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24.09.05 / Hurrikan wirbelt den Ölpreis durch / Schon die Ankündigung eines weiteren Sturms sorgt für Börsen-Turbulenzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. September 2005

Hurrikan wirbelt den Ölpreis durch
Schon die Ankündigung eines weiteren Sturms sorgt für Börsen-Turbulenzen

Der Hurrikan "Katrina" wirbelte die soziale Frage der USA ins Bewußtsein der Öffentlichkeit und den Ölpreis durcheinander, ließ den mächtigsten Mann der Welt untätig aussehen und ist doch nur die Initialzündung nicht nur einer amerikanischen, sondern einer weltweiten Krise - einer Krise um den Lebenssaft jeder Volkswirtschaft: das Öl.

Die gewaltigen Schäden in New Orleans und an den Ölplattformen im Golf von Mexiko treffen nicht nur Amerika, sie zeigen der Welt die Verletzlichkeit ihrer Energieversorgung. Angst und Ökonomie treiben seither den Preis für Öl als Energieträger und Ausgangsstoff so vieler Produkte in die Höhe. Schon vor "Katrina" waren die US-Raffineriekapazitäten mehr als ausgelastet. Jetzt wird sogar über die sonst unrentable Verschiffung von Öl aus Europa nachgedacht. Nach den USA legt auch die Bundesrepublik Deutschland Hand an ihre eisernen Ölreserven.

In Amerika wird der Schritt, der in der Regel nur in Krisenzeiten erfolgt, mit den Produktionsausfällen bei der Erdölförderung im Golf von Mexiko begründbar - in Deutschland jedoch erfolgte der Zugriff mit Blick auf den hohen Benzinpreis in Wahlkampfzeiten. Mögen die energiehungrigen Vereinigten Staaten ihre katastrophenbedingten Ausfälle kompensieren - das Golföl liefert normalerweise ein Viertel der US-Rohölproduktion - so dürfte Berlin nur "zum Zwecke der Verhütung unmittelbar drohender oder Behebung eingetretener Störungen in der Energieversorgung" den Schritt einer Freigabe wagen. Von einer massiven Krise wie zu Zeiten des "Ölschocks" Anfang der 70er Jahre kann derzeit allerdings keine Rede sein. Denn nicht das Angebot sinkt, sondern die Nachfrage steigt.

Die Freigabe der Reserven kann keine Lösung des steigenden Ölpreises und damit steigender Energiekosten sein. Erstens dürfen sie nur zum aktuellen Marktpreis verkauft werden. Zweitens ist der Nutzen der Maßnahme als Druckmittel auf den Preis offensichtlich gering. Drittens mangelt es nicht an Rohöl, sondern an Raffinerieprodukten wie Benzin, somit an Raffineriekapazitäten. Es mag daher erstaunen, daß die Politik den Griff zu den Reserven für den wichtigsten hält. Sie zeigt sich im Angesicht der Einstiegskrise "Katrina" unvorbereitet, sind doch ernsthafte Krisen um die Ölversorgung nicht nur aufgrund der Destabilisierung des Mittleren Ostens als Hauptförderregion abzusehen.

Betrachtet man die Lage in einem Land, das mehr Öl produzieren könnte, werden die Ursachen der weltweiten Krise offenbar. Rußland gehört zu den größten Erdölfördernationen der Welt. Dort werden täglich 9,3 Millionen Barrel Öl gewonnen. Mit der russischen Wirtschaft will es dennoch nicht recht aufwärts gehen, wie angesichts der steigenden Nachfrage nach Öl zu erwarten wäre.

Die Gründe dafür liegen in einer verfehlten Wirtschafts- und Energiepolitik. Die staatlichen Investitionen seit der Zerschlagung und Teilverstaatlichung des Jukos-Konzerns bleiben aus, die Ölförderung stagniert. Zahlreiche Öllagerstätten der Welt befinden sich in ökonomisch risikoreichen, politisch unsicheren Gebieten - so in Mittelasien. Seit der Inhaftierung des Öloligarchen Michail Chodorkowskij 2004 verhalten sich die Unternehmen vorsichtig.

Rußland tilgt vom Energieerlös Auslandsschulden, finanziert soziale Programme, Lohnerhöhungen für Staatsdiener. Es mangelt an der Fähigkeit zu Investitionen. Die folgende Preissteigerung wirkt sich auch auf die russische Binnenwirtschaft negativ aus. Die erhöhte Nachfrage führt zu Lieferengpässen bei Erzeugerfirmen, zudem erhöhte der russische Staat die Exportzölle, so daß die Preise für Heizöl und Benzin im Lande selbst erhöht werden müssen. Davon betroffen sind nicht nur Privathaushalte - der Liter Super-Benzin kostet inzwischen umgerechnet 0,48 Euro, was sich bei einem durchschnittlichen Einkommen von 300 Euro im Monat schon bemerkbar macht, sondern auch der öffentliche Flug- und Transportverkehr. Russische Analytiker erwarten daher keine Entspannung der Lage. Sie machen dafür die fehlende Stabilisierung in den erdölfördernde Ländern Irak, Iran, Saudi-Arabien, Nigeria und Venezuela verantwortlich sowie die kurzfristig steigende Nachfrage durch den Hurrikan "Katrina".

Die Appelle des deutschen Bundeskanzlers an die hiesige Mineralölwirtschaft zeigen, wie wenig die Abhängigkeit vom Öl seit den krisenhaften 70er Jahren abgenommen hat. Die Abkanzlung der Kernenergie ist dafür symptomatisch, wurde sie doch gerade als Folge der Ölkrise der 70er Jahre forciert. Seit 1998 sind die Weichen gestellt: gesellschaftliches Aus und somit weiter wachsende Abhängigkeit vom fossilen Brennstoff. Das derzeitige Vertrauen der Börse in Biodiesel zeigt die Nachfrage nach alternativen Treibstoffen, läßt aber außer acht, daß diese mengenmäßig nicht ausreichend zu produzieren sind.

Der von der Politik eingeleitete Kampf gegen Energie-Spekulanten dürfte angesichts dieser Zusammenhänge unter "Wahlkampf" zu verbuchen sein, ebenso wie die allgemeine politische Debatte um Ökosteuer, erneuerbare Energie und Senkung der Mineralölsteuer. Bezeichnend ist, mit welcher Leichtigkeit Politik und Kartellbehörden seit Jahren über die Firmen-Konzentration am Energiemarkt hinwegsehen.

Im Vergleich zum August 2004 haben die Mineralölkonzerne im August 2005 6,4 Prozent weniger Benzin in Deutschland verkauft. Für die ersten acht Monate dieses Jahres beträgt das Minus gegen-über dem gleichen Zeitraum 2004 deutschlandweit 5,3 Prozent. Schwindende Nachfrage, steigender Preis - kein Indiz für funktionierenden Wettbewerb in Deutschland.

Nun kommt noch der weltweite Wettlauf um Energie, angefeuert von den Entwicklungs- und Schwellenländern hinzu. Sverre Gutschmidt /Manuela Rosenthal-Kappi

 Folgenreich: Durch den Hurrikan "Katrina" gekenterte Bohrinsel im Golf von Mexiko Foto: AP


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