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24.09.05 / Die "160er" befürchten Politiker-Invasion / Dresden nimmt seine Sonderrolle gelassen und scheint vor Beeinflussung

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. September 2005

Die "160er" befürchten Politiker-Invasion
Dresden nimmt seine Sonderrolle gelassen und scheint vor Beeinflussung von außen gefeit

Die endgültige Sitzverteilung im deutschen Bundestag entscheidet sich erst in zwei Wochen in Dresden. Die "160er"-Wähler dort nehmen die Sonderrolle am Sonntag gelassen.

Vielleicht hat Peggy Bellmann, Direktkandidatin der FDP im Dresdner Wahlkreis 160, das knappe Ergebnis bereits geahnt. Zumindest hat sich die 19Jährige am Wahlsonntag Ruhe verordnet. "Ich bin gerade aufgestanden, habe endlich wieder richtig ausgeschlafen", sagt sie mittags etwas verlegen am Telefon. So als schäme sie sich, den historischen Wahlmorgen ganz banal im Bett zu verbringen.

Doch die meisten Dresdner sehen es ähnlich, nehmen ihre Sonderrolle gelassen hin. Spätestens seit der Jahrhundertflut 2002 hat man hier Erfahrung mit Ausnahmezuständen, läßt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. An den Wahllokalen im Kreis 160 informieren Hinweisschilder über den verschobenen Termin. Doch statt verunsicherter Wähler stehen dort meist frustrierte Journalisten vor verschlossenen Türen. Nur am Schillerplatz an der berühmten Brücke "Blaues Wunder" wollen ein paar Verwirrte unbedingt an die versperrte Urne.

"Jetzt genieße ich das schöne Wetter, gewählt wird hier eben später", sagt Horst Kochte aus dem Stadtteil Blasewitz. Mit Kindern und Enkeln ist er am Vormittag zwischen den Buden auf dem zentralen Altmarkt unterwegs. Die Großfamilie ist sich einig: "Unsere Wahlentscheidung haben wir längst getroffen, da lassen wir uns nicht mehr beeinflussen", sagt der 54jährige Kochte. Und auch Karlheinz Göbel, Rentner aus Striesen, nimmt seine demokratische Verantwortung ernst. "Natürlich ist es eine besondere Situation für uns, aber ich mache mir meine eigenen Gedanken und am Ende zählt doch jede Stimme gleich", sagt er.

Andere fühlen sich trotzdem betrogen. Katrin Heyde, die mit Mann und Sohn durch den Stadtpark "Großen Garten" radelt, ist sogar richtig sauer: "Es ist ungerecht, daß wir nicht wählen dürfen. Gerade die kleinen Parteien haben doch jetzt keine echte Chance mehr", sagt sie. Am 2. Oktober will sie deshalb zu Hause bleiben.

Während in der restlichen Republik bereits der Wahlkampfmüll entsorgt wird, lächeln in Dresden Schröder, Merkel & Co. weiter siegessicher am Straßenrand. Per Dienstordnung hat das Rathaus am Sonntag verfügt, die Großplakate im gesamten Stadtgebiet stehen zu lassen. In den Schubladen der sächsischen Parteien liegt bereits der "Plan-B" für die entscheidende Wahlkampfverlängerung.

Vermutlich werden sich auch etliche Vertreter der Berliner Polit-Prominenz an der Elbe noch einmal die Ehre geben. Manch einer fürchtet nun sogar skurrile Bestechungsversuche. "Wahrscheinlich werden sie uns jetzt mit Essensgutscheinen und Geschenken bombardieren", sagt Spätwähler Yogi Baukus aus Dresden-Plauen.

Lösungsvorschläge für das Dresdner Dilemma findet man wie so oft im Internet: Hier versuchen geschäftstüchtige Wähler, ihre gewichtigen Stimmen zu Geld zu machen. Noch am Sonntag tauchten bei ebay illegale Angebote für "Dresdner Erst- und Zweitstimmen" auf, auch ungültige "Wahlbenachrichtigungen 160" in "limitierter Auflage" sind dort im Angebot. In zahlreichen

Foren suchen besorgte User nach Möglichkeiten, die Dresdner zwecks Chancengleichheit zeitweise zurück ins "Tal der Ahnungslosen" zu schicken: "Eine große Käse-glocke wäre gut". Doch dem Wettergott fehlt anscheinden der demokratische Gerechtigkeitssinn: Für die nächsten Tage sagen die Meteorologen strahlenden Sonnenschein im Elbetal voraus. Maren Soehring


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