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24.09.05 / Weimar läßt grüßen / Deutschland hat links gewählt und die Bundesrepublik steht vor einer Zerreißprobe

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. September 2005

Weimar läßt grüßen
Deutschland hat links gewählt und die Bundesrepublik steht vor einer Zerreißprobe

Gleich einem krachenden Blitzschlag hat das Wahlergebnis vom 18. September in Deutschland eingeschlagen. Mit gedrechselten Worthülsen, Sprachlosigkeit oder anmaßender Arroganz kommentiert die politische Klasse in dieser Republik das Wahlergebnis. Eine rühmliche Ausnahme: die FDP.

Es gibt nichts zu beschönigen. Deutschland hat links gewählt, nun schon das dritte Mal in Folge. Die Rahmenbedingungen für einen Politikwechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb waren günstig wie nie. Schröders fundamentale Fehleinschätzung hinsichtlich des Abbaus der Massenarbeitslosigkeit, die Unfähigkeit von Rot-Grün, auch nur ansatzweise, einen Ausweg aus der ausgeuferten Staatsverschuldung aufzuzeigen, der steckengebliebene Reformprozeß bei der Sanierung der Sozialkassen und die mangelnde Bereitschaft von Teilen der SPD, den Kanzler beim Rückschnitt des ausgeuferten Sozialstaates zu unterstützen, hatten beim Wahlvolk eine Grundstimmung auf Politikwechsel hervorgebracht. Diese Grundstimmung schien sich durch die Wahlerfolge der Union in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu bestätigen.

Doch der Souverän wollte es anders. Nach dem 18. September 2005 ist es unrealistisch, mittelfristig Union und Liberalen die Regierungsmehrheit bei einer Bundestagswahl zuzutrauen. Neuwahlen können deshalb für das bürgerliche Lager keine Alternative sein. Gleichwohl ist es aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, daß das neugewählte Parlament die volle Wahlperiode von vier Jahren zusammenbleiben wird. Das Wahlergebnis verändert leider die Statik unseres politischen Systems. Instabile Mehrheitsverhältnisse treten an die Stelle der bisherigen stabilen Kanzlermehrheit.

Damit kommt die Bundesrepublik erstmalig in ihrer 56jährigen Geschichte politisch in eine Situation, wie sie für die Weimarer Republik kennzeichnend war. Wie damals sitzen heute Extremisten vom linken Rand und begabte Demagogen im Parlament. Wie damals scheinen die Parteien unfähig, sich parteiübergreifend auf die dringend erforderlichen Gesetzesvorhaben zur Besserung der bedrückenden politischen Defizite zu verständigen.

In der Union hat die Suche nach den Ursachen und den Schuldigen für das miserable Wahlergebnis bereits begonnen. Man muß der Partei wünschen, daß dies intern und hinter verschlossenen Türen geschieht. Die Ministerpräsidenten der unionsgeführten Länder müssen sich selbst an die Brust schlagen. Sie hatten die angedachte Mehrwertsteuererhöhung zu vertreten, die sich als schwere Belastung im Wahlkampf erwies. Als Landesvorsitzende der CDU-Landesverbände sind sie mitverantwortlich für das schlechte Wahlergebnis ihrer Partei.

Frau Merkel ist ein gravierender Fehler vorzuwerfen. Sie hatte nicht die Größe, den im berechtigten Zorn gegangenen Friedrich Merz mit einer versöhnlichen Geste in das Kompetenzteam zu holen. Merz gehört zu den Besten in der gesamten politischen Klasse dieser Republik. Warum haben die Ministerpräsidenten bei der Aufstellung des Kompetenzteams nicht die Berücksichtigung von Merz gefordert?

Dem Noch-Kanzler Schröder kann es die SPD danken, daß die Niederlage erträglich blieb. Sein Einsatz im Wahlkampf war beeindruckend. In seinen Reden hatten Halbwahrheiten und demagogisches Heruntermachen des politischen Gegners mehr Anteil als nachvollziehbare Argumente. Am Regierungsprogramm der Union hat sich Schröder abgearbeitet, die arme Krankenschwester, der Frau Merkel die Nachtzulage nehmen will, wurde dutzende Male bemüht. Ein Werben um das eigene Programm: Fehlanzeige.

Des Kanzlers Gehabe bei seinen Fernsehauftritten war schwer zu ertragen und gipfelte in seinem Verhalten bei der Berliner Elefantenrunde gleich nach der Wahl. Mit seiner an den Tag gelegten Besserwisser-Attitüde, gepaart mit Arroganz und Unhöflichkeit hat er sich und seiner Partei geschadet.

Nachdenklichkeit herrscht nach dem Wahltag bei den Grünen. Die Partei muß sich entscheiden. Sieht sie in gesellschaftsverändernden Aktivitäten ihre Zukunft oder kann sie auch eine staatstragende Rolle übernehmen und die Bündnisfähigkeit mit dem konservativen Lager herstellen. Der Übervater der Partei, Joseph Fischer, hat den Zenit überschritten. Seine Dominanz wird nicht mehr vorbehaltlos respektiert.

Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Wird unser Land damit fertig werden? Unser politisches System war bisher eine Schönwetter-Demokratie. Nun ist politisch gesehen Unwetter aufgezogen. Wie gehen wir damit um, wie werden wir damit fertig? Bonn ist nicht Weimar hieß es in der früheren Alt-Bundesrepublik. Die Nagelprobe steht noch bevor.

 

Wilhelm von Gottberg ist Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen


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