28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.09.05 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. September 2005

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

also, wenn solch ein Anruf kommt wie der von Sigrid Meier aus Schwabach, dann bin ich glücklich. Denn er ist für mich ein Beweis, daß unsere Ostpreußische Familie hilft, Schicksale zu klären und Menschen, die zueinander gehören, zusammenzubringen. Wenn auch manchmal in dem Glücksbecher ein Wermutstropfen enthalten ist, nämlich dann, wenn einige der Gesuchten nicht mehr unter den Lebenden weilen. Ich will diesen Fall jetzt nach endgültiger Klärung aufrollen, weil er wieder einmal beweist, daß es nie zu spät ist, eine weit über ein halbes Jahrhundert führende vergebliche Suche weiterzuführen. Unsere treuen Leserinnen und Leser werden diesen Fall mit Interesse verfolgt haben, und nun kann ich melden, daß die Lösung gefunden wurde. Aber der Reihe nach, denn auch Neuleser werden über diesen Erfolg überrascht sein.

Die Suche beginnt im Januar dieses Jahres mit der Veröffentlichung eines Schreibens von Elena Geruliene aus Litauen. Sie ist die Witwe eines ostpreußischen Mannes, der als "Wolfskind" hungernd und bettelnd durch Litauen zog, weil er von Mutter und Schwester getrennt worden war. Er nannte sich Karl Scheporeit - auch Schiporeit, Scheporat -, nahm dann den Namen seiner litauischen Adoptiveltern Gerulis an. Er behauptete, daß er 1936/37 in dem Königsberger Vorort Metgethen geboren wurde. Als er nach der Heirat mit seiner Frau nach Metgethen fuhr, erkannte er tatsächlich sein Elternhaus, das sehr verkommen war. Da Mutter und Schwester mit ihm zusammen nach Litauen gegangen waren, dort aber getrennt wurden, begann er nach ihnen zu suchen. Schon während der Sowjetzeit über das Rote Kreuz, bekam aber nie eine Antwort. 1986 verstarb der Mann in Unwissenheit vom Schicksal seiner Familie. Seiner Frau ließ dies wie den gemeinsamen fünf Kindern keine Ruhe, und nach mehreren vergeblichen Versuchen wandte sie sich nun in diesem Jahr an unsere Ostpreußische Familie. Und siehe da, es fand sich eine Spur, die mehr als verheißungsvoll war: Lieselotte Heim aus Wiesbaden war als 16jährige Praktikantin in dem Haus des Maurermeisters Karl Schipporeit tätig gewesen. Sie setzte sich mit einer aus Metgethen stammenden Familie in Verbindung, deren Haus von dem Maurermeister gebaut worden war. Diese konnte ihr mitteilen, daß tatsächlich eine Schwester von Karl noch leben müßte. Und die wurde dann auch gefunden: Es ist Sigrid Meier aus Schwabach, die sich aufgrund unserer Veröffentlichung bei mir meldete. Noch waren wir ein wenig skeptisch, weil einige Angaben ungenau waren, aber nachdem sie mit der vermutlichen Schwägerin Verbindung aufgenommen hatte, stand es fest: Sigrid Meier ist die Schwester, die ihr Bruder Karl ein Leben lang gesucht hatte. Den endgültigen Beweis erbrachten zwei kleine, körperliche Merkmale, die Karl von Geburt an hatte, und die seine Witwe einwandfrei lokalisieren konnte. Das teilte mir Sigrid Meier in dem Telefongespräch mit. Sie hofft nun, ihre Schwägerin und die fünf Nichten und Neffen bald kennenzulernen. Das Tragische ist, daß nicht nur ihr Bruder nach seinen Angehörigen, sondern auch Mutter und Schwester nach dem Bruder gesucht haben und bereits 1951 die ersten Anträge beim DRK gestellt hatten. Ein Grund, außer den politisch bedingten Schwierigkeiten der damaligen Zeit, lag wohl an dem Namen, den der 1938 Geborene nur ungenau in Erinnerung hatte. In den deutschen Suchkarteien wurde er unter seinem richtigen Namen Karl-Ulrich Schipporeit geführt. Übrigens sage ich da unseren eifrigen Mithelferinnen Gertrud Bischof und Brigitta Kasten herzlichen Dank, die sich beim DRK und beim Kirchlichen Suchdienst HOK um Aufklärung bemühten.

Für Frau Bischof brachte diese Suche noch eine Überraschung: Bei einem Telefongespräch mit Frau Meier stelle sie fest, daß beide 36 Jahre lang fast nachbarlich in Schwabach gelebt hatten, sich aber nie begegnet sind. Na, da gab es ja was zum plachandern. Aber damit nicht genug: Gertrud Bischof kann noch eine ganz andere Erfolgsmeldung abgeben. Sie hatte in Folge 31 nach einer Ostpreußin aus Herzogskirch gesucht, die sich beim Ostpreußentreffen in Berlin mit einem unleserlichen Namen in die Heimatkartei eingetragen hatte. Da stand nur Johanna F..., Schützenstraße 12, Berlin. Nun gibt es in unserer Hauptstadt mehrere Schützenstraßen. Wie diese Johanna F. finden? Ehe Frau Bischof unsere PAZ mit der Suchmeldung bekam, hatte unser rühriger Landsmann Klaus Schwittay schon alles abgewickelt. Er hatte eine Johanna Roth in der Schützenstraße 12 in Berlin-Bohnsdorf ermittelt. Nun kann man F mit R leicht verwechseln, wenn es mit unruhiger Hand geschrieben wird. Frau Bischof rief jedenfalls sofort bei Frau Roth an - die war es nicht. Aber in dem Haus wohnte noch eine andere Johanna, und die war Ostpreußin, allerdings hieß sie Krüger. Oh Wunder, sie war die Gesuchte! Aber warum hatte sie sich mit "Johanna F." eingetragen? Sie heißt mit Mädchennamen Frey, und da sie das Treffen mit einem alten Freund aus ihrer Jugendzeit, der extra aus Australien gekommen war, besuchte, war sie in Gedanken so in der Vergangenheit, daß sie sich mit "Johanna Frey" eintrug. Nun ist alles geklärt. Auch ein anderer Landsmann, Peter Perrey, hatte die richtige Schützenstraße samt Johanna Roth gefunden - im Internet! Er mailte mir die Adresse mit echt ostpreußischen Grüßen. Dank ook scheen, leewer Peter!

"Danke" sagt auch Irmgard Ladislei aus Flößberg, "an alle, die mir so lieb geschrieben haben ..." und ihr das gesuchte Lied "Eine Handvoll Heimaterde" zusandten. Es handelt sich um einen Slowfox, der Anfang der 60er Jahre von Peter Kaegbein geschrieben und von Karl Götz komponiert wurde. Das Lied wurde auch von Freddy Quinn gesungen und wurde deshalb sehr populär. "Auf unsere Ostpreußische Familie kann man sich verlassen!" stellt Frau Ladislei fest.

Das könnte auch Else Luther bestätigen, die das Gedicht suchte, das 1925 am Volkstrauertag in der Gumbinner Cecilienschule vorgetragen wurde. Frau Luther, damals in der Quinta, hat dieses Gedicht so beeindruckt, daß sie es nie vergessen hat, aber leider nur einige Passagen behielt wie den Anfang: "Alle lieben Brüder, die schon gefallen sind, reden aus Stein und Scholle, sprechen aus Wolke und Wind." Nur eine Zuschrift bekam sie, aber diese enthielt alle zehn Verse des Gedichtes "Das Vermächtnis". Freut mich für Sie, liebe Frau Luther, aber auch für uns, denn das Gedicht ist sehr eindrucksvoll und für meine Sammlung eine wertvolle Bereicherung.

Und ein ganz besonders lieber Brief kam aus Mönchengladbach. Marianne Seelbach schrieb ihn im Namen ihres 99jährigen Vaters sowie vieler Verwandten und Bekannten, denn "jeder wollte einen Abzug von dieser wunderbaren Geschichte aus der PAZ". Das ist sie schon und gehört auch in die Reihe der "Familienwunderchen". Kurz erzählt: Der Belgier Ben Janssens aus Oppuurs fand im Nachlaß seines Vaters John Fotos von einem Hof aus der Elchniederung, auf dem der Vater 1940 als Kriegsgefangener gearbeitet hatte. Und Briefe aus der Zeit danach, die eine enge Verbindung, ja Freundschaft, zwischen John Janssens und der Familie Noetzel aus Bürgenhuben bewiesen, die dann leider nach dem Krieg abbrach. Ben Janssens wollte wissen, ob die Familie die Flucht überlebt hat. Wir suchten nach ihr, und mit Hilfe von Gabriele Bastemeyer, Kreisgemeinschaft Elchniederung, fanden sich der Schwiegersohn der Bäuerin Elisabeth Noetzel - der heute 99jährigen - sowie drei Enkel und eine Enkelin. Diese, Marianne Seelbach, setzte sich sofort mit dem Belgier in Verbindung. So entstand ein erneuter Briefwechsel, diesmal zwischen den Nachkommen, mit dem Versprechen, sich in Mönchengladbach zu treffen. Dazu ist es leider bisher nicht gekommen, aber fest geplant. Und das Treffen wird herzlich verlaufen, wie der Dankesbrief von Frau Seelbach vermuten läßt, bei der - wie sie schreibt - "das echt ostpreußische bäuerliche Blut immer wieder hochkommt".

Und viele Grüße aus den USA, aus Indianapolis. Von Günther Rohrmoser, dem wir einige Zuschriften zu seinen Fragen mailen konnten. Inzwischen hat er sich mit Landsleuten in Verbindung gesetzt, so mit Uwe Lapsien, der in Fünflinden, einem Rohrmoser-Gut, aufwuchs. Er hofft, von Herrn Konsul Cornelius Sommer Näheres über Friedland, wo er die Agnes-Miegel-Schule besuchte, und über das väterliche Gut Kipitten zu erfahren.

Ja, es tut sich eben etwas in unserer "Ostpreußischen Familie". Und noch viel mehr, als ich heute belegen kann, denn manches geschieht ohne Veröffentlichung, allein durch persönliche Verbindungen. Aber eine Bitte habe ich noch: Wenn in unserer Kolumne bei einem Suchwunsch die Adresse angegeben ist, sollte man sich immer an diese wenden und nicht an mich. Sonst wird die Sache verzögert und belastet mich dann sehr. Und auch das: Wenn Sie Zuschriften bekommen, bitte den Absendern ein kleines Dankeschön sagen. Falls dies nicht geschehen kann, weil zuviel Zusendungen kommen oder weil Auge und Hand nicht mehr so wollen, mir den Dank übermitteln, ich sage ihn dann an dieser Stelle.

Eure Ruth Geede


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren