20.04.2024

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01.10.05 / Abschied von der Küste

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. Oktober 2005

Abschied von der Küste
von Helga Licher

Der feuchte Morgennebel steigt aus den Dünen empor und legt sich wie ein Schleier auf die letzten Blüten der Heckenrosen. Langsam gehe ich den schmalen Weg zum Meer hinunter und atme tief die klare Seeluft ein. Es ist noch früh und der Strand ist noch menschenleer. Vereinzelt treffe ich einen Frühaufsteher, der wie ich die letzten warmen Tage an der Nordsee genießt. Ich bücke mich und greife nach einer Muschel.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis die ersten Herbststürme über die Küste fegen, denke ich und beobachte eine Möwe, die am Himmel einsam ihre Runden dreht. Vor mir dümpelt ein morsches Holzboot im Rhythmus der Wellen.

Einige Männer laden die letzten bunten Strandkörbe auf einen Anhänger. Es kehrt Ruhe ein an der Küste. Der Herbst ist eingekehrt, die Kinder müssen längst wieder zur Schule gehen. Es bleibt nur die Erinnerung an wunderschöne Ferien am Meer.

Ich wende mein Gesicht dem Wind entgegen und spüre das Salz auf meiner Haut. Meine Schuhe graben sich tief in den nassen Sand, während ich allmählich den Strand verlasse und auf die Promenade zugehe.

Die Andenkenläden, wo man vor einigen Wochen noch bunte Ansichtskarten und kleine Segelschiffe aus Holz kaufen konnte, haben jetzt ihre Türen verriegelt und die Fensterläden geschlossen. Der frische Seewind treibt den feinen Sand vom Strand her in die Vorgärten, wo farbenprächtige Astern und Dahlien die letzten Sonnenstrahlen einfangen.

In dem kleinen, gemütlichen Café am Ende der Straße wird bereits Glühwein und Teepunsch angeboten. Gelangweilt poliert Antonio, der italienische Kellner, das Besteck und sieht mir aus dem Fenster entgegen. Lächelnd nicke ich ihm zu, lenke meine Schritte aber in Richtung Hafen.

Ein Krabbenkutter, der von einer großen Schar Möwen begleitet wird, tuckert langsam durch die enge Hafeneinfahrt. Einige Urlauber warten mit ihren Einkaufstaschen am Anleger auf den frischen Fang der vergangenen Nacht. Müde setze ich mich auf die Bank, gleich neben der Hafenmeisterei.

"Moin, moin."

Der alte Jansen begrüßt mich freundlich und setzt sich für einen Moment zu mir.

Eine Zeitlang hängen wir beide unseren Gedanken nach, während wir dem Krabbenkutter beim Anlegen zusehen.

"Na, Urlaub vorbei?"

Jansen zieht an seiner Pfeife und starrt aufs Meer hinaus.

Ich muß lachen, gesprächig sind sie nicht, die Menschen hier an Küste. "Hm, morgen fahre ich nach Hause."

"So, so ..."

Ich lege ihm die Hand auf die Schulter und stehe langsam auf. "Tschüß denn ..."

Jansen zieht an der Pfeife und nickt. Gesprächig sind sie wirklich nicht, die Menschen hier an der Küste ...


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