiederangliederung Danzigs zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als ein Akt der Befreiung von permanenter Drangsalierung und Fremdherrschaft empfunden.

Ein Problem von vor allem wirtschaftlicher und psychologischer Bedeutung war die Abtrennung Ostpreußens durch den sogenannten polnischen Korridor. Der Korridor war das deutsch und kaschubisch bewohnte Land zwischen Pommern und Ostpreußen, das 1919 Polen zugeschlagen worden war und Polens "Korridor" zur Ostsee bilden sollte. Die Transitgebühren-Frage, die Schließung immer weiterer Verkehrswege zwischen dem deutschen Kernland und Ostpreußen und die wirtschaftlichen Folgen für den so abgetrennten deutschen Landesteil wurden bereits an früher Stelle in dieser Artikelserie beschrieben. Die Lage Ostpreußens in den 20er und 30er Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg war in vieler Hinsicht mit der Lage West-Berlins in der Zeit des Kalten Kriegs vergleichbar. So ist den Menschen in Ostpreußen ihr Anschluß an das Kernland Deutschlands mit Kriegsbeginn 1939 zwar keine Befreiung, aber doch eine große Erleichterung gewesen.

Fortsetzung folgt

Deutsche Truppen überschreiten die Grenze zur Republik Polen: Anders als 1914 herrschte vor 60 Jahren keine Kriegsbegeisterung, aber den Ostpreußen war ihr Anschluß an das Kernland Deutschlands mit dem Beginn des Krieges eine große Erleichterung. Foto: Deutsches Historisches Museum


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren