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24.09.05 / Nationale Rotlichtmeile

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. September 2005

Nationale Rotlichtmeile

In Berlin werden die Diskussionen in CDU und CSU über die Kulturpolitik des Bundes mit spitzen Ohren verfolgt, denn: Für die Hauptstadt geht es um viel Geld. Unter Rot-Grün hat der Bund sich - Beispiel Museumsinsel - großzügig gezeigt, und natürlich möchte der Senat, daß das so bleibt. Aber je lauter Berlin Bundesgelder einfordert, um so eindringlicher muß die Stadt sich fragen lassen, was sie dazu beiträgt, um ihre Ansprüche zu rechtfertigen. Die jüngste Eskapade des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), der ein Straßenfest der Sado-Maso-Szene mit einer Grußbotschaft beehrte und zu erkennen gab, daß er sich die Hauptstadt als eine Art nationale Rotlichtmeile vorstellt, weckt Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Eignung eines so geführten Berlin als nationales Schaufenster.

Nehmen wir die Graffiti-Schmierereien, die die gesamte Metropole verunstalten: In diesem Jahr fand in Berlin ein Anti-Graffiti-Kongreß statt. Doch der rot-rote Senat dachte nicht daran, den internationalen Erfahrungsaustausch als Ausgangspunkt für den Kampf um eine saubere Stadt zu nutzen. Im Gegenteil, Ende August wurde ein "Street Art Festival Backjumps" eröffnet. Für zwei Monate ist Berlin der Mittelpunkt der internationalen Sprayer-szene. Der Senat unterstützt die Veranstaltung mit 35000 Euro, die aus dem Hauptstadt-Kulturfonds stammen, der vom Bund mit 10,2 Millionen Euro gespeist wird.

Und es kommt noch schöner. Als Kontaktadresse des Festivals wird das Kreuzberger "Bethanien-Haus" angegeben. Ein ehemaliges Krankenhaus, das seit 1974 für Ausstellungen, Künstlerwerkstätten und -wohnungen genutzt wird. Das baufällige Haus soll verkauft werden - die Stadt kann die Unterhaltungskosten von 650000 Euro nicht tragen. Tatsächlich gibt es einen Privatinvestor, der den Kunstprojekten einen Bestandsschutz zusichert. Alle könnten also zufrieden sein. Doch nicht so in Berlin, denn unlängst haben sich im Haus Hausbesetzer einquartiert. Es kam zu Pöbelein, eingeworfenen Scheiben. Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) und Baustadt-rat Franz Schulz (Grüne) aber verlegten sich aufs Verhandeln mit den Besetzern. Hintergrund: Reinauer kandidiert im Wahlbezirk gegen den Altgrünen Hans-Christian Ströbele für den Bundestag. Beide Parteien wollen die Alternativ-Szene nicht verprellen und dulden daher den Rechtsbruch. Der Investor ist natürlich nicht bereit, da mitzumachen. Inzwischen hat Reinauer die Besetzer aufgefordert, das Haus zu räumen, was flugs den grünen Baustadtrat zum Widerspruch veranlaßte. Es wird also weitergestritten, und das übrige Deutschland fragt sich, ob das die von seinem Geld zu fördernde "Hauptstadtkultur" sein soll.

Noch ein Beispiel: Seit Monaten sucht die Berliner Humboldt-Universität einen Rektor, weil sich keine hochkarätige Persönlichkeit bereit findet, unter PDS-Wissenschaftsenator Thomas Flierl zu arbeiten. Vor allem geht es um Flierls Pläne, den Studenten künftig ein ungewöhnlich großes Mitspracherecht einzuräumen. Während man sich im Westen von diesen 68er-Irrtümern qualvoll verabschiedet, sollen sie in Berlin wiederholt werden. Gewiß sind diese ideologisch motivierten Mißgriffe und Blockaden nicht die Ursache für die Krise der Berliner Kultureinrichtungen, aber sie verschlimmern sie weiter und verderben den Ruf der Stadt. A. Kühnel


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