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24.09.05 / Befreiung, Niederlage oder was? / Die Deutschen der Zwischenkriegszeit wünschten primär eine Befreiung von den Zumutungen der Ententemächte (Teil XVII)

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. September 2005

Befreiung, Niederlage oder was?
Die Deutschen der Zwischenkriegszeit wünschten primär eine Befreiung von den Zumutungen der Ententemächte (Teil XVII)
von G. Schultze-Rhonhof

Was der verpaßte Dialog mit der inzwischen abgetretenen Vorkriegs- und Kriegsgeneration zu Tage hätte fördern können, sind die Wahrnehmungen der Menschen aus den 20er und 30er Jahren und ihre Sicht im Jahre 1939. Die Bürger in den 20er und 30er Jahren sahen zuerst die Ausplünderung des deutschen Volkes - so wie es der damalige italienische Ministerpräsident Nitti ausgedrückt hat - und die darauf folgende Verelendung breiter Schichten der Bevölkerung in der Weimarer Republik.

Als zweites beobachteten sie das schlimme Los ihrer Landsleute, deren Heimat durch den Spruch der Siegermächte fremden Staaten zugeordnet worden war. Diese fast sechs Millionen Deutschen, die nun gegen ihren eigenen Willen polnische, tschechoslowakische, französische und litauische Staatsbürger zweiter Klasse waren, wurden, wenn es ihnen gut ging, unfreundlich geduldet. Die Mehrheit dieser zwangsweise "Umgebürgerten" erlitten aber Schicksale wie Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis, Enteignung und Vermögenseinzug, Entzug ihrer Betriebs- und Arbeitslizenzen und Drangsalierungen in vielerlei Gestalt. Das alle diese Auslandsdeutschen "heim ins Reich" wollten, lag auf der Hand. Etwa eine Million Volksdeutsche beispielsweise verließ damals ihre Heimat im neuen Polen und siedelte ins deutsche Kernland um. Die meisten aber blieben in der angestammten Heimat und hofften, daß die Regierungen in Deutschland eines fernen Tages ihre Probleme politisch lösen würden.

Als drittes erlebten und erlitten die Deutschen im Rheinland und im Ruhrgebiet sowie im Memelland und Oberschlesien die skrupellose Mißachtung des geschlossenen Versailler Friedens durch die gewaltsamen Einmärsche der Truppen und Milizen einer Reihe von Nachbarstaaten. Diese Friedensbrüche und die eigene militärische Ohnmacht in jener Zeit wurden nicht so bald vergessen.

Als viertes registrierten viele Deutsche in den 30er Jahren den Niedergang von Demokratie und Rechtsstaat im Deutschen Reich, besonders nachdem Hitler Reichskanzler geworden war. Die politischen Morde an SA-Führern beim sogenannten Röhm-Putsch, die Anmaßungen der Parteifunktionäre der NSDAP, die Einrichtung von Konzentrationslagern (zu der Zeit noch) für die Inhaftierung politischer und religiöser Regimegegner sowie die Diskriminierung und die damals erzwungene "Auswanderung" von Juden schreckten und empörten viele Deutsche.

Als fünftes, als sechstes und als siebentes erlebten die Bürger das deutsche Wirtschaftswunder in den 30er Jahren, die Wiederherstellung der äußeren Sicherheit ab etwa 1935 und vor allem den Anschluß der Deutschen im Saarland, in den Sudetengebieten und im Memelland an ihr Mutterland zwischen 1935 und 1939.

Zunächst das Wirtschaftswunder: Man sah, daß der erste Vierjahresplan von 1933 und des Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht "Neuer Plan" von 1934 recht schnell zu greifbaren und fühlbaren Erfolgen führten. Der augenfälligste wirtschaftliche Erfolg war die Vollbeschäftigung nach Ablauf des ersten Vierjahresplans. Die Arbeitslosenzahl war von 6,1 Millionen im Jahre 1933 auf 0,2 Millionen im Jahre 1938 zurückgegangen. Die Menschen in Deutschland registrierten dabei durchaus mit Stolz, daß solches hierzulande möglich und gelungen war, während in den USA die Zahl der Arbeitslosen von 12,8 Millionen in genau der selben Zeit trotz des "New Deal"-Programms nur auf 10,4 gesunken war.

Dann kam als sechstes die Stationierung deutscher Truppen im bis dahin gegenüber Frankreich militärisch ungeschützten Rheinland sowie der Aufbau einer ernst zu nehmenden Wehrmacht und damit das Ende der Übergriffe der vorher aggressiven Nachbarstaaten.

Als siebtes erlebten die Bürger die schon erwähnten Anschlüsse des Saarlandes, der Sudetengebiete und des Memellandes an Deutschland, was damals als eine Befreiung von Fremdherrschaft und Diskriminierung angesehen worden ist. Die Freude, die über diese Anschlüsse herrschte, war der beim Fall der Mauer und der bei der Wiedervereinigung 1990 empfundenen sehr ähnlich.

Als achtes mußten die Deutschen miterleben, wie ihr "Führer" Hitler die souveräne Rest-Tschechei zum Protektorat gemacht hat und besetzen ließ. Dies Unrecht paßte nicht in die sonst geübte Außenpolitik, nur Deutsche "heim ins Reich" zu holen. Die Tschechei-Besetzung fiel als dunkler Schatten auf die Heimkehr der Saarländer, der Sudetendeutschen und der Memelländer.

Die Häufigkeit der negativen Eindrücke, die "das Ausland" seit 1920 hinterlassen hatte, und die Frische der Erinnerung daran führte 1939 zu einer Solidarisierung der Menschen in allen deutschen Landesteilen miteinander. Die Sache der Saarländer, der Bevölkerung im Ruhrgebiet, der Sudetendeutschen, der Danziger und der Deutschen, die noch in Polen lebten, wurde im ganzen Reich als Teil des eigenen deutschen Nachkriegsschicksals angesehen. Das deutsche Solidaritätsgefühl war noch lebendig.

Nach dem Anschluß des Memellandes standen immer noch drei Probleme offen, die allerdings nur mit Hilfe und Einverständnis der polnischen Regierung und der polnischen Bevölkerung zu lösen waren. 340000 Danziger hatten den Wunsch, wieder zu Deutschland zu gehören. Die Bevölkerung Ostpreußens brauchte sichere und zuverlässige Verkehrswege für den Personen- und den Güterverkehr ihres seit 1919 abgetrennten Landesteils mit dem deutschen Kernland. Hitler hatte deshalb nach jahrzehntelangen Querelen um den Verkehr zwischen Ostpreußen und dem Reich und häufigen polnischen Behinderungen exterritoriale Straßen- und Schienenwege von und nach Ostpreußen verlangt. Und drittens ging es um die Garantie der Menschenrechte für die eine Million in Polen lebenden Deutschen. Dies Problem war trotz dreier nacheinander abgeschlossener Minderheitenschutzverträge nie für lange Zeit gelöst gewesen.

Im Oktober 1938 begannen deutsch-polnische Verhandlungen zur Lösung der drei genannten Fragen. Die Gespräche zwischen Warschau und Berlin liefen sich nach hoffnungsvollem Anfang im März 1939 fest. Die polnische Regierung machte am 23. März ihre Armee teilmobil und ließ Truppen in Richtung Danzig und Ostpreußen aufmarschieren. Hitler gab eine Woche später, am 3. April der Wehrmachtsführung Weisung, einen Krieg gegen Polen so vorzubereiten, daß er am 1. September beginnen könnte, wenn es bis dahin keine Einigung mit Polen in den drei offenen Fragen geben sollte. Im August 1939 machte Hitler Polen dann noch einmal einen Vorschlag zur Regelung der deutsch-polnischen Differenzen. Er verband den Vorschlag mit einem kurz gesteckten Ultimatum. Als die polnische Regierung Verhandlungen unter einem Ultimatum ausschlug, ließ der Diktator Hitler die Wehrmacht am 1. September in Polen einmarschieren. Fortsetzung folgt


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