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24.09.05 / Tolle Knolle / Christel Bethke ißt lieber Kartoffeln als Pasta

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. September 2005

Tolle Knolle
Christel Bethke ißt lieber Kartoffeln als Pasta

Wirklich, die Kartoffel ist eine tolle Knolle. Einfach phantastisch, was an Köstlichkeiten aus ihr gezaubert werden kann. Das heißt, wenn man die Mühe nicht scheut, sie zu veredeln, wie man heute sagt, wenn ein Produkt weiter verarbeitet wird.

An erster Stelle steht natürlich der altbewährte Kartoffelsalat. Es gibt ihn in den verschiedensten Varianten: Die Schlesier werden ihn anders zubereiten als die Bayern oder die Ostpreußen. Da hat jeder sein eigenes Rezept. Lecker sind sie alle, ob mit Gürkchen oder hartgekochtem Ei, Hering oder eingebratenem Speck, mit Mayonnaise oder Essig und Öl angemacht. Ohne Ende, die Möglichkeiten. Und wer liebt nicht die selbst zubereiteten Puffer mir ihrem knusprigen bräunlichen filigranen Rand? Spitzenmäßig, meinen sogar die Enkel, und das will schon was heißen, wo doch an ihre heißgeliebten Pommes kaum was anderes heranreicht. Gratins stammen aus neuerer Zeit, sind ebenfalls sehr gut und zu empfehlen, wenn man mit der Zeit gehen und im kulinarischen Bereich "in" sein will. Brei gehört noch zu den Standardgerichten. Moderner ausgedrückt, Kartoffelschnee. Für den kranken Magen wie für den gesunden gut verträglich.

Als in den 50er Jahren der erste Jugoslawe ein Restaurant eröffnete, galt es als schick, dort ab und zu einzukehren. Auf dem Teller lag gleich neben dem Reis kalter Salat, quer darüber ein Spieß mit kleinen Fleischstückchen, alles überzogen mit Gewürzen, die für deutsche Mägen gewöhnungsbedürftig waren. "Du verstehst überhaupt nicht zu würzen", wurde mir damals von meiner Familie vorgehalten. Heute gibt es eine Menge ausländischer Restaurants. Pizza und Pasta haben der guten alten Knolle offensichtlich den Rang abgelaufen.

Ich erinnere mich, daß früher pro Person mindestens anderthalb Zentner Kartoffeln im Herbst eingekellert wurden. Erst brachte der Bauer verschiedene Sorten zum Probekochen, und nach der Begutachtung durch die Familie wurden zwei ausgewählt. Der Tag der Anlieferung wurde zum Fest für die Kinder. Schon morgens saßen sie wie die Orgelpfeifen auf der Türschwelle und warteten auf das Pferdefuhrwerk, mit dem der Bauer die Kartoffelsäcke transportierte. Immer durften sie mitfahren und abwechselnd die Zügel bis zum nächsten Hauseingang halten. Sack für Sack wanderte von den Schultern des Bauern in die vorbereiteten Kisten aus Holzlatten im Keller. Eine mehlige Sorte brauchte man für die guten Soßen zum Tunken oder gnatschen, und natürlich für Eintöpfe, denn diese Kartoffeln zerfallen und bilden so das sämige bindende Element zwischen den einzelnen Zutaten. Die Festkochende eignet sich am besten für Pellkartoffeln und für den schon erwähnten Salat.

Ich bin ausgewiesener Kartoffelfreund. Die "tolle Knolle" kann ich immer essen. Welch ein Glück, daß Friedrich der Große vor mehr als 250 Jahren auf ihrem Anbau bestand. Wo wären wir in den schlechten Zeiten ohne sie hingeraten! Sie gehörte schlechthin zu den Grundnahrungsmitteln. Sandiger Boden soll sich am besten zum Setzen eignen, doch es gibt auch gute Moorkartoffeln.

Jeder hat seine Lieblingssorte. Einer mag lieber eine schöne gelbe, einer eine weiße, die etwas zerfällt, aber es gibt auch rote und blaue Sorten. Einfach herrlich, solch eine heiße Pellkartoffel mit etwas Salz und einem Stückchen kalter Butter. Wenn ich allerdings für eine Folienkartoffel mit einem bißchen Kräuterquark 9,60 Euro bezahlen soll, vergeht mir der Appetit. Dafür gab es einst einen ganzen Zentner angeliefert!

Übrigens: Die Kartoffel ist wahnsinnig gesund, entwässert den Körper, ist eine Bombe an Kalium, Vitamin C und anderen wichtigen Stoffen, die der menschliche Organismus braucht. Vielleicht essen wir zu wenig Kartoffeln. Bis auf einen kleinen Kartoffelbauch waren wir einst rank und schlank, Arzt und Apotheker verdienten wenig an uns. Zu den Erinnerungen gehört natürlich auch das Nachstoppeln. Man ging suchend über die schon abgeernteten Felder und sammelte die noch vergessen und versteckt gebliebenen Knollen ein. Diese Ernte durfte man behalten. Daß wir uns darüber freuen konnten, versteht heute kein Mensch mehr. Später wurde das braune verwelkte Kraut zusammengetragen, mit Forken zu Haufen geschichtet und angezündet. Der Rauch zog wie Nebel über die schon herbstlichen Felder und unten in der Glut schmorten einige besonders schöne Exemplare, die dann schwarz, mit aufgeplatzter Schale, verzehrt wurden. Und dieser Geschmack nun gehörte unbedingt zum Herbst.

Leider fehlt heute oft das Wort "Dank", wenn vom Erntedankfest gesprochen wird. Vielleicht fällt es dem einen oder anderen am 2. Oktober auf, wenn das Erntedankfest in den Kirchen gefeiert werden soll. Erntefest, wird oft gesagt. Führen wir das Erntedankfest wieder ein. - Es gibt ein berühmtes Gemälde von Vincent van Gogh mit Kartoffelessern, aber auch andere Maler haben sich dieses Themas angenommen. Und selbst

Gedichte ranken sich um die "tolle Knolle". Man denke nur an das Kartoffellied von Matthias Claudius, in dem es zum Schluß heißt: "... und sind für Mann und Frau und Kind ein rechtes Magenpflaster".

 Otto Nagel: Kartoffelesser (1926) Foto: Archiv


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